Benedikt Kern
Benedikt Kern hielt das Impulsreferat.

Theologie als Veränderungswerkzeug in der Welt

Theolog_innen hinterfragen die politische Dimension der akademischen Theologie

Die Fakultätsversammlung der Katholisch-Theologischen Fakultät am 22.6.2015 beschäftigte sich mit dem Thema: „Wie politisch ist unsere Theologie in Münster?“ Trotz angeregter Diskussion war es den Organisator_innen, darunter Prof. Wilfried Eisele, Prof. Reinhard Hoeps, Volker Niggemeier, Josef Becker, Konrad Joachim Haase, Jonas Hiesterman, Benedikt Kern, Monika Epping und Hedwig Rosenmöller, durchaus bewusst, dass die Frage nur angerissen, nicht aber abschließend bearbeitet werden kann.

Benedikt Kern legte in einem Impulsreferat dar, in welchen widersprüchlichen Verhältnissen die Theologie in der Gesellschaft steht. Theologie sei immer in einem konkreten historischen Kontext entwickelt und von bestimmten Interessen geleitet. Daher müsse die Frage erlaubt sein, in welchem Interesse Theologie getrieben werde. Aufgabe sei es, Theologie in der jeweiligen historischen Situation begründet zu treiben – und das gehe nur, wenn man sich mit den historischen Bedingungen auseinandersetze. Zudem müsse man die Wirklichkeit der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse in den Blick nehmen, um in dieser theologisch von Gott sprechen zu können. Durch diesen Hintergrund müsse man auch fragen, aus welchem Standpunkt heraus man Theologie treibe und kirchliche Praxis gestalte.

Mit Blick auf Papst Franziskus, der u.a. in ‚Evangelii Gaudium‘ mit der Kritik an der Wirtschaft einen klaren Standpunkt aus einer klaren Option heraus eingenommen hat, stellt Kern fest, dass die Einnahme einer Option in der Theologie eine politische Dimension hat. Stellt diese Option das Reich Gottes in das Zentrum, versucht sie, dahingehend die Wirklichkeit zu verändern. Engagierte Theologie könne also ein „Veränderungswerkzeug in der Welt“ sein, so Kern – und ruft die Fakultät wie auch die akademische Theologie auf, sich nicht herauszuhalten, „[d]enn es geht um nichts Geringeres als das Reich Gottes – die Welt Gottes mit dem Leben in Fülle für alle.“

Arbeitsgruppe
In den Arbeitsgruppen wurde intensiv diskutiert.

In der folgenden Gruppenarbeitsphase diskutierten die Teilnehmer_innen angeregt zu folgenden Fragen:

  1.  Wie wird an unserer Fakultät Theologie gelehrt und studiert – ist sie dabei ein Instrument zum kritischen Blick auf gesellschaftliche Brennpunkte?
  2.  Wird Theologie an unserer Fakultät unter dem Primat der Praxis getrieben und hilft sie diese zu reflektieren und zu hinterfragen? Führt unsere Theologie zu politischen Veränderungen in der Gesellschaft hin zur Überwindung von ungerechten Verhältnissen?
  3. Wird durch unsere akademische Theologie ein Beitrag zur Formung einer Kirche auf der Seite der Marginalisierten geleistet, die im Sinne von Papst Franziskus eine Kirche ist, die „verbeult“ ist und sich an die Peripherie wagt?
  4. Was sollten konkrete Schritte in Bezug auf Fragen 1-3 in der Fakultät sein?

Bereits beim Zusammentragen der Ergebnisse stellte sich die Frage, ob sich eine Fakultät als Ganzes überhaupt politisch positionieren kann oder sollte, oder ob es nicht eine bloße Nutzung formaler Autorität wäre statt Argumente sprechen zu lassen. Weitere Überlegungen waren, ob Praktika in Seminare integriert werden könnten, wie man die Wahrnehmung der Probleme vor Ort stärken und auch die Ressourcen vor Ort bündeln kann und ob und wie die Öffentlichkeit genutzt werden könne. Zudem wurde angeregt, politische Themen in Foren oder Versammlungen theologisch zu hinterfragen um so zu einer theologischen Subjektwerdung beizutragen.

In einem abschließenden Statement betonte Kern zum einen, dass es wichtig sei, sich immer wieder mit dem theologischen Selbstverständnis auseinanderzusetzten. Zum anderen könne man sich mit diesem Selbstverständnis als theologische Fakultät nicht aus politischen Prozessen heraushalten. Diese Fakultätsversammlung war ein erster Schritt in diese Richtung und es herrscht Hoffnung, dass es weitergeht. So werden beispielsweise im kommenden Wintersemester verschiedene Hauptseminare angeboten, die das politische Sein von Theolog_innen behandeln.

 

Die Ergebnisse der Fakultätsversammlung werden als Arbeitspapier einer Arbeitsgruppe vorgelegt, die sich weiterhin mit diesem Thema beschäftigen wird. Wenn Sie an einer Mitarbeit interessiert sind, melden Sie sich bitte bei Herrn Konrad Joachim Haase (konrad_J_H@gmx.net).

Fotos