Engel zwischen Trümmern und Zukunft

Eine Exkursion hat Mitglieder der Katholisch-Theologischen Fakultät zur Ausstellung „Der Engel der Geschichte“ im Berliner Bode-Museum geführt. Im Fokus stand Paul Klees Angelus Novus und Walter Benjamins Deutung des Bildes als „Engel der Geschichte“ – ein intensiver Dialog zwischen Kunst, Philosophie und Theologie.

Im Juli hat eine Gruppe von Mitgliedern des akademischen Mittelbaus der Katholisch-Theologischen Fakultät eine Exkursion nach Berlin unternommen. Zusammen mit Prof. Dr. Christian Thein, Professor für Philosophie mit den Schwerpunkten Fachdidaktik sowie Sozial- und Bildungsphilosophie an der Universität Münster, ging es in die Ausstellung „Der Engel der Geschichte. Walter Benjamin, Paul Klee und die Berliner Engel 80 Jahre nach Kriegsende“ im Bode-Museum Berlin.

Selfie der Exkursionsgruppe im Bode-Museum
Selfie der Exkursionsgruppe im Bode-Museum (v.l.n.r.): Prof. Dr. Christian Thein, Dr. Jonas Erulo, Anna Hack M.A., Mag. Theol. Isabel Höing und Dipl.-Theol. Ludger Hiepel M.A.
© KTF | Ludger Hiepel

Im Zentrum der Ausstellung stand Paul Klees Aquarell des Angelus Novus (1920). Das Werk befand sich in dem Besitz des Philosophen Walter Benjamin (*1892), der 1933 vor dem NS-Regime floh. 1940 nahm er sich an der Grenze zu Spanien das Leben. Im Gepäck: das Bild von Klee.

Diesen Angelus Novus deutete Benjamin in einem seiner letzten Texte, den geschichtsphilosophischen Thesen, zur ikonischen Figur des „Engels der Geschichte“: Ein Engel, der mit weit aufgerissenen Augen rückwärtsgewandt in die Vergangenheit blickt, während ihn der Sturm des Fortschritts unaufhaltsam in die Zukunft treibt.

„Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.“ (Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte, These IX)

Der Angelus Novus (1920) von Paul Klee wird im Berliner Bode-Museum gezeigt.
Der Angelus Novus (1920) von Paul Klee im Berliner Bode-Museum.
© KTF | Ludger Hiepel

Die Ausstellung, in Kooperation mit dem Israel Museum Jerusalem, zeigt das Original des Angelus Novus, begleitet von Benjamins Manuskripten, kriegsversehrten Engelsfiguren aus Berliner Sammlungen sowie filmischen Reflexionen – etwa aus Wim Wenders’ Der Himmel über Berlin. Die Ausstellung möchte damit das Verhältnis zwischen Geschichte, Erinnerung, Verlust und Hoffnung in den Fokus rücken. Kritische Nachfragen wirft allerdings die Assoziation zwischen Benjamins Reflexion über die Trümmer der Zivilisation – gerade angesichts des ihm gegenwärtigen Faschismus – und den Trümmern der Städte des nationalsozialistischen Deutschlands auf.

Text: Isabel Höing

 

Weiterführende Links:

Ausstellung „Der Engel der Geschichte. Walter Benjamin, Paul Klee und die Berliner Engel 80 Jahre nach Kriegsende“

Katalog zur Ausstellung (Open Access)