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Der Umgang mit aktuellen, komplexen Transformationsprozessen in Unternehmen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet

Sian de Boer

Wir leben in einer Zeit bedeutender Veränderungen, geprägt von der Klimakrise und der vierten industriellen Revolution. Wie Frans Timmermans, ehemaliger Exekutiv-Vizepräsident der Europäischen Kommission für den europäischen Green Deal, betonte, wird sich die Art und Weise, wie wir arbeiten und produzieren, ändern. Unternehmen stehen vor immensen Herausforderungen, da aktuelle Geschäftsmodelle häufig auf Prinzipien einer linearen Wirtschaft beruhen, die tief in Organisationen und Unternehmen verankert sind – von der Buchhaltung über Regeln und Vorschriften bis hin zur Besteuerung.

In Anbetracht des schnellen wirtschaftlichen Wandels stellt sich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit bestehender Geschäftsmodelle. Klimawandel, das Bewusstsein für die Begrenztheit vieler Ressourcen und die hohe Volatilität der Wirtschaft erfordern neue Denkweisen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stehen bei der Umstellung auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft vor großen Herausforderungen. Hindernisse wie mangelndes Wissen, Zeitmangel und fehlende finanzielle Ressourcen erschweren den Prozess.

Der Übergang zu einem kreislauforientierten Geschäftsmodell erweist sich oft als kapitalintensiv, was für Unternehmen mit begrenzten finanziellen Ressourcen eine erhebliche Belastung darstellt. Dennoch ist ein erfolgreicher Wandel zur Nachhaltigkeit für das langfristige Überleben von KMU von entscheidender Bedeutung. Der Zugang zu Märkten ist zunehmend an gesetzliche Normen oder Nachhaltigkeitsstandards geknüpft. Kund*innen und Kapitalgeber*innen stellen ähnliche Anforderungen an die Unternehmen, was den Druck zur Umsetzung nachhaltiger Geschäftspraktiken weiter erhöht.

Vor diesem Hintergrund gibt es sogenannte „stille Gewinner“, die für ihre Führungsqualitäten, engagierten Mitarbeiter*innen, engen globalen Fokus und kundenorientierten Innovationen bekannt sind. Diesen Unternehmen gelingt es, die Herausforderungen des Übergangs zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu meistern und gleichzeitig ihre Marktposition zu halten oder zu stärken.

Die Studie zielt darauf ab, die Strategien zu untersuchen, die KMU im Münsterland und in Twente anwenden, um im Übergang zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft widerstandsfähig zu bleiben. Es wird analysiert, warum einige Unternehmen diesen Wandel schneller vollziehen als andere, welche Hindernisse sie überwinden müssen und wie sie damit umgehen. Darüber hinaus ermöglicht der grenzüberschreitende Ansatz Einblicke, wie deutsche und niederländische KMU aus grenznahen und dadurch relativ gut vergleichbaren Regionen diesen Wandel effektiv bewältigen können und wie sie dabei von politischen Entscheidungsträger*innen und anderen Akteuren unterstützt werden.

Die zentralen Forschungsfragen lauten somit: Wie bewältigen KMU im Münsterland und in Twente den Übergang zu Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft? Welche Strategien wenden sie an, um widerstandsfähig zu bleiben? Auf welche Hindernisse stoßen sie und wie überwinden sie diese? An der Schnittstelle von Soziologie und Wirtschaft eröffnet sich im Bereich der Kreislaufwirtschaft ein faszinierendes Forschungsfeld. Die institutionelle Wirtschaftsanalyse ermöglicht einen vertieften Einblick, wie Unternehmenskulturen, Entscheidungsprozesse sowie Regeln, Normen und Institutionen im Umfeld die Gestaltung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsinitiativen beeinflussen. Ergänzt wird diese Perspektive durch die Wirtschaftsgeographie, die beleuchtet, inwiefern Standortakteure, Clusterbildung, Globalisierungsprozesse und Regionalpolitik die Umsetzung von Kreislaufprinzipien beeinflussen.

Das Projekt wird Methoden wie Policy Learning, Benchmarking und Best Practices nutzen, um tiefere Einblicke zu gewinnen. Nach einer kurzen Durchsicht früherer Untersuchungen hat sich der erste Eindruck ergeben, dass es in den Niederlanden auf lokaler und regionaler Ebene mehr Initiativen zur Erprobung und Förderung von Innovationen als in Deutschland gibt. Ein tieferes Verständnis dieser Unterschiede wird es schließlich ermöglichen, die Erfolgsfaktoren für den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft zu identifizieren und die bestehenden Barrieren zu überwinden.