Ein Jahrhunderttheologe - Wort vom Schriftleiter zur Februar Ausgabe

2023-02-23

Zu einer meiner ersten „Amtshandlungen“ nach der Übernahme der Schriftleitung der Theologischen Revue (Dez. 2020) war es, einen Leitartikel über die Arbeit des Institutes Benedikt XVI. in Regensburg in Auftrag zu geben, dem ich selbst im Hinblick auf meine Biographie stark verbunden bin. Weder dem Verfasser dieses Leitartikels – Herrn Dr. Christian Schaller, dem an dieser Stelle für den Leitartikel herzlich gedankt sei – noch mir war es damals bewusst, dass es – sei es Zufall, sei es Fügung – der erste Leitartikel der ThRv sein würde, der nach dem Tod des Jahrhunderttheologen Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. veröffentlicht wird. Ich nutze diese Konstellation gerne, um ein wenig den Konnex der derzeit von mir verantworteten Zeitschrift mit dem Werk des zu Ehrenden zu erhellen: Während seiner gesamten akademischen Schaffenszeit und darüber hinaus, war der Theologe Joseph Ratzinger eine bedeutende Person in den Publikationen der Theologischen Revue. Seine Werke wurden in Rezensionen besprochen, wie zum Beispiel Einführung in das Christentum von Hubertus Mynarek und Walter Kasper (65. Jahrgang [1969] Nr. 3, 177–188) oder Eschatologie – Tod und ewiges Leben von Gisbert Greshake (74. Jahrgang [1978) Nr. 6, 481–483).

Bis zu seiner Ernennung zum Erzbischof von München und Freising war Ratzinger ein regelmäßiger Rezensent für die Revue, mit ein bis drei Rezension pro Jahr. Er rezensierte unter anderem W. H. van de Pols Das reformatorische Christentum in phänomenologischer Betrachtung (1956), Y. Congars Außer der Kirche kein Heil. Wahrheit und Dimensionen des Heils (1961) oder H. R. Schettes Epiphanie als Geschichte. Ein Versuch (1966). Darin bewies er sich als sprachlich begabter, kritischer und feinsinniger Rezensent, der stets für eine begriffliche Klarheit argumentierte und diese entsprechend einforderte.

Die Leitartikel, die er für die Revue verfasste, verdeutlichen Ratzinger anhaltende Wachsamkeit für die theologischen Entwicklungen auch über den deutschen Sprachraum hinaus. So wurde während seiner Münsteraner Zeit ein Leitartikel mit dem Titeln Zur Katechismuslehre von Schrift und Tradition (60. Jahrgang [1964], Nr. 4, 217–224) und Das Problem der Mariologie. Überlungen zu einigen Neuerscheinungen (61. Jahrgang [1965] Nr. 2, 77–82), in seiner Regensburger Zeit Leitartikel mit dem Titeln Dogma in Geschichte. Marginalien zu einem „Versuch einer Kritik des Dogmatismus“ (70. Jahrgang [1974] Nr. 2, 89–96) und Christ sein – plausibel gemacht (71. Jahrgang [1975] Nr. 5, 353–364) in der Revue publiziert. Selbst nach seiner Ernennung zum Erzbischof und Erhebung zum Kardinal wurde noch ein Leitartikel mit dem Titel Vom Verstehen des Glaubens. Anmerkung zu Rahners Grundkurs des Glaubens (74. Jahrgang [1978] Nr. 3, 177–186) veröffentlicht.

Mit dem Tod von Joseph Ratzinger, den emeritierten Papst Benedikt XVI., am 31. Dezember 2022 ist ein Jahrhunderttheologe heimgekehrt, dessen Forschung ein Teil der Geschichte der Theologischen Revue ist und auch zukünftige Diskurse prägen und fruchtbar inspirieren wird und dessen Theologie – wie es Dr. Christian Schaller überzeugend herausgearbeitet hat – auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wichtige Impulse für eine wahre Reform der Kirche bereitstellen wird. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine anregende Lektüre.   

 

Prof. Dr. Adrian Wypadlo, Schriftleiter der Theologischen Revue