Multiple Differenzierungen - multiple Zugehörigkeiten

Konzeptuelle Verhältnisbestimmungen der Humandifferenzierung

Autor/innen

  • Stefan Hirschauer

DOI:

https://doi.org/10.17879/zts-2024-9078

Schlagworte:

Multiple Differenzierung, Humandifferenzierung

Abstract

Ich werde Differenzierung in diesem Aufsatz als einen sozialtheoretischen Begriff verwenden,der auch mikro- und kultursoziologische Fragestellungen informieren kann. Ich greife damit einen frühen Impuls von Hartmann Tyrell auf, das Thema der kulturellen Klassifikationen »unter das differenzierungstheoretische Dach zu ziehen« (Tyrell 1986: 451). Dafür muss man unter Differenzierung etwas anderes verstehen als einen Selbstteilungsprozess in der Gesellschaftsgeschichte. Eine alternative Vorstellung wird durch Assoziations- und Praxistheorien nahegelegt (Langenohl 2015). Sie begreifen Differenzierung nicht als zunehmende Spezialisierung und Abgrenzung institutioneller Einheiten, die sich aus undifferenzierten Vorgängereinheiten entwickelten, sondern als ergebnisoffenen Prozess der Dissimilarisierung oder Similarisierung/Entdifferenzierung (Langenohl 2015: 112). Ich verfolge einen praxeologischen Begriff, der an der Vollzugswirklichkeit von Differenzierung ansetzt und sie als praktizierte Abstandsvergrößerung versteht, die als offener und reversibler Prozess abläuft: ein laufendes Auseinanderfinden,-halten, -ziehen und -treiben, das entweder vollzogen und aufrechterhalten wird und dadurch hohe Institutionalisierungsgrade erreicht, oder auf niedrigem Niveau stagniert, wenn nicht sogar unterbrochen und ganz eingestellt wird. Dieser Begriff folgt anstelle des biologischen Modells einer naturwüchsig ablaufenden Zellteilung oder Artenentstehung eher dem agrarischen Modell der Züchtung: natürlich nicht im Sinne einer zielgerichteten Strategie, aber im Sinne einer gegen Widerstände praktischdurchgesetzten Teilung.

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Veröffentlicht

2025-11-10

Zitationsvorschlag

Hirschauer, S. (2025). Multiple Differenzierungen - multiple Zugehörigkeiten: Konzeptuelle Verhältnisbestimmungen der Humandifferenzierung. Zeitschrift für Theoretische Soziologie, 18–47. https://doi.org/10.17879/zts-2024-9078