Juristischer Kommentar zur „Scharia-Polizei“

Rechtswissenschaftler Fabian Wittreck zu einer Salafisten-Aktion in Wuppertal

Fabian-wittreck

Prof. Dr. Fabian Wittreck

Zur staatlichen Reaktion auf eine salafistische Straßenaktion unter dem Titel „Scharia-Polizei“ in Wuppertal hat sich Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Fabian Wittreck vom Exzellenzcluster in einem Beitrag auf der Website www.religion-und-politik.de des Exzellenzclusters geäußert. Der juristische Kommentar erschien zuerst in der Schriften-Reihe Analysen und Argumente der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). In der Ausgabe vom 18. September legt Prof. Wittreck dar, welche Normen und ungeschriebenen Voraussetzungen des deutschen Rechts dem Staat Spielräume und Grenzen im Umgang mit derartigen Aktionen setzen.

Salafisten in Wuppertal hatten nach Polizeiangaben junge Menschen angesprochen und versucht, sie anzuwerben. Sie sollen Passanten auch zu Predigten eingeladen und darauf hingewiesen haben, dass Alkohol und Glücksspiel nach den Regeln des islamischen Rechts nicht erlaubt seien. Die Verantwortlichen sprachen später von einem „PR-Gag“. (han)

Der Beitrag

Anfuehrungszeichen

Der Auftritt mehrerer Salafisten, die in orangefarbenen Warnwesten mit dem Aufdruck „Shariah Police” in Wuppertal „Streife“ gegangen sind und dabei offenbar Passanten aufgefordert haben, sich an die Gebote des islamischen Rechts (oder besser dessen durchaus eigene Deutung durch die Salafisten) zu halten, hat für einige Aufregung gesorgt – auch wenn die Urheber nunmehr eilig versichern, die ganze Aktion sei lediglich ein „PR-Gag“ gewesen. Selbst wenn dies zutreffen sollte, wirft die Angelegenheit gleich eine ganze Reihe von Rechtsfragen auf.

Die bislang mit dem Fall befassten Behörden haben dabei eher kleinteilig argumentiert: Vor Ort hat man einen Verstoß gegen das Uniformverbot des § 3 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes angenommen; die Norm untersagt, „öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen“. Nun mag man die Warnwesten entweder als Uniformen oder als gleichartige Kleidungsstücke ansprechen und den Salafisten auch eine gemeinsame politische Gesinnung unterstellen – etwa dahingehend, dass das staatliche Recht dem Suprematieanspruch des göttlichen zu weichen habe. Der danach festgestellte Verstoß der „Streife“ gegen geltendes Recht begründet im polizeirechtlichen Idiom eine sogenannte Gefahr für die öffentliche Sicherheit, auf welche die Polizei beziehungsweise die Ordnungsbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen zu reagieren haben – in Rede stehen entweder der Befehl, die Westen auszuziehen und sie nicht wieder zu verwenden (gestützt auf die sogenannte polizeiliche Generalklausel), oder ihre Sicherstellung (vulgo: „Beschlagnahme“). Welche Maßnahme man für vorzugswürdig oder rechtmäßig hält, hängt auch von der Einschätzung der Rechtstreue der Salafisten ab: Ist man hier optimistisch, so wird man die Sicherstellung als die eingriffsintensivere Maßnahme für unverhältnismäßig halten und auf das bloße Verbot vertrauen; eingedenk der bei den gerichtsbekannten Auseinandersetzungen mit Salafisten verletzten Polizeibeamten spricht einiges für die härtere Maßnahme, die zugleich das corpus delicti aus dem Verkehr zieht.

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