Projekt Züschen


(Prof. Dr. A. Jockenhövel / PD Dr. D. Dirksen / Lena Loerper)


Einleitung

Innerhalb dieses Forschungsprojektes soll in Zusammenarbeit mit dem Labor für Biophysik (PD Dr. D. Dirksen) der Universität Münster eine digital-optische 3D-Dokumentation des in der 2. Hälfte des 4. Jahrtausends errichteten Steinkammergrabes Züschen I/Lohne (Hessen) durchgeführt werden.
Das im Jahre 1894 entdeckte und von J. von Boehlau und F. von Gilsa zu Gilsa ausgegrabene Grab ist vor allem durch seine an den Innenseiten der Wandsteine angebrachten Bildzeichen bekannt. Darstellungen von Rindern und wagenartigen Gebilden dominieren das Gesamtrepertoire der Zeichen und können wohl als die ältesten Wagendarstellungen in Europa gelten. Daneben treten auch geometrische Motive wie Zickzacklinien und Fischgrätenmuster auf. Von besonderer Bedeutung ist zudem die Darstellung der „Dolmengöttin“, für die es Parallelen in Gräbern des Pariser Beckens gibt.
Da das Grab über einen langen Zeitraum jedweder Witterung, ausgesetzt war – mittlerweile ist es überdacht – haben die Steinoberflächen stark gelitten, so dass die einst noch gut zu erkennende Zeichen oftmals vergangen sind. Neben der Gefährdung durch Umwelteinflüsse blieb das Grab auch nicht vor menschlichen Einflüssen verschont, so sind auch an einigen Stellen Neuritzungen von Zeichen und Übermalungen zu finden. Auch die Tatsache, dass der heutige Dokumentationsstand der einzelnen Bildzeichen hauptsächlich auf Zeichnungen der ersten Publikation aus dem Jahre 1898 (Boehlau, J./von Gilsa zu Gilsa, F., Neolithische Denkmäler aus Hessen. Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde. Neue Folge. Supplementheft 12, 1898) beruht, erfordert für eines der bedeutendsten archäologischen Denkmälern Hessens eine neue zeitgemäße Dokumentation.

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Abb. 1 : Steinkammergrab Züschen I/Lohne (Hessen).



Messverfahren und Dokumentation

Im Frühjahr 2005 wurde die für diese Dokumentation erforderlichen Messungen vor Ort durch Mitarbeiter des Labors für Biophysik und der Abteilung für Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie vorgenommen. Das Ziel dieser berührungsfreien Messung mit der so genannten optischen Profilometrie, die auf der Streifenprojektionstechnik basiert, ist es, die Steinoberflächen quantitativ in 3-dimensionaler Form im PC wiederzugeben. Das Ergebnis ist eine maßstabsgetreue 3-dimensionale Darstellung der Gesteinsoberfläche, deren Betrachtung innerhalb der Programme unter verschieden Blickwinkeln und unterschiedlichen Lichteinflüssen möglich ist, so dass sich eine optimale Betrachtungsposition ergibt, die in der Natur kaum gegeben ist.

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Abb. 2: 3-D-Rekonstruktion des Steines b2 mit Dolmengöttin.


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Abb. 3-5: Ausschnitt aus einer 3-D-Rekonstruktion des Türlochsteins mit unterschiedlicher virtueller Beleuchtung.

Anhand eben dieser optischen 3-D Daten und so genannten Falschfarbendarstellungen war es unter anderem möglich noch nicht bekannte und dokumentierte Bildzeichen auf dem Türlochstein des Grabes zu finden. Hierbei handelt es sich um die so häufig an den Wänden des Grabes vorkommenden gabelförmigen Zeichen. Deutlich sind hier paarig aufgespannte Rinder vor einer wagenartigen Konstruktion auszumachen.
Neben der Neuentdeckung noch nicht bekannter Zeichen, sollen natürlich auch bereits in Zeichnungen festgehaltene Motive wiederentdeckt werden und somit ihr tatsächliches Vorhandensein überprüft und ihr aktueller meist nicht mehr allzu guter Erhaltungszustand dokumentiert werden. Ziel ist es zunächst den Zeichenbestand in seiner Gesamtheit festzuhalten, sowie die Trennung von sich überschneidenden Zeichen um möglicherweise verschiedene Anbringungsphasen herausarbeiten zu können. Weiterführend sollen auch Erkenntnisse über die Anbringungstechniken, insbesondere über die Einpicktiefe, erlangt werden.

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Abb. 6: Falschfarbendarstellung eines Ausschnitts des Türlochsteins
mit Umzeichnung: Zwei „Rindergespanne“ umschließen ein Fisch-
grätenmuster. Die Halbbögen der gabelförmigen Zeichen schneidet
zudem eine doppelt verlaufende Zickzacklinie.