Vom Nationalfest zur akademischen Feier

Historiker Thies Schulze zum 750. Geburtstag des Dichters Dante Alighieri

News Ansichtssache Dante Jahr 2015
Dr. Thies Schulze
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Zum 750. Geburtstag des italienischen Dichters Dante Alighieri werden in diesem Jahr zahlreiche wissenschaftliche und festliche Veranstaltungen in vielen europäischen Ländern abgehalten. Historiker Dr. Thies Schulze beschreibt in einer Ansichtssache auf www.religion-und-politik.de, wie sich die Feiern seit dem 19. Jahrhundert bis heute entwickelt haben. Dantes 600. Geburtstag im Jahr 1865 sei – vier Jahre nach der italienischen Staatsgründung – noch als Nationalfest begangen worden, obwohl das dichterische Prestige Dantes zuvor „nicht zuletzt wegen seiner mitunter drastischen Wortwahl“ durchaus umstritten gewesen sei, schreibt der Wissenschaftler. Italien habe den Autor der „Göttlichen Komödie“ damals als „italienischsten Italiener aller Zeiten“ gefeiert. Im Laufe der Zeit wurde Dante dann immer mehr als „europäischer Dichter“ betrachtet, wie Thies Schulze ausführt. Das Augenmerk sei zunehmend auf die philologischen, philosophischen und historischen Hintergründe der Dantischen Werke gelegt worden. Auch im „Dante-Jahr 2015“ sei die Verbindung zwischen Dante und der italienischen Nation deutlich in den Hintergrund getreten. (ska/vvm)

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Anfuehrungszeichen

2015 ist Dante-Jahr. Zu Ehren des Dichters, dessen Geburt 750 Jahre zurückliegt, fanden und finden ungefähr 200 Veranstaltungen in Italien und viele weitere außerhalb des Landes statt: Allen voran ehrt die Geburtsstadt Dante Alighieris, Florenz, den Autoren der Göttlichen Komödie mit einer Serie von Vorträgen und kulturellen Veranstaltungen, die am 14. Mai mit einem festlichen Umzug zum Dante-Denkmal zu einem spektakulären Höhepunkt gelangt ist. Ravenna, Ort des Dante-Mausoleums, widmete dem Dichter das diesjährige Programm des örtlichen Musik-Festivals und ehrte ihn mit zahlreichen weiteren Vorträgen und Kulturveranstaltungen. Dante-Vereine und solche, die nach dem Dichter benannt sind – nicht zuletzt die Società Dante Alighieri und die Florentiner Società Dantesca Italiana beteiligen sich maßgeblich an Gedenk- und Festveranstaltungen. Teilweise geht das Gedenken über den Rahmen kultureller Veranstaltungen hinaus: Für den 4. Mai 2015 beraumte der italienische Senat eine Festveranstaltung zu Ehren Dantes an, und die italienische Finanzdirektion ließ Zwei-Euro-Gedenkmünzen mit dem Konterfei des Dichters prägen. Papst Franziskus nannte Dante einen „Künstler von höchster universaler Bedeutung, der mit seinen unsterblichen Werken auch heute noch viel zu sagen und zu geben hat an diejenigen, die den Weg des wahren Wissens, der wirklichen Erkenntnis des Selbst und der Welt sowie des tiefen und transzendierenden Sinns der Existenz beschreiten möchten.“

Auch in Deutschland erinnern zahlreiche Festveranstaltungen an Dante Alighieri (1265-1321). In Weimar findet vom 16. bis 18. Oktober eine von Schauspielern durchgeführte umfassende Lesung der Göttlichen Komödie statt, mit der die Deutsche Dante-Gesellschaft sowohl den Geburtstag des Dichters als auch den 150. Jahrestag des eigenen Bestehens feiert. Unter dem Motto „Krefelder lesen Dante“ veranstaltete die Stadt am Rhein im Juni einen Lesemarathon ausgewählter Gesänge. Und zahlreiche weitere Vorträge, Tagungen und Lesungen finden in ganz Deutschland statt; die Ruhr-Universität Bochum organisierte im Sommersemester die Ringvorlesung „Dante komparatistisch“, die Universität Würzburg mehrere Studientage, um nur zwei Beispiele zu nennen. In den Feuilletons der überregionalen deutschen Zeitungen ist der Dante-Geburtstag ebenfalls präsent.

In Anbetracht von Dantes hoher Bedeutung für die italienische und europäische Literatur vermag es kaum zu verwundern, dass an den 750. Geburtstag Dante Alighieris vielerorts erinnert wird. Dennoch ist die Tradition solcher Dante-Feiern überschaubar. Viele Jahrhunderte nämlich war das dichterische Prestige Dantes nicht zuletzt wegen seiner mitunter drastischen Wortwahl umstritten. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts gewann er seinen Rang unter den großen Florentiner Dichtern zurück. Zum „Nationaldichter“ wurde Dante erst nach der Französischen Revolution.

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