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Die ULB wird voller, der Geldbeutel leerer

Urheberrechtsreform führt zu absurden Regelungen und Verteuerungen



Elektronische Texte nur gegen reichlich Bargeld befürchtet Prof. Thomas Hoeren (hinten), falls die Regelungen zum Urheberrecht verschärft werden.  

 Foto: ps

Miesepetrig schaut Jurastudent Sebastian Neurauter in sein immer leerer werdendes Portemonnaie. Seine Kommilitonen Malte Lieckfeld und Amit Datta zücken bereits automatisch, aber reichlich frustriert die Euro-Scheine, um an den Rechnern der WWU digitale Zeitschriften einsehen zu können. Sieht so die Zukunft für die Studierenden der Uni Münster aus? Das steht angesichts der Reform des so genannten zweiten Korbs zur Novellierung des Urheberrechts zu befürchten. Sparten Studierende, Dozenten und Bibliothekare durch digitale Recherchen bislang Zeit und Geld, scheint künftig das Gegenteil der Fall zu sein, meint auch die Leiterin der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB), Dr. Beate Tröger: "Der freie und ungehinderte Zugang zu Informationen und wissenschaftlichen Erkenntnissen wird eingeschränkt – zu Lasten von Bildung, Forschung und E-Learning."

So ist der elektronische Versand von Artikeln ab 2007 nur noch gestattet, wenn die Verlage die Publikationen nicht selbst in elektronischer Form anbieten. Das heißt konkret: die Bibliothek muss prüfen, ob der Aufsatz vom Verlag digital angeboten wird. Ist dies der Fall, müssen die Bibliotheksmitarbeiter vom Aufsatz Papierkopien erstellen, die dann als Fernleihe nur per Fax oder per Post verschickt werden dürfen. Wenn Studierende die benötigte Literatur direkt beim Verlag abfragen, müssen sie tief in die Tasche greifen. Dr. Beate Tröger rechnet verärgert vor: "Die Preise pro Aufsatz dürften zwischen zehn und 30 Euro liegen." Das sind nicht nur für Studenten, wie den 21-jährigen Jurastudenten Amit Datta, "Unsummen". Er fragt sich sichtlich erregt: "Wie sollen wir das eigentlich auf Dauer bezahlen?"  Bislang kostet eine Fernleihe bei der ULB nur 1,50 Euro und dafür bekam man die Texte elektronisch zugeschickt.

Nicht nachvollziehbar ist für Dr. Tröger, dass die ULB die Texte nur als Grafikdatei im unattraktiven tif-Format versenden darf, wenn der Verlag die Texte nicht selbst elektronisch anbietet. Das bedeutet: Man kann sie nur lesen, nicht bearbeiten. Für Tröger ganz klar eine "Behinderung wissenschaftlichen Arbeitens", die allen modernen Standards widerspreche: "Da kann man sich die Texte ja gleich als Fax zuschicken." Tröger weiter: "Wenn man uns daran hindert, für Studierende mit wenig Geld Alternativen aufzubauen, dann sind das massive Einschnitte, die jeder Chancengleichheit widersprechen." Sie erinnert daran, dass die Bibliothek schon wegen angespannter Haushaltsmittel weniger Bücher und Zeitschriften kaufen kann: "Wir müssen oft auf die Fernleihe zurückgreifen und Zeitungsartikel verschicken. Wenn man uns diese Möglichkeit nimmt, dann wird es sehr problematisch."

Zum Glück, so Professor Dr. Thomas Hoeren vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht, wurde die geplante Einschränkung der Nutzung von elektronischen Zeitschriften nicht ganz so beschlossen wie eigentlich vorgesehen. Der Gesetzentwurf sah erst vor, dass die ULB nur so viele Exemplare eines Werkes gleichzeitig zugänglich machen sollte, wie der Bestand umfasst. Hätte bedeutet: eine Zeitschrift mit einem Abo hätte die Bibliothek nur an einem PC-Platz anbieten dürfen. Lange Schlangen wären die Folge gewesen. Das wird vermieden. Jetzt kann die ULB selbst bestimmen, wie viele Leseplätze sie einrichtet. Doch "absurder" findet Dr. Tröger das, was schließlich beschlossen wurde: Die ULB darf elektronische Werke, die sie gekauft hat, künftig nur an entsprechenden Leseplätzen im Haus, nicht aber mehr an Institutsrechnern zur Verfügung stellen. Die Folge: Studierende müssen die gewohnten Arbeitsplätze im jeweiligen Institut verlassen und in der ULB weiterarbeiten.

Auch digitale Seminarapparate von Professoren sollen künftig nicht mehr möglich sein, da die Verleger Einbußen bei ihren Buchverkäufen befürchten. Auch für Forschergruppen gibt es dann  Einschränkungen. Einzige geplante Ausnahme des Bundeskabinetts: Fünf Forscherkollegen dürften sich gegenseitig zumailen. Allerdings müsste hier eine "persönliche Bekanntschaft" vorausgesetzt werden.  

  Peter Sauer