Ausdifferenzierung, Symbole und die gesellschaftliche Virulenz der Religion

Autor/innen

  • Rafael Walthert

DOI:

https://doi.org/10.17879/zts-2024-8754

Schlagworte:

Religion, Differenzierung

Abstract

Mit Verwunderung, Befremdung und Spott reagierte Philip Rieff 1972 auf seine soziologischen Kollegen, die sich auf Einladung der Agnelli Foundation und des Vatikans in Rom über den Zustand und die Zukunft der Religion austauschten. Diese Kollegen waren die Crème de la Crème der damaligen Religionssoziologie: Peter L. Berger, Thomas Luckmann, Charles Y. Glock, Robert Bellah, Bryan Wilson, Thomas O’Dea und sogar Talcott Parsons war dabei. Rieff war weder anwesend noch Religionssoziologe – letzteres machte er in seiner Rezension zum Tagungsband (vgl. Rieff 1972, Caporale/Grumelli 1971) deutlich: In unverhohlen ironischem Ton hob er hervor, dass er sich auf die Beziehungen der Religionssoziologen zu ihrem Gegenstand, der Religion, keinen Reim machen konnte. Symbole und Glaubensvorstellungen stünden im Zentrum, weltliche Faktoren dagegen würden vernachlässigt. Ob diese Symbole analysiert, vertreten oder gar weiterentwickelt werden, war ihm nicht klar, was ihn zu der Vermutung führte, die Religionssoziologen stünden eher in Verwandtschaft zu Theologie und Kirche als zum Rest der Soziologie und frönten sogar ihrer eigenen Religion. Dass die versammelten Neoklassiker der Religionssoziologie für manche Vertreter ihrer Mutterdisziplin in solcher Unverständlichkeit operierten, tut anhaltend weh. Als Religionssoziologe stellt man sich die bange Frage, ob eine Neuauflage eines solchen bindestrichsoziologischen Schaulaufens ähnlich beurteilt würde. Biographische Gründe gaben den Ausschlag dafür, dass Volkhard Krech nicht nach Rom geladen wurde. Heute, 50 Jahre später, sähe das anders aus. Mit der Publikation von Die Evolution der Religion (Krech 2021) gibt er der Religionssoziologie eine neue Grundlage, die hier anhand der drei Themenbereiche diskutiert werden soll, die bei Rieff für Verwirrung sorgten: Erstens: Wie versteht die Religionssoziologie ihren Gegenstand Religion und wie gestaltet sich daraus ihre Beziehung zum Rest der Disziplin? Zweitens: Welchen Stellenwert
haben die religiösen Symbole und ihre Bedeutungen, und inwiefern sind die Bedeutungen soziologisch relevant? Drittens: Was kann die Religionssoziologie nach der Rekonstruktion ihres Gegenstandes als innerhalb der Gesellschaft ausdifferenzierten Bereich zum Verständnis der Gesellschaft insgesamt beitragen?

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Veröffentlicht

2025-07-10

Zitationsvorschlag

Walthert, R. (2025). Ausdifferenzierung, Symbole und die gesellschaftliche Virulenz der Religion. Zeitschrift für Theoretische Soziologie, 13(1). https://doi.org/10.17879/zts-2024-8754