Im Forscherhimmel

Ab dem 1. Januar 2026 fördert die Akademienunion das Großprojekt über die Aufarbeitung der Bittschreiben jüdischer Verfolgter für 25 Jahre
Gruppenbild des gesamten Teams im Garten der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl in Rom
Das gesamte Team des Seminars für Mittlere und Neuere Kirchengschichte freut sich über diesen großartigen Erfolg
© Uni Münster - Johannes Wulf

Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz hat am 28. November beschlossen, das bei der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste angesiedelte Projekt mit dem Titel "Der Vatikan und die Verfolgung der Juden in Europa (VVJE)" in das Akademienprogramm aufzunehmen.

5 Jahre nach Archivöffnung: Projekt erhält Langzeitperspektive

Als im März 2020 die Bestände zum Pontifikat Pius’ XII. in den Vatikanischen Archiven der Forschung zugänglich wurden, war Professor Wolf mit seinem Team vor Ort. Möglich wurde dies durch eine Finanzierung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Geplant war eine Biografie zum Pacelli-Papst; einem der umstrittensten Päpste der Kirchengeschichte. Doch bereits in den ersten Archivtagen stießen die Forscherinnen und Forscher in ganz unterschiedlichen Beständen immer wieder auf Bittbriefe jüdischer Menschen. Nach wenigen Tagen fielen die geplanten Archivwochen jedoch der Corona-Pandemie zum Opfer.

Statt den Fokus auf das Kirchenoberhaupt zu richten, entschied sich das Team, die Lebensgeschichten der jüdischen Verfolgten in den Blick zu nehmen. Im November 2021 begann das Projekt "Asking the Pope for Help", finanziert von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft (EVZ)", dem Auswärtigen Amt und der Bayer-Stiftung. Für den Aufbau einer digitalen Arbeitsumgebung hat der Softwarekonzern SAP eine große Summe bereitgestellt.

Dieses Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, alle Bittbriefe jüdischer Menschen in den Vatikanischen Archiven zu identifizieren und zu verzeichnen. Von Anfang an ging es auch darum, das gefundene Material im Rahmen einer kontinuierlichen Wissenschaftskommunikation der Öffentlichkeit vorzustellen und mit einer "didaktisch" aufbereiteten exemplarische Wissensvermittlung auf dem gesamten Feld der politischen Bildung für verschiedene Zielgruppen im Sinn einer Anti-Antisemitismuserziehung tätig zu werden.

Als die Archivrecherchen zutage brachten, welche Massen von Material zu den Bittschreiben in den römischen Beständen liegen, begannen 2023 die Planungen für ein groß angelegtes, umfassend wissenschaftlich aufgestelltes und mit digitalen Auswertungstools versehenes Projekt. In der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste in Düsseldorf fanden Professor Hubert Wolf und das Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte die entsprechenden Partner. Wolf bleibt das Gesicht des Projekts und wird seine Expertise als Kirchenhistoriker und Vatikankenner so lange wie möglich in den Dienst des Projekts stellen. Um weitere starke Partner zu haben und gegebenenfalls die personelle Kontinuität über das Ausscheiden von Professor Hubert Wolf hinaus sicherzustellen, beteiligen sich der Theologe Professor Michael Seewald als ausgewiesener Dogmenhistoriker und der Wirtschaftsinformatiker Professor Jan vom Brocke als Experte für Process Mining und Data Science am Projekt.

15,4 Millionen Euro erhält das Projekt für die nächsten 25 Jahre. In fünf Modulen, die sich jeweils chronologisch von 1939 an mit den Bittschreiben und der vatikanischen Korrespondenz auseinandersetzen und alle drei Jahre von den Akademien der Wissenschaften umfassend evaluiert werden, geht es um die Beantwortung von zwei großen erkenntnisleitenden Forschungsfragen: Wer bittet den Papst um was? Und: Was passierte mit diesen Bitten im Vatikan?

Das gesamte Team des Seminars für Mittlere und Neuere Kirchengschichte freut sich über diesen großartigen Erfolg und dankt den Akademien der Wissenschaften Berlin und Düsseldorf sowie der Universität Münster für die Unterstützung bei der Antragstellung.

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