Philon: Fragen und Auflösungen zur Genesis

Die unten stehende Übersetzung aus dem Armenischen und – soweit vorhanden – dem Griechischen ist noch vorläufig und erscheint hier ohne Fußnoten und kritischen Apparat. Schriftzitate sind direkt aus der Septuaginta übersetzt (kursiv markiert).


(c) Institutum Judaicum Delitzschianum Münster

26. Warum sagt sie: Gott erinnerte sich an Noe und die Nutztiere und die Wildtiere, erwähnt aber nicht seine Frau und Kinder? (Gen 8,1)

Sobald mit einer Frau ihr Mann übereinstimmt und konspiriert, ein Vater aber mit den Söhnen, sind mehrere Benennungen nicht möglich, sondern nur eine, die erste. Wenn (die Schrift) Noe sagt, nennt sie potentiell all seine Hausangehörigen. Denn sobald Mann und Frau streiten und Kinder und Verwandte, umfasst das nicht länger ein Haus, sondern anstelle eines werden viele. Doch wo Übereinstimmung ist, wird „ein Haus“ geschrieben nach Einem, dem Ältesten, und alle hängen von ihm ab, wie die Zweige eines Baumes von diesem herauswachsen, oder wie die Früchte einer Pflanze, die nicht abfallen. Es sagte auch ein Prophet (Jes 51,2): Schaut auf Abraham, euren Vater, und auf Sara, die mit euch in den Wehen lag. Dass nur ein Nachkomme dar war, erweist deutlich die Übereinstimmung mit der Frau.

27. Warum erwähnt sie zuerst die Wildtiere und nachher die Nutztiere, indem sie sagt: Er erinnerte sich an Noe und die Wildtiere und die Nutztiere? (Gen 8,1)

Erstens ist nicht umsonst und nicht ungefähr das Wort des Poeten gesagt: „Er trieb die Bösen in die Mitte“, denn er (Noe) platzierte die Wildtiere mitten zwischen den Zahmen, den Menschen und den Nutztieren, damit sie gezähmt werden mögen, indem sie sich an beide gewöhnen.

Zweitens hätte (die Schrift) es nicht für gerecht gehalten, dass der Aufseher der Wildtiere die Wohltat nach beiden Seiten erweise: Denn (die Schrift) erwähnt unmittelbar darauf den Anfang des Rückgangs der Flut.

Dies ist der Wortsinn. Übertragen jedoch umfasst der rechtschaffene Verstand, der im Körper wie in einem Kasten wohnt, auch Wildtiere und Nutztiere, aber nicht jene besonderen, die beißen und schädlich sind, sondern, wie vielleicht jemand sagen könnte, die generischen, die die Art eines Samen und Prinzips an sich haben; denn ohne diese kann die Seele nicht im Körper erscheinen. Nun geht ja jeder Unverständige mit Verderbenbringendem und Todbringendem um, der Tugendhafte jedoch mit dem, was die Natur von Wildtieren in die von Zahmen verwandelt.

28. Was heißt: Es brachte einen Hauch über die Erde und das Wasser ließ nach? (Gen 8,1)

Einige würden sagen, mit Hauch sei der Wind gemeint ist, durch den die Flut aufhörte. Aber ich weiß nichts davon, dass Wasser durch Wind weniger wird, sondern es wird aufgewirbelt und schlägt Wellen. Sonst wären längst auch die größten Meere aufgebraucht. Also meint (die Schrift) den göttlichen Geist, durch welchen ja alles entsteht und zur Ruhe kommt – sowohl die Schrecknisse dieser Welt als auch jene, die in der Luft sind wie auch in allen Mischungen von Pflanzen und Tieren. Denn zu dieser Zeit war die Flut nicht irgendein kleiner Erguss von Wasser, sondern ein unbegrenzter und unüberschreitbarer, welcher fast weiterströmte als die Säulen des Herakles, als das offene Meer. Deshalb wurden die gesamte Erde, auch das Gebirgige, überflutet, für welche es nicht passend gewesen wäre, von einem Wind trocken gelegt zu werden, sondern, wie ich sagte, von einer unsichtbaren und göttlichen Kraft.

29. Was heißt: Die Quellen des Abgrunds wurden zugedeckt, und die Wasserfälle des Himmels? (Gen 8,2)

Erstens ist es klar, dass in den ersten vierzig Tagen unablässige Wasserschwelle waren, als von der Erde unten die Quellen hervorbrachen und von dem Himmel oben die Wasserfälle geöffnet wurden, bis alles Ebene und alles Gebirgige überflutet war. Und für weitere hundertfünfzig Tage ließen weder die Flüsse vom Fließen ab noch die Quellen vom Hervorbrechen, jedoch waren sie sanfter, nicht länger zum Zunehmen sondern zum Gleichbleiben des Wassers, während von oben Hilfe geschah. Und Anzeichen ist, dass jetzt gesagt wird, dass nach hundertfünfzig Tagen (Gen 8,3) die Quellen und Wasserfälle zugedeckt wurden. Also, so lange wie sie immer noch nicht zurückgehalten wurden, ist klar, dass sie tätig waren.

Zweitens war es notwenig, das, was (die Schrift als) die Wasserfälle der Flut aufführt, den zweifachen Vorrat an Wasser, den der Quellen der Erde aber auch den der Wasserfälle des Himmels, zu schließen. Denn in welchem Maße, wie zusätzlicher Nachschub an Material ausgeteilt wird, so sehr ist er bedroht, sich selbst zu verbrauchen, besonders wenn die göttliche Kraft es befohlen hat.

Dies ist der Wortsinn. Jedoch im übertragenen Sinn – da die Flut der Seele durch zwei (Quellen) aufquillt, sowohl durch den Verstand, gleichsam aus dem Himmel, als auch durch den Körper und die Wahrnehmungen, gleichsam aus der Erde, und das Böse durch die Leidenschaften eintritt und zugleich die Leidenschaften durch das Böse – war es notwendig, dass das Wort des göttlichen Arztes zu einen heilsamen Besuch eintritt, um Krankheit zu heilen, und beide Ströme zurückzuhalten. Denn Beginn der Heilung ist, die Ursachen der Krankheit zurückzuhalten und keine krankheitserregende Materie zu belassen. Das hat (die Schrift) auch angedeutet in (der Perikope vom) Leprakranken; denn wenn (der Abdruck) bleibt und sich nicht weiter ausbreitet (Lev 13,5f), dann hat (die Schrift) sein (des Patienten) Bleiben und seinen Aufenthalt am selben Ort (wie der Volksverband) gesetzlich festgelegt, weil er rein ist. Denn das, was sich nicht nach der Natur bewegt, ist unrein.

30. Was heißt: Das Wasser ging zurück und nahm ab nach hundertfünfzig Tagen? (Gen 8,3b)

Es ist zu untersuchen, ob vielleicht die hundertfünfzig Tage bezüglich des Absinkens andere sind als jene fünf Monate und ob sie hinblicken auf die früheren (Tage), an denen die Sintflut nicht zu bändigen war, da immer noch ein Anstieg war.

31. Warum sagt sie: Es setzte sich der Kasten im siebten Monat am Siebenundzwanzigsten des Monats? (Gen 8,4)

Es ist angebracht, zu bedenken, dass der Anfang der Flut im siebten Monat am Siebenundzwanzigsten (Gen 7,11) geschieht, der Rückgang aber, als der Kasten auf den Gipfeln der Bergen aufsetzte, wiederum im siebten Monat, am Siebenundzwanzigsten des Monats. Nun ist zu sagen, dass es eine Übereinstimmung der Monate gibt und der Tage, denn der Beginn der Flut geschieht im siebten Monat, dem Geburtstag des Rechtschaffenen, an der Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche, der Rückgang jedoch im siebten Monat, angefangen von der Flut, der Herbst-Tag-und-Nachtgleiche. Denn verschieden sind die Tag-und-Nachtgleichen untereinander um sieben Monate, wobei sie unter sich einen Zwischenraum von fünf haben. Denn der siebte Monat, (der) der Tag-und-Nachtgleiche, ist potentiell auch der erste, da die Welterschaffung in diesem stattfand, denn alles wurde erfüllt zu jener Zeit. So ist auch die Herbst-Tag-und-Nachtgleiche der siebte (Monat) der Zeit nach und der erste, der Ehre nach, da der siebte aus der Luft seinen Anfang nimmt. So erfolgt die Flut im siebten Monat, nicht nach der Zeit sondern nach der Natur, wenn man als Anfang die Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche nimmt.

32. Warum sagt sie: Im zehnten Monat, am ersten (...), wurden (...) Berggipfel sichtbar? (Gen 8,5)

So wie unter den Zahlen die Zehn Begrenzung der Einer ist, eine vollständige und perfekte Zahl, welche auch Zyklus und Vollendung der Einer sowie Anfang und Zyklus der Zehner und einer Unendlichkeit von Zahlen ist, so hielt der Schöpfer es für angemessen, dass, als die Flut zurückging, die Berggipfel durch die perfekte und vollständige Zahl sichtbar werden sollten, die Zehn.

33. Warum öffnet der Rechtschaffene die Luke des Kastens nach vierzig Tagen? (Gen 8,6)

Merke genau, dass der Theologe dieselbe Zahl zählt beim Einströmen der Flut wie beim Nachlassen und der völligen Heilung des Übels. Und so beginnt im siebten Monat, am Siebenundzwanzigsten, im sechshundertsten Jahr von Noes Leben, das heißt an seinem Geburtstag, die Flut (im) Frühjahr. Jedoch setzte der Kasten im siebten Monat, am Siebenundzwanzigsten, auf den Berggipfeln auf, an der Herbst-Tag-und-Nachtgleiche.

Und aus drei (Dingen) ist es klar, dass die Flut im sechshundertersten Jahr verschwindet, wiederum im siebten Monat, am Siebenundzwanzigsten, damit sie ein Jahr später abklingt, solchermaßen die Erde begründend; wie es auch bei der Vernichtung war, als sie im Frühjahr blühte und sprosste und voll (war) von allen Früchten. Jedoch geschieht auf solche Weise an insgesamt vierzig Tagen das Einströmen der Flut, als die Wasserfälle vom Himmel her geöffnet wurden und die Quellen unter der Erde aufbrachen (vgl. Gen 7,11f). –Wiederum kam von da in vierzig Tagen Hoffnung auf Stabilität nach völliger Meeresstille, als er die Luke öffnete. – Wiederum ist die Dauer des Anhaltens der Flut hundertfünfzig Tage und ebenso der Rückgang hundertfünfzig Tage, so dass man sich über die Gleichheit wundern muss, denn durch die gleiche Zahl mehrte sich das Übel und ging zurück, so wie der Mond; denn an dergleichen Zahl (von Tagen) nimmt er zu seit dem Neumond, bis er voll wird, ganz voll, und abnimmt von da aus zum Neumond zurückkehrend, nachdem er zunächst voll gewesen war. Ebenso wahrt bei gottgesandten (Übeln) der Schöpfer die Ordnung; er vertreibt Unordnung außerhalb der göttlichen Grenzen

34. Was ist die Luke des Kastens, die der Rechtschaffene öffnete? (Gen 8,6)

Der Wortsinn gibt keinen Grund zum Zweifel, denn er ist klar. Doch im übertragenen Sinn ist Folgendes zu sagen: Die Sinnesorgane des Körpers gleichen „Luken“. Denn durch diese, wie durch Luken, tritt in den Verstand das Begreifen ein; und der Verstand wiederum „lehnt“ sich durch sie hinaus. Ein Teil der Luken – ich meine natürlich die Sinne – ist die Seekraft, da sie ja mit der Seele auch am meisten verwandt ist –, denn auch dem Schönsten von allem Sein, dem Licht, ist sie vertraut – und Dienerin der göttlichen Dinge, welche auch den ersten Weg in die Philosophie gebahnt hat. Denn sieht sie nämlich die Bewegung der Sonne und des Mondes und die Umläufe der (Wandel-)Sterne die fixe Drehung des gesamten Himmels und die Ordnung und Harmonie, die jede Beschreibung übersteigt, und (hinter) der Welt den einen, ganz sicher wahrnehmbaren, Weltschöpfer, meldet sie ihrem einzigen Herrscher, dem Verstand, was sie gesehen hat; der aber, der mit schärferem Auge sowohl diese als auch durch sie <die> höheren und paradigmatischen Formen sieht und den Verursacher aller Dinge, gelangt sogleich zu einer Vorstellung von Gott und vom Werden und von der Vorsorge, denn er bedenkt, dass die sichtbare Natur nicht von sich aus entstanden ist. Denn es wäre unmöglich, dass Harmonie und Ordnung und Verstehbarkeit und richtiges Verhältnis und solche Übereinstimmung und Seligkeit in sich selbst automatisch zustande kommen; sondern es ist notwendig, dass es einen Schöpfer und Vater gibt als Steuermann und Wagenlenker, welcher sowohl erzeugte als auch das Erzeugte bewährt.

35. Warum sendet er zuerst den Raben? (Gen 8,7)

Im Wortsinn wird gesagt, der Rabe sei so etwas wie ein Botentier und Agent. Daher beobachten bis heute viele den Flug und den Laut des Raben, (nämlich) falls er krächzt, als eine gewisse Andeutung versteckter Dinge.

Übertragen jedoch ist der Rabe schwarz, ein freches und flinkes Lebewesen, welches Symbol von Bosheit ist, denn Nacht und Dunkelheit bringt sie über die Seele und sie ist sehr flink beim Ausschweifen um allen Dingen der Welt auf einmal zu begegnen.

Zweitens (führt er) zum Untergang der Halter, und zwar sehr rasch, weil er Überheblichkeit und Schamlosigkeit erzeugt und weil ihm Tugend entgegensteht – sie ist lichtähnlich und beständig und eine von Scham gezierte Veranlagung. Also war es recht, wenn irgend etwas Dunkles im Verstand übrig war, was zu unvernünftigem Verhalten wird, dass er (Noe) auch das außerhalb der Grenzen hinaustreibt.

36. Warum kehrt der Rabe nach seinem Ausgang nicht mehr zurück – es war doch noch kein Teil der Erde getrocknet? (Gen 8,7)

Die Stelle eignet sich zur Allegorie, denn Gegensatz zum Licht der Rechtschaffenheit ist die Ungerechtigkeit, denn mehr als die gute Arbeit des Gerechten hält sie für wünschenswert, sich mitzufreuen an der Völkervernichtung der Sintflut; denn Liebhaberin der Verwirrung und der Vernichtung ist die Ungerechtigkeit.

37. Warum sagt (die Schrift) in umgekehrter Reihenfolge bis das Wasser von der Erde getrocknet war, wo doch nicht das Wasser von der Erde sondern die Erde vom Wasser trocknet? (Gen 8,7)

Sie gebraucht damit eine Allegorie: Mit der Wasserkatastrophe deutet sie auf die Maßlosigkeit der Leidenschaften hin. Sobald diese gesättigt und gemästet sind, geht die Seele zugrunde; doch wird sie gerettet, sobald jene dürr und trocken werden. Dann können sie keinen Schaden mehr zufügen, sobald sie gewissermaßen geschwächt und gestorben ist.

38. Warum sendet er zum zweiten Mal die Taube, sowohl von sich aus als auch um zu sehen, ob das Wasser nachgelassen hat, wovon nicht eines über den Raben gesagt ist? (Gen 8,8)

Die Taube – erstens – ist ein reines Lebewesen; sodann ist sie zahm und handhabbar und eine Haustier des Menschen. Deshalb erhielt sie auch die Ehre, am Altar dargebracht zu werden bei Opfern. Deshalb besiegelte und bestätigte es (die Schrift) und sagte: er sandte von sich aus, um sie zum Haustier zu deklarieren. Aber durch das Nachsehen, ob das Wasser sich beruhigt hat, bestätigt (sie) das Verbindende und Gesellige. Symbole aber von Laster und Tugend sind diese beiden, der Rabe und die Taube. Denn der eine ist unbehaust, nicht sesshaft, staatenlos, unsozial, unverträglich und ungesellig. Die Tugend jedoch ist eine Sache von Menschenliebe und Verbindlichkeit sowie nützlich. Sie entsendet der Gerechte als Bote des Gesunden und Heilsamen, indem er durch sie von dort (wiederum) lernen will. Aber diese meldet wie ein Bote einen wahren Gefallen zum Vermeiden des Schädlichen und Aufnehmen des Nützlichen mit großer Beflissenheit und Lust.

39. Warum (heißt es): Da die Taube keinen Ruheplatz für ihre Füße fand, kehrte sie zu ihm zurück? (Gen 8,9)

Nun, ist das nicht ein klarer Beweis dafür, dass durch die Symbole des Raben und der Taube Laster und Tugend angezeigt werden? Denn, siehe, die Taube, danach entsandt, fand keinen Ruheplatz; wie kann dann der Rabe, der zuerst hinausging, als noch immer die Katastrophe der Flut war, einen Ort finden und verweilen? Denn kein Wasservogel, kein Ibis oder sonst einer, der im Wasser umhergeht, ist der Rabe. Sondern das deutet an, dass das Laster, die Luke verlassend zu den steigenden Fluten der Leidenschaften und der Begierden, die Seelen und Leben überschwemmen und zerstören, an diesen Freude hat und es verweilt bei ihnen wie bei Vertrauten und Verwandten, an welche es sich auch gewöhnt. Die Tugend jedoch springt davon weg, bereits vom ersten Anblick angewidert; sie hat darin weder Ruhepunkt noch Basis, das heißt sie findet keinen Ort, der ihrer würdig ist. Denn welch größeres Übel könnte es noch geben als das, dass weder für den Geist noch für die Seele ein bescheidener Ort gefunden wird als beständiger Ruheplatz der Tugend.

40. Was heißt: Seine Hand ausstreckend, nahm er sie und brachte sie zu sich herein? (Gen 8,9)

Der Wortsinn ist klar, der übertragene aber ist (jetzt) genauer zu bestimmen. Der Weise nutzt die Tugend als Inspektor und Bote in Angelegenheiten. Diese nun, sobald er gesehen hat, dass es Naturen sind, seiner würdig, bleibt und wohnt er in ihnen, korrigiert und bessert (sie). Denn gemeinsamste und ebenmäßigste und nützlichste (Sache) ist die Weisheit. Sobald sie jedoch sieht, dass (die Angelegenheiten) sich zur Katastrophe auswachsen, zu Gegensätzen und überhaupt zu Widerstreit und Zügellosigkeit, kehrt sie zu ihrem Ort zurück. Und zwar nimmt sie der Weise auf, indem er im Denken die Hand ausstreckt und im Handeln seinen ganzen Verstand öffnet und entfaltet und ausbreitet durch perfekte, gerade und volle Zahlen mit aller Bereitschaft. Und nicht einmal zu der Zeit, wo er sie von sich fortschickt, dass sie die Naturen anderer erkundet, trennt er irgendetwas von sich ab, sondern (macht es) genauso wie die Sonne ihre Strahlen zur Erde schickt, um alles zu erhellen. Denn in der großen Stärke ihres Lichts gibt es keine Trennung oder Teilung.

41. Warum (heißt es): Nachdem er sich noch weitere sieben Tage zurückgehalten hatte, schickte er wiederum die Taube aus? (Gen 8,10)

(Dies ist) das großartige (Vorbild)Verhalten des Lehrers. Wenn der auch Naturen sieht, die von vornherein hartneckig sind, verzweifelt er nicht an der Wendung zum Besseren. Sondern gerade so wie ein guter Arzt nicht sofort die Behandlung anwendet, um die Krankheit auf einmal niederzuringen, sondern der Natur Erleichterung gewährt, damit sie überhaupt erst den Weg zur Gesundung eröffnet und solange als Arzt die stärkenden und konservativen Mittel gibt, so (gebraucht) auch der Ernsthafte Überlegungen und Überzeugungen gemäß der Philosophie.

Heilig und geweiht ist die Sieben, gemäß welcher auch vom Vater des Alls, als er die Welt geschaffen hatte, gesagt wird, dass er sein Werk ansah (Gen 2,2). Aber das Sehen der Welt und der Dinge darin ist nichts anderes als Philosophie, (und zwar ihr) namhaftester und hervorragendster Teil, welcher wissenschaftliches Nachdenken erreicht, das in sich auch das notwendigste Werk(zeug) zum Sehen umfasst.

42. Was heißt: Die Taube kehrte zu ihm zurück gegen Abend, wobei sie ein Blatt von einem Ölbaum, einen Strohhalm, in ihrem Schnabel hielt ? (Gen 8,11)

Das sind alles hervorragende Indizien und Proben – sowohl das Zurückkehren als auch das gegen Abend, das Halten eines Blattes von einem Ölbaum, der Strohhalm, die Olive und das in ihrem Schnabel; doch ist jede einzelne Bedeutung zu prüfen:

Denn das Rückkehren wird unterschieden vom vorigen. Jenes nämlich enthielt die Nachricht über eine Natur, die überhaupt verdorben und rebellisch war und von der Flut vernichtet, (nämlich) von großer Unkenntnis und Unbildung. Dieses aber (ist Zeichen dessen), der zu bereuen anfängt. Und Reue zu finden ist nicht leicht, sondern eine sehr schwierige und mühsame Aufgabe. Deshalb kommt sie gegen Abend, nachdem der ganze Tag bis zum Abend (und) von früh an mit Spähen vorbeigegangen war, im Wort durch das Überqueren verschiedener Orte aber in der Tat durch das Erspähen der Teile jener (inneren) Natur, das deutlich vom Anfang bis zum Ende blickt; denn Symbol des Abgeschlossenen ist der Abend.

Und das dritte Symbol (ist das) Tragen eines (Blattes von einem) Öl(baum). Ein Blatt ist ein winziger Teil einer Pflanze. Doch entsteht es nicht ohne eine Pflanze. Ihm gleich ist das Beginnen mit der Reue. Denn der Beginn der Besserung enthält einen leichten Hinweis, wie ein Blatt, das sowohl Schutz empfangen als auch abgeworfen werden kann. Es gibt jedoch eine große Hoffnung, dass es vollends zum Schmuck seiner Bestimmung gelangt.

Das vierte Symbol ist, dass das Blatt von keinem anderen Baum als allein von einem Ölbaum kommt. Und zwar ist Öl Materie des Lichts. Denn Böses ist, wie ich gesagt habe, tiefe Finsternis; Tugend aber ist eine ganz strahlende Pracht; und Reue ist der Anfang des Lichts; und (was) den Anfang der Reue (betrifft), so glaube nicht, dass er erst im Keimen und Wachsen liegt, sondern (sogar besteht), solange (die Keimlinge) noch dürr und trocken sind, (aber doch) ein keimhaftes Prinzip besitzen. Deswegen kommt als fünftes Symbol: Sie trug einen Strohhalm.

Und das sechste: Der Strohhalm in ihrem Schnabel. Die erste vollkommene Zahl ist nämlich die Sechs, denn Tugend (liegt) im Mund, das heißt in seiner Äußerung: Er bringt die Samen von Weisheit und Gerechtigkeit und überhaupt von Güte der Seele. Und nicht nur bringt er hervor, sondern gibt auch Anteil (daran) den Unbedarften, indem er den Seelen Wasser spendet und das Begehren nach Reue von den Sünden (sozusagen) bewässert.

43. Woran erkannte Noe, dass das Wasser von der Erde abgelaufen war? (Gen 8,11)

Der Wortsinn ist klar. Denn, wenn das Blatt vom Wasser genommen worden wäre, wäre es noch immer feucht gewesen. Jetzt aber war es trocken; und (die Schrift) sagt, sie (die Taube) habe einen Strohhalm gehabt, als wäre er bereits verdorrt auf einer getrockneten Erde.

Aber im übertragenen Sinn nimmt der Weise es für ein Symbol der Reue und für ein Schützen vieler Angriffsflächen der Ungelehrtheit das Bringen des Blattes, auch wenn es nicht mehr grünte und keimte sondern im Gegenteil ein Strohhalm war aus der zuvor genannten Ursache. Und zugleich muss man den Vater bewundern wegen großer Güte und Milde. Denn obwohl Vernichtung irdisches Leben überkam durch das Übermaß an Rechtsbrüchen und Gottlosigkeiten, blieb dennoch ein Rest des Alten und dessen, was von Anfang an war: von den Tugenden der Vorfahren ein winziger, trockener Keim.

Und ein Symbol ist es nicht weniger, dass nicht gänzlich und die Erinnerung des Guten, das von Anfang an geworden war, vernichtet wurde. Deswegen hat ein Bekannter und Vertrauter des Mose, ein Prophet, ungefähr dieses Wort als Gesetz gegeben: Wenn der allmächtige Gott uns nicht einen Samen übrig gelassen hätte, waren wir geworden wie die Blinden und Unfruchtbaren (Jes 1,9) – (als soche, die) weder das Gute wissen, noch hervorbringen wollen. Blindheit jedoch und Unfruchtbarkeit nennen in ihrer väterlichen Sprache die Chaldäer Sodoms und Gomorrha.

44. Warum schickte er die Taube nach sieben Tagen aus und kehrte sie nicht wieder zu ihm zurück? (Gen 8,12)

Dass sie nicht zu ihm zurückkehrte, trifft wörtlich auf die Taube zu aber tatsächlich auf die Tugend. Dies ist kein Symbol der Entfremdung, denn zu jener Zeit trennte sie sich nicht, wie ich gesagt habe, sondern wurde in der Art eines Strahles ausgesandt, um die Naturen anderer sehen. Als sie jedoch zu jener Zeit keine (Menschen) fand, die eine Zurechtweisung annehmen würden, kehrte sie wieder zu ihm zurück und eilte geradewegs auf ihn allein zu. Jetzt aber wird sie nicht nur Besitz eines einzelnen sondern gemeinsames Gut all derjenigen, die, wie (ein Stück) Erde, die Begießung der Weisheit annehmen wollen, welche längst vorher nach der Erkenntnis der Weisheit dürsteten.

45. Warum verschwand (das) Wasser im sechshundertersten Jahr des Lebens Noes, im Ersten, am ersten des Monats, von der Erde? (Gen 8,13)

Im Ersten ohne Zusatz ist entweder vom Monat oder vom Menschen gesagt, und es hat in beider Hinsicht Sinn. Denn wenn auch zu hören ist, dass im ersten Monat das Wassers verschwand, ist dafür zu halten, dass vom siebten Monat gesprochen werden soll, jener der an der Tag- und-Nachgleiche liegt, denn (so gesehen) ist derselbe Monat der erste und auch der siebte; nämlich der erst nach der Natur und der Wirkung, jedoch nach der Zeit der siebte. Nun sagt (ja die Schrift) an einer anderen Stelle: Dieser Monat ist für euch Anfang der Monate; er ist der erste der Monate des Jahres. (Ex 12,2) Wobei sie als ersten den von Natur und Wirkung ersten nennt, welcher nach der Zählung der Zeiten der siebte ist, denn die Tag-und-Nachtgleiche, die die erste Ordnung inne hat, (hat) auch die besseren unter den jährlichen Zeiten. Wenn aber erster über den Menschen gesagt wird, wird es im eigentlichsten Sinn gesagt, denn ganz zurecht ist der Rechtschaffene der Erste, so wie der Kapitän erster auf dem Schiff ist und der Archon in der Polis. Dieser aber ist nicht nur der Wirkung nach erster sondern auch der Ordnung nach: Für das Entstehen eines Sprösslings einer zweiten Menschheit bei der Neuschöpfung wurde er selbst Anfang und Erster.

Außerdem wird ausgezeichnet in dieser Passage angegeben, dass die Flut zu Lebzeiten des Rechtschaffenen kam und wieder abklang und in ihren früheren Zustand zurückkehrte. Daher, als die Flut kam, war er allein dazu bestimmt, mit seinem ganzen Haus zu leben, und, als das Übel vorbeigegangen war, wurde er allein dazu bestimmt, sich auf der Erde zu befinden, vor der Neuschöpfung, seinem Leben danach. Sowohl damals wie heute bezeugt (die Schrift) dies nicht umsonst, und zwar deswegen, weil nur er das wahre Leben, das in Tugend, begehrte, während andere zum Tode drängen wegen ihrer todbringenden Laster. Darum endet notwendigerweise im sechshundertundersten Jahr das Übel, denn in der Sechs geschah die Verderbnis und in der Eins die Rettung, denn die Eins ist sehr seelenschaffend und sehr fähig Leben zu Stande zu bringen; deswegen findet der Rückgang des Wassers bei Neumond statt, damit die Eins vorausgehende Ehre empfange, sowohl vor dem Monat als auch vor dem Jahr, sooft Gott rettet, was auf der Erde ist. Denn einen von hervorragender Lebensweise nennen die Hebräer in ihrer väterlichen Sprache „Noe“, die Griechen jedoch „Gerechter“. Er ist aber nicht entfernt von und frei von körperlichen Zwängen, denn, obwohl er nicht unter einer Herrschaft (steht) sondern Herrscher ist, wird nichtsdestoweniger, weil er mit dem Tode(sschicksal) verquickt ist, die Sechs mit der Eins verbunden. Denn nicht in einem (Jahr), für sich betrachtet, nimmt die Flut ab, sondern in einer durch den Körper und der Ungleichheit vertrauten Sechserzahl, denn eine andere Länge (als Breite) ist zunächst die Sechserzahl. Deshalb wird gesagt im sechshundertersten und: in seiner Generation ein Gerechter (Gen 6,9). Jedoch ist er nicht in jener gerecht, welche allgemein ist, auch nicht in jener, welche der Verderblichkeit unterliegt, sondern nach einer bestimmten. Denn der Vergleich gilt seiner eigenen Generation. Jedoch lobenswert ist auch die (Generation), welche Gott aussuchte und für würdig hielt, jede Generation zu überleben, indem er ihr eine Grenze setzte, wonach beide Generationen und Geschlechter, jenes, das vergehen sollte, als Ende, jedoch, welches danach bestehen sollte, als Anfang <...>. Ja es ist sogar noch würdiger, jenen zu loben, der sich mit seinem ganzen Körper hinaufstreckte und (empor)schaute, wegen seiner Vertrautheit mit Gott.

46. Was heißt: Noe legte das Dach des Kastens frei? (Gen 8,13)

Der Wortsinn braucht keine (nähere) Ausführung. Aber im übertragenen Sinn ist für Dach des Körpers zu halten, all das, was ihn verbirgt und beschützt, das, was seine Kraft lange erhält, (nämlich) das Vergnügen. Denn wahrhaft, durch das Vergnügen, wird er bewahrt und erhalten, durch Maßhalten und gemäß der Natur, genauso wie er von Schmerz gelähmt wird. Daher, sobald der Verstand von himmlischer Leidenschaft geschlagen wird, wünscht er sich, nach oben zu springen und sich von allen Arten des Vergnügens zu trennen, damit, (wenn) das, was, bedeckt und verdunkelt wie ein Schatten, aus seiner Mitte entfernt (ist), es möglich werde, die bloßen und körperlosen Naturen wahrnehmend zu erfassen.

47. Warum wurde im siebten Monat, am siebenundzwanzigsten (...), die Erde getrocknet? (Gen 8,14)

Siehst du, dass jener Monat, den (die Schrift) vorher den ersten Monat nannte, jetzt der siebte ist? Denn der siebte ist derselbe der Zeit nach, wie ich gesagt habe, aber der erste der Natur nach, soweit sich das auf die Tag-und-Nachtgleiche bezieht. Außerdem fiel, höchst passend, die Ankunft der Flut in den siebten Monat, den Siebenundzwanzigsten, und das Nachlassen und der Rückgang der Flut wiederum ein Jahr später in denselben Monat und denselben Tag. Denn an der Tag-und-Nachtgleiche war die Flut und daher (auch) Rückkehr des Lebens. Aus welchen Ursachen, haben wir vorhin gesagt. Und unter gleichartigen Monaten und Tagen ist der siebte Monat Synonym und ebenso der siebenundzwanzigste Tag, an welchem der Kasten sich auf dem Gebirge niederließ. Dies ist der Monat, der der siebte der Natur nach ist aber der erste der Zeit nach, jener, an der die Tag-und-Nachtgleiche liegt. Folglich (liegt) der Unterschied in den Tag-und-Nachtgleichen, (die jeweils) im siebte Monat und am siebenundzwanzigsten Tag (stattfanden). Denn die Flut (trat auf) im siebten Monat, auf den die Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche fällt, welcher der siebte der Zeit nach ist und der Natur nach der erste. Doch nach demselben Maß (kam) der Rückgang und (das) Verzeihen (des Wassers), als der Kasten auf den Gipfeln des Gebirges aufsetzte – wiederum im siebten Monat, doch nicht demselben, sondern jenem, der an der Herbst-Tag-und-Nachtgleiche liegt, der von Natur der siebte doch von der Zeit nach der erste ist. Jedoch (fand) die vollständige Heilung des Übels, als das Übel ausgetrocknet wurde, ebenso im siebten Monat (statt), am Siebenundzwanzigsten, der Frühlingszeit. Denn sowohl der Anfang der Flut wie auch ihr Ende dürfte zuvor als Begrenzung denselben Zeitpunkt erhalten; mitten darin jedoch (liegt die Zeit) des Lebens, in der Mitte der Zeit.

Und genauer ist zu erklären, was gesagt ist. Ein Jahr auf den Tag genau geschah die Flut zusammen mit (ihrer) Heilung. Denn der Anfang war im sechshundertsten Jahr, im siebten Monat, am siebenundzwanzigsten Tag, so dass die dazwischen liegende Zeitspanne ein ganzes Jahr wurde, welches den Anfang bei der Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche nahm und ebenso zur selben Zeit, der Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche, endete. Denn, sowohl ging, wie ich gesagt habe, das Irdische zugrunde, als es voll von Früchten war, wobei jene, die diese Früchte gebraucht hatten, umkamen, als auch, wiederhergestellt und befreit von dem Bösen, die Erde sich wiederum voll fand von den samenbringenden (Pflanzen) und Bäumen, die solche Früchte trugen, die der Frühling hervorbringt. Denn er hielt es für gerecht, dass genauso, wie die Erde war, als sie überflutet wurde, sie, als sie sich getrocknet wieder zeigte, auch von daher wieder (das Verlorene) erstatte.

Nun wundere dich nicht, dass an einem Tag die (frei)gelassene Erde durch die Kraft Gottes alles sprossen ließ, sowohl die samenbringenden (Pflanzen) als auch Bäume, wohlbestanden an Gras und Ähren, an Bäumen und Früchten und unerwartet voll geworden an allen Arten, wo doch auch bei der Welterschaffung an einem Tag von sechsen (Gott) die Erschaffung der Pflanzen vollendete. Diese aber, von neuem entstanden, waren vollendet und trugen die Früchte, die der Frühlingszeit entsprachen. Denn alles ist Gott möglich, in überhaupt keiner Zeit vollkommen zu machen.

48. Warum ging nach dem Austrocknen der Erde Noe nicht aus dem Kasten, bevor er das (Orakel-)Wort hörte, dennes sprach der Herr, Gott, zu Noe: Geht hinaus (...) du und deine Frau und deine Söhne und die Frauen deiner Söhne (...) und die anderen Tiere (...)? (Gen 8,15-17)

Vorsichtig ist die Gerechtigkeit, so wie wiederum die ihr entgegengesetzte Ungerechtigkeit stolz und selbstgefällig ist. Und es ist ein Beweis von Gottesfurcht dem eigenen Verstand sich nicht mehr zu fügen und zu vertrauen als Gott.

Jener wenigstens, welcher sah, dass unerwartet die gesamte Erde ein unermessliches Meer geworden war, für den schickte es sich zu glauben, dass dementsprechend auch zu erwarten war, es werde wiederum das Übel eintreten. Und er hegte die daraus folgende und dementsprechende Erwartung, dass, so wie er auf einen Gottesbefehl hin den Kasten betreten hatte, er auf einen Gottesbefehl wiederum hinausgelangen sollte, (da) ohne (dies) nichts gänzlich möglich ist demjenigen, welchem Gott nicht Anleitung gibt, indem er zuvor einen Gottesbefehl erteilt.

49. Warum war, als sie den Kasten betraten, die Reihenfolge er und seine Söhne und dann und die Frauen seiner Söhne, (Gen 7,7) aber, als sie hinausgingen, wird es geändert? Denn es heißt: Es ging hinaus Noe und seine Frau und dann die Söhne und die Frauen der Söhne. (Gen 8,18)

Im Wortsinn kennzeichnet (die Schrift) mit dem Hineingehen auch das Nichterzeugen von Nachkommenschaft, aber mit Hinausgehen kennzeichnet sie die Zeugung von Leben. Denn als sie hineingingen, wurden die Söhne zusammen mit dem Vater aufgeschrieben und die Schwiegertöchter zusammen mit der Schwiegermutter. Aber, als sie hinausgingen, waren sie Ehepaare, der Vater zusammen mit seiner Frau und wiederum die Söhne, jeder mit seiner Frau. Denn er möchte durch Taten statt durch Worte lehren, was für seine Vertrauten zu tun richtig ist. Nun hatte er nicht mit ausdrücklicher Stimme gesprochen (zu denen), die hineingingen, sich vom Verkehrs mit Frauen zu enthalten; und (denen), die hinausgingen, gebot er, Nachkommenschaft zu zeugen nach der Natur gemäß (ihrer) Ordnung, (jeweils) geradezu proklamierend. „In so einer großer Vernichtung all dessen, was auf der Erde wurde, schwelgt nicht in Luxus, denn das ist nicht gerecht und gesetzlich! Genug ist es für euch, das Pfand des Lebens zu erhalten. Aber ins Ehebett zu gehen mit euren Frauen, wäre ein Begehren von Lustmenschen.“ Für diese wäre es richtig gewesen, Mitleid zu empfinden in ihrer Eigenschaft als Mitmenschen und gleichfalls Eingeschlossene (in der) Ungewissheit, was geschehen würde – damit nicht auch auf sie einst das Übel komme. Aber außerdem wäre es für sie unsinnig gewesen, wenn jetzt, während die Lebewesen umkamen, solche, die noch nicht waren, zur Geburt gelangen würden durch ein unzeitiges Begehren (derer), die sich der Wollust hingeben. Aber nach dem Aufhören und Enden und Freiwerden von dem Übel wies er sie wiederum durch einen Befehl (gleich) zu Beginn an, sich der Weiterzeugung zuzuwenden, indem er nicht die Männer mit den Männern aufschreibt, auch nicht die Frauen mit den Frauen, sondern die Frauen mit den Männern.

Aber im übertragenen Sinn ist dies zu sagen: Wenn die Seele im Begriff ist, die Sünden abzuwaschen und abzustreifen, müssen Männer mit Männern verkehren, (nämlich) der erste Herrscher mit dem Verstand, – sozusagen als Vater – mit den einzelnen Gedanken – sozusagen als den Söhnen – jedoch nicht zu verkehren mit dem weiblichen Geschlecht, das der Wahrnehmung angehört. Denn dies ist eine Zeit des Krieges, wo es nötig ist, die Ordnung zu unterscheiden und zu beachten, damit man nicht in der Vermischung eine Niederlage statt eines Sieges davonträgt. Jedoch sobald die gesetzmäßige Reinigung eingetreten ist und die Trockenlegung von jeder Ignoranz und von all jenem, was Schaden wirken kann, dann ist es angebracht und recht, jene zusammenzubringen, das Getrennte und Unverbundene an einen Ort zu führen, nicht damit die männlichen Gedanken durch Weichheit erschlaffen und weiblichwerden, sondern damit das weibliche Geschlecht, die Wahrnehmungen, männlich werden, indem sie männlichen Gedanken folgen und von ihnen den Samen der Fortpflanzung empfangen, damit sie weise, gerecht, mutig und männlich gemäß der Tugend wahrnehmen können.

Jedoch an zweiter Stelle sollte auch dieses zusätzlich zur Kenntnis genommen werden, dass, sobald Verwirrung den Verstand befällt und wie eine Flut die Angelegenheiten des weltlichen Lebens sich übereinander türmen, es überhaupt nicht möglich ist, irgendetwas Gutes zu zeugen oder zu empfangen oder zu gebären. Jedoch sobald Zwistigkeiten und Anwürfe abgehalten werden und das allmähliche Heranfluten monströser Gedanken, dann bringt er (der Verstand), trockengelegt wie die fruchtbaren und ertragreichen Stellen der Erde, Tugenden und gute Taten hervor.

50. Warum baute er einen Altar – ungeheißen? (vgl. Gen 8,20)

Dass die Dankesbezeigungen an Gott ohne Befehl und ohne jede Verzögerung ergehen sollte, ist passend, um eine Seele frei von Leidenschaften aufzuzeigen. Denn schön ist es, wenn ein gleichsam (von) Gott Beschenkter, der das Gute empfangen hat, (in) freiwilliger Übung dankt. Denn wer auf einen Befehl wartet, ist undankbar, wenn er von einer Notwendigkeit gezwungen wird, seinen Wohltäter zu ehren.

51. Warum wird gesagt, er habe einen Altar für Gott und nicht für den HERRN gebaut? (Gen 8,20)

Weil er im Hinblick auf Wohltätigkeit und Neuwerdung, so bei der Weltschöpfung, nur seine wohltätige Kraft hinzunimmt, durch die er alles macht; und er macht (es) im Zurückstellen der königlichen (Kraft) durch Bevorzugen (jener). So ist (das) auch jetzt der Anfang einer zweiten Schöpfung; er geht über zur wohltätigen Kraft, welche mit Namen Gott genannt wird. Denn er hatte seine königliche und herrscherliche Kraft eingesetzt, welche HERR genannt wird, als er das Strafgericht durch das Wasser herbeiführte.

52. Was heißt: Er nahm von (...) Haustieren und (...) Vögeln, den reinen, und brachte Ganzopfer dar? (Gen 8,20)

Alles ist im übertragenen Sinn gesagt, sowohl er nahm – von Gott alles als Gnade und Geschenk –, als auch, dass es von der Gattung reiner ist und von der Art fleckenloser, damit er von den allerzahmsten und fleckenlosen, ein vollkommenes Ganzopfer verbrannte. Denn (es ist) eine Gabe von Guten; sie sind sowohl ganz, voll von Ganzheit, als sie auch den Status von Fruchten haben. Und zwar ist eine Frucht das Ziel, dessentwegen auch die Pflanze existiert. Dies der Wortsinn.

Aber im übertragenen Sinn (sind) reine Haustiere und Vögel Wahrnehmungen des Weisen und (sein) Verstand; im Verstand sind Gedanken am schweifen. Und es ist passend, dass alles, in Ganzheit zur Frucht werdend, dargebracht wird zum Dankerweis an den Vater – dass es als eine tadellose und fleckenlose Gabe (der Schöpfung) als Gabe dargebracht wird.

53. Warum opfert er der wohltätigen Kraft Gottes, wo die Entgegennahme doch durch beide Kräfte geschieht, HERR und Gott, denn es heißt: Es roch der HERR, Gott, einen wohlgefälligen Geruch? (Gen 8,21)

Da wir, plötzlich aus Hoffnungslosigkeit gerettet, angesichts übermächtiger Übel, nur auf die Wohltätigkeit schauend, dies aus Freude dem Wohltäter zuschreiben mehr als dem Herrn. Jedoch der Wohltäter beaufsichtigt uns mit jeder der beiden Kräfte, indem er das Verhalten des Dankbaren ehrenvoll akzeptiert, damit er nicht lahm erscheint in seiner Gegengabe; vielmehr freut sich der Seiende sehr an beiden seinen Kräften.

54. Was heißt: Und es sprach HERR, Gott, nachdem er nachdacht hatte: Ich werde nicht länger fortfahren, die Erde zu verfluchen, um der Werke de Menschen willen, denn das Denken des Menschen ist fleißig auf das Schlechte ausgerichtet von Jugend an. Ich werde darum nicht länger fortfahren, alles lebendige Fleisch zu schlagen, wie ich getan habe ? (Gen 8,21)

Der Vordersatz bezeichnet Reue, ein ungewohntes Empfinden einer göttlichen Kraft. Bei Menschen nämlich sind die Überzeugungen schwach und unsicher, wie ihre Handlungen, überaus belastet mit Unklarheit. Für Gott aber ist nichts unklar und nichts unverständlich; er ist nämlich von festester Überzeugung und der Allersicherste. Wie hat er nun, da dieselbe Ursache (zum Bestrafen vor wie nach der Flut) vorlag, von Anfang an wissend, dass das Denken des Menschen ist fleißig auf das Schlechte ausgerichtet von Jugend an, zuerst das (Menschen)geschlecht in einer Flut vernichtet, sagt aber danach, er wolle es nicht mehr vernichten, obwohl in der (menschlichen) Seele dieselbe Schlechtigkeit verbleibt? Hierzu ist zu sagen, dass all derartige Redeweisen in den Gesetzen (des Mose) zum Lernen und zum Nutzen der Lehre enthalten sind, mehr als in der Entsprechung mit dem wirklichen Sacherverhalt. Denn da es zwei Hauptgesichtspunkte gibt, die in der gesamten Gesetzgebung gelten – den einen, dementsprechend gesagt wird:nicht wie ein Mensch ist Gott (Num 13,19), den andern aber, <dem>gemäß von ihm gesagt wird, er erziehe wie ein Mensch seinen Sohn (Dtn 8,5) –, gehört das Erste der Wahrheit an: Gott ist wirklich nicht wie ein Mensch, sondern nicht einmal wie die Sonne, wie der Himmel, wie die wahrnehmbare oder denkbare Welt, sondern wie Gott, wenn das überhaupt zu sagen erlaubt ist. Eine Angleichung oder einen Vergleich oder ein Nebeneinander erträgt jenes Selige nicht, das ja eher über der Seligkeit selbst ist und das auch immer besser ist und höher als diese. Das Zweite aber (gehörte) zur Lehre, zur Darstellung, dass wie ein Mensch, damit wir Erdgeborene erzogen werden, keinen Zorn und keine Rache bis zuletzt vergelten, unversöhnlich und unzugänglich bleibend. Denn es ist genug, einmal stur zu sein und zu zurückzugeben und Rache zu geben zur Bestrafung der Sünder. Aber oftmals wegen derselben Ursache (zu bestrafen), wäre Tat eines wilden und brutalen Geistes. Ich (Gott) werde also, wenn ich den Gezüchtigten heimzahle, wie möglich ist, mich an jeden (der beiden) Vorsetze gebührend erinnern. Das Wort: nachdem er nachgedacht hatte wird von Gott im eigentlichen Sinn gesagt, der in seiner Meinung und Gesinnung der allerfesteste ist,

während unsere Willen unsicher und unbeständig und schwankend ist. Daher reflektieren wir nicht richtig beim Denken, denn Reflektieren ist die Angelegenheit des Verstandes. Es aber ist unmöglich, dass der menschliche Verstand erweitert und vergrößert wird, denn er ist zu schwach, um alles ganz vollkommen und mühelos zu verstehen. Aber die Worte nie wieder verfluche ich die Erde werden ganz ausgezeichnet benutzt. Denn es ist nicht richtig, neue Flüche jenen hinzuzufügen, die schon ausgesprochen sind, insofern als sie (die Erde?) von Übeln erfüllt ist. Dennoch, obwohl sie (die Übel) endlos sind, insofern der Vater gut und freundlich ist und der Menschheit wohlwollend, erhellt er diese Übel, anstatt ihr Unglück zu vergrößern. Aber, wie das Sprichwort sagt, ist es das Gleiche „Ziegel zu waschen“ oder „Wasser in einem Netz zu tragen“, wie Böses von der Seele des Menschen zu entfernen, der mit Makel gezeichnet ist. Denn wenn es (das Böse) von Anfang gibt, sagt (die Schrift), existiert es nicht zufällig, sondern ist in (die Seele) eingeritzt und genau eingepasst. Da außerdem der Verstand der herrschende und regierende Teil der Seele ist, fügt (die Schrift) „sorgfältig“ hinzu, und das, was sind mit Sorgfalt und Achtsamkeit reflektiert wird, wird mit Genauigkeit nachgeforscht. Aber Sorgfalt ist nicht in Richtung eines Übels (gewandt), sondern, so wie es offenbar ist, in Richtung aller "Übel", und dies gilt nicht für den Augenblick sondern von seiner Jugend an, was das gesamte (Leben) ist außer von seinen frühen Babywickeln an, als ob er in einem gewissen Maß vereinigt wäre und zugleich genährt und gewachsen mit Sünden. Jedenfalls sagt er nie wieder zerschlage ich alles lebendige Fleisch, womit er aufzeigt, dass er nie wieder die gesamte Menschheit auf einmal vernichtet, sondern (nur) den größeren Teil jener, die unbeschreibbare Unrechte begehen. Denn er lässt kein Übel unbestraft noch gewährt es uneingeschränkt oder bewahrend, sondern, während er Rücksicht übt wegen des (Menschen)geschlechts aufgrund seines Vorsatzes, setzt er wegen der Unvermeidlichkeit Strafe für jene an, die sündigen.

55. Was heißt: Saat und Ernte, Kälte und Hitze, Sommer und Frühjahr, bei Tag und Nacht sollen sie nicht aufhören? (Gen 8,22)

Der Schriftsinn zeigt auf das immer wiederkehrende Auftreten der Jahreszeiten hin. Es gibt niemals mehr eine Vernichtung des irdischen Verbundes von Tieren und Pflanzen, denn sobald die Jahreszeiten vernichtet sind, werden diese auch vernichtet, und, sobald sie sicher erhalten werden, werden sie sicher erhalten. Denn entsprechend jeder von ihnen (der Jahreszeiten) bleiben sie gesund und werden nicht geschwächt, sondern sind es gewohnt, hervorgebracht zu werden, jeweils auf wunderbare Weise, um mir ihr zu wachsen. Die Natur aber wurde errichtet wie eine Harmonie von gegensätzlichen Tönen, von tiefen und hohen, gerade so wie die Welt (voll) der Gegensätze (ist). Sobald sterbliche Temperaturen die natürliche Ordnung von Kälte und Wärme vollständig erhalten, und von Feuchtigkeit und Trockenheit, sind sie für die Tatsache verantwortlich, dass die Vernichtung nicht auf alles Irdisches fällt.

Aber im übertragenen Sinn ist die Saat der Anfang und die Ernte das Ende. Und sowohl das Ende als auch der Anfang sind die Ursachen der Rettung. Denn jedes ist für selbst unvollständig, da der Anfang ein Ende erfordert und das Ende auf den Anfang blickt. Kälte und Hitze aber begründen Winter und Herbst. Denn der Herbst gibt einen Zeitraum an, der nach der jährlichen (Ernte) kommt und den feurigen (Sommer) abkühlt. Aber in Verbindung mit der Seele zeigt Kälte symbolisch Furcht an, die Zittern und Frösteln verursacht, Hitze aber (weist auf) Ärger, denn Ärger und Zorn sind wie Flammen und feurig. Denn es ist erforderlich, dass es beides gibt und dass sie Dinge überdauern, die entstehen und vernichtet werden. Denn Sommer und Frühjahr stehen jeweils für die Früchte; das Frühjahr steht für die Reifung der Saat, während der Sommer für (die Reifung) der Früchte und Blätter steht. Und diese werden symbolisch auf den Verstand bezogen, da sie zweierlei Früchte tragen, jene, die notwendig sind, die der Frühlingsjahreszeit, und jene, die durchweg überflüssig sind, wie die des Sommers. Daher ist die Nahrung notwendig, die während des Frühjahres aus der Saat (wächst), als (solche) für den Körper, und für den Verstand (jene, die) durch die Tugenden (hervorgebracht wird). Aber jene überflüssigen, wie die körperlichen Früchten der Bäume des Sommers, (sind) körperliche und externe Güter für die Seelen, denn die externen sind dem Körper nützlich. (Die Güter) des Körpers (sind) für die Seele nützlich, während jene des Verstandes für Gott (nützlich sind). Außerdem sind Tag und Nacht Maße von Zeiten und Zahlen; und Zeit und Zahl überdauern lange; und (so) ist der Tag ein Symbol des klaren Verstandes und die Nacht (eines der) schattenhaften Torheit.