Kritische Editionen vorderorientalischer Musikhandschriften

Ab dem 19. Jh. wurde im Osmanischen Reich, zunächst in Istanbul, das Repertoire der höfischen und urbanen Kunstmusik in einer zunehmenden Anzahl von Manuskripten aufgezeichnet. Hierzu wurde vorrangig ein von dem armenisch-osmanischen Musiker Hambarjum Limōnčean (türk. Hamparsum Limonciyan, 1768–1839), zusammen mit einer Anzahl von anderen Musikern um 1812 entwickeltes Notationsverfahren verwendet. Die sogenannte "Hampartsum (türk. Hamparsum)"-Notation eignet sich exzellent für die Aufzeichnung von modalen und rhythmischen Prinzipien der osmanischen Musik und wurde von armenischen sowie von türkischen-muslimischen Musikern bis weit in das 20. Jahrhundert hinein verwendet. Daneben fand ab der Mitte der 1830er Jahre auch die westliche Notation zunehmend Verwendung. Der Manuskriptbestand in beiden Notationsformen ist von nicht zu überschätzender Bedeutung für die Überlieferung einer Kunstmusikkultur, die bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein in den urbanen Zentren des Vorderen Orients und des östlichen Mittelmeerraums gepflegt wurde.

Für die Musikforschung, die durch den Quellenbestand erstmalig historische Phänomene und Prozesse in den Musikkulturen erschließen kann, wie auch für die Orientalistik sind die Quellen von erstrangiger Bedeutung. Sie bieten die Möglichkeit, vergessenes Repertoire aufzudecken, Aufschluss über die damals gesungene osmanische Poesie zu geben, und zu einer breitgefächerten, multidisziplinären Erforschung der Geschichte der urbanen Kultur jener Region beizutragen.

Das Ziel des Langzeitvorhabens ist es, in einer ersten Projektphase kritische Editionen der zentralen Handschriften in Hampartsum-Notation aus dem 19. Jahrhundert anzufertigen. Die zweite Phase widmet sich vornehmlich der kritischen Edition ausgewählter, in westlicher Notation geschriebener Manuskripte aus diesem Zeitraum. Die Edition der Liedtexte erfolgt parallel im interdisziplinären Verbund. Schließlich soll der CMO Online-Katalog mit einer umfassenden Datenbank der gedruckten und handschriftlichen Quellen der osmanischen Musik Forschern und Ausführenden zugleich als eine wichtige Quelle dienen.