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Keine Ruhe vor Gemeinheiten

Cybermobbing: Studierende entwerfen Trainingsprogramme für Schüler
Wl 1006 Cybermobbing

Hänseleien auf dem Schulhof sind schlimm. Im Zeitalter von Internet und Handy kommt das Cybermobbing hinzu.

Foto: WWU

Knöchelhoher Schnee bedeckt den Schulhof des Gymnasiums in Telgte. In der großen Pause toben und spielen dort die jüngeren Schüler, die älteren stehen in Mützen und Schals gehüllt zusammen und unterhalten sich. Für einen Unterstufenschüler ist diese Pause alles andere als spaßig und erholsam, denn zwei seiner Mitschüler haben ihn gepackt und zu Boden geworfen. Unter lautem Gejohle bewerfen sie ihn mit Schnee, den sie ihm auch in die Kleidung stopfen. Ein Mädchen zieht ihr Handy aus der Jacke und filmt die Attacke. Noch am selben Nachmittag findet der verstörte Schüler das Video auf der Internetplattform "Youtube", versehen mit höhnischen Kommentaren.

Die Szene auf dem Pausenhof ist nicht echt, sondern für einen Film gegen Cybermobbing von der Arbeitseinheit Pädagogische Psychologie der WWU in Zusammenarbeit mit Schülern gestellt. "Aber solche Situationen sind traurige Realität an Schulen", weiß die Psychologin Dr. Stephanie Pieschl. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Torsten Porsch forscht sie zu der relativ neuen Form des Mobbings via Internet, die seit etwa fünf Jahren bekannt ist. Zur Prävention entwickeln Psychologie-Studierende in Seminaren der Cybermobbing-Forscher Unterrichtsmodule, mit denen Lehrer ihre Schüler im kompetenten Umgang mit Neuen Medien trainieren können.

Die Studierenden, die kurz vor dem Uni-Abschluss stehen, besuchen jeweils zu zweit Schulklassen und erarbeiten mit den Fünft- und Sechstklässlern Strategien gegen Cybermobbing. Der zehnminütige Film, der unterschiedliche Arten des Cybermobbings darstellt, wird immer zu Anfang gezeigt und dient dazu, die Kinder und Jugendlichen für das Thema zu sensibilisieren. "Danach kann man eine Stecknadel fallen hören, denn die Schüler haben solche Situationen meist schon in irgendeiner Weise erlebt", weiß Torsten Porsch. Im Anschluss schlüpfen die Schüler in die Expertenrolle, sprechen über die unterschiedlichen Rollen der Kinder im Film, berichten über ihre eigenen Gedanken und Gefühle. "Der wollte bestimmt vor seinen Freunden cool sein", hören die Psychologen oft über die Rolle des Angreifers.

Verschiedene deutsche Studien zeigen, dass je nach Alter, Schulform und anderen Faktoren zwischen fünf und 55 Prozent der Schüler bereits einmal Opfer von Cybermobbing gewesen sind.

Schüler, die auf Portalen wie "schülerVZ", "Youtube", per E-Mail oder Handy beleidigt, durch Lügen verunglimpft oder bloßgestellt werden, sind einem besonders großen Stress ausgesetzt. "Wenn Kinder auf dem Schulhof geärgert werden, können sie sich immerhin nach der Schule nach Hause in eine sichere Umgebung zurückziehen. Das gelingt beim Cybermobbing nicht mehr", betont Torsten Porsch.

Über 90 Prozent der Jugendlichen nutzen das Internet regelmäßig. Im Zeitalter von iPhones und Flatrates ist das "Worldwideweb" fast allgegenwärtig und die Schmähungen für jeden im Netz auffindbar. Cyber-Täter haben leichtes Spiel: Während sie auf dem Schulhof oder in der Klasse zu ihren Aussagen und Taten stehen müssen, können sie im Netz anonym bleiben. "Die Hemmschwelle ist dadurch deutlich niedriger", erklärt Stephanie Pieschl.
Bei der Fachtagung der Stadt Münster zum Thema Cybermobbing am 18. November stellen die beiden Psychologen neben anderen Praktikern ihre Untersuchungsergebnisse aus den Schulen vor.

Hanna Dieckmann