Routen der Reformation: Die Soester Börde

Die Reformation in den Ortschaften der Soester Börde wurde von den Ereignissen in der Stadt Soest geprägt. Offiziell zur Grafschaft Mark gehörig und damit dem Herzog von Kleve untertan, genoss Soest im 16. Jahrhundert dennoch zahlreiche Privilegien und war in der Lage, die Reformation unabhängig vom Landesherrn einzuführen. Eine Kirchenordnung wurde schon 1532 erlassen, nachdem Thomas Borchwede und Gerdt Oemeken im Jahr zuvor begonnen hatten, die Gedanken Luthers in der Stadt zu verbreiten. Die umliegenden Ortschaften wurden maßgeblich von der Politik der Stadt Soest beeinflusst – entsprechend hielt auch hier die Reformation in den Jahren ab 1532 Einzug. Dabei handelten die aus Soest entsandten Prediger teils mit, teils aber auch gegen den Willen der ortsansässigen Geistlichen, wie das Beispiel Welver zeigt.

Zur Reformationsgeschichte Soests

  • Bad Sassendorf

    Evangelische Kirche, ehemals St. Simon und Judas Thaddäus

    Die evangelische Kirche in Bad Sassendorf wurde wohl ab 1420 als Nachfolger einer 1313 errichteten Kapelle erbaut.  Diese war eine Filialkapelle der Mutterkirche in Lohne. Wann eine eigenständige Kirchengemeinde in Sassendorf eingerichtet wurde, ist nicht bekannt. Aus vorreformatorischer Zeit stammt noch eine 1910 stark übermalte Wandmalerei mit Aposteldarstellungen, die auf das Ende des 15. Jahrhunderts datiert wird. Das oktogonale Taufbecken wurde vermutlich für den Vorgängerbau angefertigt.

    Nach Einführung der Reformation in Soest wurde auch in Sassendorf der katholische Pfarrer 1532 ab- und ein protestantischer Vikar eingesetzt. Allerdings konnte sich die neue Lehre in dem Kirchspiel nur bis 1548 halten; danach folgte eine bis 1590 andauernde Rekatholisierung der Gemeinde. Erst 1590 etablierte sich eine protestantische Gemeinde in Sassendorf dauerhaft.

    Der Altar in der Kirche ist für das Jahr 1660 bezeugt und zeigt eine Darstellung der Kreuzigung Christi. Auf dem Gemälde ließ sich der Pfarrer Johann Conrad Draudius, der von 1642 bis 1660 Pfarrer in Lohne und Sassendorf war – neben Maria stehend – abbilden. Er ist in ein schwarzes Ornat gekleidet, die Heilige Schrift hält er vor sich.  In der Predella wird das letzte Abendmahl – flankiert von den Einsetzungsworten – dargestellt. Die Kanzel stammt wie das Gestühl aus dem Jahr 1700, die heute sichtbare Farbfassung wurde erst 1967 wieder freigelegt.

    ev. Simon und Judas Thaddäus Kirche Bad Sassendorf
    Simon und Judas Thaddäus - ev. Kirche in Bad Sassendorf
    © IStG
    Innenraum der ev. Kirche Bad Sassendorf
    Innenraum der ev. Kirche
    © IStG
    Kanzel der ev. Kirche Bad Sassendorf
    Kanzel der ev. Kirche
    © IStG
    Altar der ev. Kirche Bad Sassendorf
    Altar der ev. Kirche
    © IStG
  • Dinker

    Evangelische Kirche St. Othmar
    Für Dinker ist eine Kirche erstmals für das Jahr 1221 urkundlich belegt. Heute steht in der Ortschaft ein zuletzt Ende des 19. Jahrhunderts umgestalteter Kirchenbau, der im Kern auf einem flachgedeckten romanischen Saal mit Westturm beruht. 1514 wurde dem Langhaus ein Chor angefügt, das baufällige Gebäude 1744–1747 durch das heute bestehende ersetzt. 1857 erneuerte man die Freigeschosse, 1901–1902 den gesamten Turm. Im Zuge der Neugestaltung des Kirchenschiffs wurde die ursprüngliche Kirchenausstattung zum Teil entfernt. 1745–1750 fügte Johann Kartenberg eine raumbeherrschende Altarwand mit Kanzel und Orgel in das Kirchenschiff ein. Das noch in der Kirche befindliche Sakramentshaus wird von dieser Altarwand verdeckt.

    Unterhalb der Empore findet sich ein hölzernes, zweiflügeliges Epitaph für den Pfarrer Caesarius und seine Ehefrau von 1605, das von Matthias Knipping angefertigt wurde. Die Außenseite der Flügel zeigt oberhalb einer Inschrift die beiden Verstorbenen vor dem gekreuzigten Jesus kniend. Die Innenseite der Epitaphflügel hingegen beherbegt einen lutherischen Katechismus.

    Ev. Kirche St. Othmar
    © Schumacher
    Altarwand mit Kanzel und Orgel in der ev. Kirche
    © IStG
    Epitaph des Pastors Caesarius und seiner Ehefrau
    © Schumacher
    Innenansicht des Epitaphs
    © Schumacher
    Detailansicht des linken Innflügels
    © Schumacher
  • Rüthen

    Rüthen liegt außerhalb des Soester Börde im zur Reformationszeit katholisch verbliebenen Herzogtum Westfalen. Entsprechend finden sich in den Kirchen und anderen Gebäuden des Ortes keine Zeugnisse der Reformation. Eine Ausnahme bildet allerdings das reich verzierte Haus Buuck in der Hachtorstraße 20 aus dem Jahr 1609.

    An der Traufenseite (der Hauswand zur Hachtorstraße) des ältesten Wohnhauses der Stadt steht folgende Inschrift am Schwellenbalken zum 2. Stockwerk, die  den Tischreden Martin Luthers entnommen ist:

    Es ist auf Erden kein besser List
    denn wer seiner Zungen ein Meister ist,
    viel wissen – wenig sagen,
    nicht antworten auf alle Fragen,
    rede wenig und machs wahr,
    was du borgest bezahle bar,
    lass einen jeden wie er ist
    so bleibst du auch wohl
    wer du bist.

    1582–1584 herrschte in Rüthen das evangelische Bekenntnis vor (durch Einfluss und zeitweiligen Aufenthalt des konvertierten Kölner Erzbischof Gebhard Truchsess von Waldburg in Rüthen). Obwohl anschließend durch den Erzbischof Ernst von Bayern die Rekatholisierung der Stadt Rüthen betrieben wurde, scheinen sich lutherische Geistesströmungen in der Bevölkerung über einen längeren Zeitraum gehalten zu haben.

    So schließt sich z.B. noch 1607 der katholische Pfarrer des Rüthener Stadtdorfes Miste spontan den sogenannten statischen Reitern aus Holland an, die ebenfalls dem evangelische Bekenntnis anhingen, und verlässt bei Nacht Pfarrei und Dorf.

    In der Hausinschrift der Erbauer am Giebelbalken des Hauses heißt es:

    1609, den 17ten [Monat unleserlich, vermutlich Mai, Juni o. Juli] haben wir elude als Caspar Buuck u. Dorote Hotke dis haus uns und unsern kindern zu nutz und der stadt Ruden zu frommen gebawet.

    Auffällig ist, dass hier der sonst in allen anderen Hausinschriften in Rüthen vorhandene Gottes- oder Heiligenbezug fehlt.

    Dafür finden sich am Giebel zahlreiche sogenannte Neidköpfe, also abschreckende Dämonenfratzen, die an anderen Rüthener Fachwerkbauten – mit katholischen Bezügen in den Inschriften – nicht zu finden sind.

    Die beiden außergewöhnlichen Inschriften an diesem Haus und ihre lokalen konfessionell-zeitgeschichtlichen Hintergründe sind durchaus als auffällige (zumindest lutherisch inspirierte) Ausnahme bzw. Abgrenzung von der sonstigen katholischen Konfessionsdominanz in Rüthen anzusehen.


    Friedhelm Sommer, Stadtarchivar von Rüthen

    Haus Buuck, Hachtorstraße 20
    © IStG
    Haus Buuck, Hachtorstraße 20
    © IStG
    Haus Buuck, Hachtorstraße 20
    © IStG
    Haus Buuck, Hachtorstraße 20
    © IStG
  • Schwefe

    Evangelische Kirche St. Severin
    Die ursprünglich romanische Kirche, um 1150 erbaut, war Mittelpunkt einer Wehranlage. Aus dieser Bauphase hat sich der Kirchturm erhalten. Das Kirchenschiff wurde mehrfach umgebaut und erweitert, zuletzt im Jahre 1706. Der Turmhelm stammt aus dem Jahr 1788 und wurde in Folge eines Blitzschlages erneuert.
    Im Kirchenschiff finden sich zahlreiche Zeugnisse der Reformation – und somit ein Nebeneinander von alter und neuer Lehre in der Ausstattung. Bestes Beispiel dafür ist der aufwendig gearbeitete Altar, der in zwei Phasen errichtet wurde. Vor der Reformation, die in Schwefe 1532 eingeführt wurde, erschuf ein unbekannter Künstler 1510 den aufwendig geschnitzten Altar, der vorrangig die Passionsgeschichte Christi nacherzählt.
    Die Seitenflügel wurden nach der Reformation innen übermalt. Zwei der dargestellten Apostelfiguren tragen die Gesichtszüge Martin Luthers: der Reformator als Apostel neben dem auferstandenen Christus in der oberen rechten Szene, direkt darunter Luther auf dem Pfingstbild neben Maria. Der Altar wurde also nach der Einführung der Reformation umgestaltet. Einer vollständigen Erneuerung des Bildprogramms bedurfte es dabei anscheinend nicht – die dargestellten Szenen aus der Lebens- und Leidensgeschichte Christi ließen sich auch mit der neuen Lehre vereinbaren.

    Die restliche Kirchenausstattung ist allerdings nachreformatorisch.
    Die Taufe wurde 1682 errichtet. Die Kanzel ist ein Werk Martin Möllers aus dem Jahre 1709. Aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg stammen die Bildnisse der Apostel und Christi als Salvator Mundi, die 1652 geschaffen wurden. Die einzelnen Figuren sind durch die ihnen zugehörigen Attribute gekennzeichnet. Unter den Bildern finden sich die Namen der Stifter, vorrangig Lohnherren, Diakone und Presbyter.
    An der Nordseite des Kirchenschiffs findet sich eine hölzerne Empore, die nach der Reformation errichtet wurde. Die Schwefer Pfarrkirche unterstand dem Patrozinium der Äbtissin vom nahegelegenen Kloster Paradiese. Nach der Reformation wurde diese zusammen mit einigen Nonnen evangelisch, die Priorin verblieb mit den übrigen bei der alten Lehre. Als Folge wurde die Pfarrkirche in Schwefe als Stiftskirche genutzt, die Klosterkirche blieb katholisch. Um den Stiftsdamen einen ungestörten Gottesdienstbesuch zu ermöglichen, wurde daraufhin die Nonnenempore in der Kirche errichtet. Im Zuge der Säkularisation wurden 1809 sowohl das Kloster als auch 1811 das Stift aufgelöst und die Klosterkirche abgerissen.

    Ev. Kirche St. Severin
    © IStG
    Blick von der Orgelempore in das Kirchenschiff der ev. Kirche
    © IStG
    Altar der ev. Kirche
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    Lutherportrait auf dem rechten Seitenflügel des Altars
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    Taufe in der ev. Kirche
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    Altar der ev. Kirche
    © IStG
    Bildnisse der Apostel
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    Sogenannte Nonnenempore
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  • Welver

    Evangelische Kirche St. Albanus und Cyriakus
    Ehemalige Klosterkirche: Im Kern romanischer Saal mit gerade geschlossenem Chor, Querhaus und gedrungenem querrechteckigen Westturm.

    Das kleine, ursprünglich als Eigenkirche der Herren von Welver genutzte Bauwerk wurde um 1200 um ein Querhaus und einen Chor erweitert. Nach der Inkorporation in das neu gegründete Zisterzienserinnenkloster erfolgte 1244 ein erneuter Umbau des Langhauses.
    Im Zuge der Reformation versuchte die Stadt Soest die neue Lehre in Welver gegen das Bestreben der Zisterzienserinnen durchzusetzen, die zeitweilig einen katholischen Pfarrer neben dem von der Stadt eingesetzten lutherischen Vizekuraten behaupten konnten. Die endgültige Durchsetzung der evangelischen Lehre erfolgte erst 1649. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Kirche zu Welver der evangelischen Kirchengemeinde zugewiesen und ein lutherischer Pfarrer eingesetzt. Allerdings bestand das ansässige Zisterzienserinnenkloster weiterhin, sodass in der Kirche mit dem Einziehen einer Zwischendecke ein Simultaneum eingerichtet wurde: Das Kirchenschiff verblieb der lutherischen Kirchengemeinde als Gotteshaus, während die Nonnen im neu geschaffenen ersten Stockwerk ihre Messe feierten. Das Simultaneum endete erst mit dem Neubau einer katholischen Klosterkirche in direkter Nachbarschaft zum bisher genutzten Gotteshaus im Jahr 1700.
    Aus der Reformationszeit haben sich in den Wänden des Kirchengebäudes Auflager der ehemaligen Nonnenempore erhalten. Der von Matthias Knipping für das Jahr 1615 bezeugte Altar beherbergt ein Flügelretabel mit Szenen aus dem Leben Jesu. Die geschnitzte Taufe datiert aus dem Jahr 1636. Die zwischen 1785 und 1786 geschnitzte und farbig gefasste Kanzel stammt ursprünglich aus der Georgskirche in Soest. Der tulpenförmige Kanzelkorb wächst aus einem Palmenstamm hervor.

    ev. Kirche zu Welver, links kath. St. Bernhard
    Ev. Kirche (rechts), kath. Kirche St. Bernhard (links)
    © Schumacher
    verschlossenes Nordportal
    Verschlossenes Nordportal – ehemals Zugang vom Kloster
    © IStG
    Blick in das Kirchenschiff der ev. Kirche zu Welver
    Blick in das Kirchenschiff der ev. Kirche
    © IStG
    Altar, Taufstein und Kanzel in der ev. Kirche zu Welver
    Altar, Taufstein und Kanzel in der ev. Kirche
    © Schumacher

Literatur

Georg Dehio. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Nordrhein-Westfalen II. Westfalen, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen und dem Institut für vergleichende Städtegeschichte unter wissenschaftlicher Leitung von Ursula Quednau, Berlin/ München 2011, S. 79f., 940, 1161, 1163–1165.

Werner Freitag, Die Reformation in Westfalen. Regionale Vielfalt, Bekenntniskonflikt und Koexistenz, Münster 2016, S. 97–99, 106–109.