Wer hatte das „beste Teutsch“?

Neue Forschungsergebnisse zur Sprache von Katholiken und Protestanten

Buchcover Konfession und Sprache in der Frühen Neuzeit

Buchcover "Konfession und Sprache der Frühen Neuzeit"

© Waxmann Verlag

Katholiken und Protestanten stand in früheren Zeiten ein unterschiedliches Deutsch zur Verfügung. Das lässt sich anhand zahlreicher historischer Quellen wie Grabinschriften, Leichenpredigten, Schulordnungen und Konversionsschriften belegen, wie Studien aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster ergaben. „Die Konfessionen vertraten bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts verschiedene Vorstellungen vom ‚besten Teutsch‘“, erläuterte Germanist Prof. Dr. Jürgen Macha, der den neuen Band „Konfession und Sprache in der Frühen Neuzeit. Interdisziplinäre Perspektiven“ vorstellte. Protestantische Sprachgelehrte der Frühneuzeit sahen demnach das „Meißnische Deutsch“, die Sprache Luthers, als den „zierlichsten“, „reinlichsten“ und „lieblichsten“ Dialekt an. Katholiken gaben dem konkurrierenden Oberdeutsch den Vorzug.

Als Beispiel für Konfessionalismen nannte der Wissenschaftler das berühmte „Lutherische -e“ am Wortende. Katholiken verbanden es im Süden des deutschen Sprachraums mit Luthers Bibelübersetzung und verweigerten es daher als letzten Buchstaben in Wörtern wie „Türe“ oder „Bote“. „Anhand des ‚e‘ zogen die Zeitgenossen folgenreiche Rückschlüsse auf gesellschaftliche Positionen“, so Prof. Macha, der das Buch mit seinen Mitarbeiterinnen Anna Balbach und Sarah Horstkamp herausgegeben hat. Ein Beispiel für konfessionelle Sprachunterschiede sei auch das Wort „Abendmahl“: Protestanten führten es in die Kirchensprache ein, in Texten katholischer Herkunft blieb es bei „Sakrament“ „Tisch des Herrn“ oder „Kommunion“.

Forschungslücken gefüllt

Die Sprachunterschiede hatten nach den Worten des Experten religiöse Gründe, hingen im Zeitalter der Konfessionalisierung aber auch wesentlich mit territorialen Unterschieden und politischer Macht zusammen. „Diese drei Momente waren in der Frühen Neuzeit eng miteinander verwoben und beeinflussten die Menschen bis in ihre Sprachpraxis hinein.“ So hieß das bekannteste christliche Gebet bei Katholiken „Vatter vnser“, auf Lutherisch hingegen „vnser Vatter“. Den Friedhof nannte man in manchen Regionen katholisch „Gottesacker“, protestantisch bezeichnete man ihn als „Kirchhof“.

PM Sprache von Katholiken und Protestanten

Herausgeber Prof. Dr. Jürgen Macha, Sarah Horstkamp und Anna-Maria Balbach

© bhe

Die Autoren des Sammelbandes „Konfession und Sprache in der Frühen Neuzeit“ – Vertreterinnen und Vertreter der Germanistik, Geschichtswissenschaft und Epigraphik aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und Italien – haben zahlreiche frühneuzeitliche Quellen wie Grabinschriften, Leichenpredigten, Konversionsschriften und Schulordnungen mit Blick auf Textstrategien, Wortwahl und Schreibweisen untersucht. Der Band, der auf einer Tagung am Exzellenzcluster basiert, füllt einige Forschungslücken im Themenkomplex „Sprache und Konfession“. Prof. Dr. Jürgen Macha leitet am Exzellenzcluster das Projekt C19 „Zwischen Religion und Politik: Konfessionalisierung der Sprache in der Frühen Neuzeit?“, in dem die Mitherausgeberinnen Anna Balbach und Sarah Horstkamp promovieren. (vvm)


Hinweis: Jürgen Macha, Anna-Maria Balbach, Sarah Horstkamp (Hg.): Konfession und Sprache in der Frühen Neuzeit. Interdisziplinäre Perspektiven. (Reihe „Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit“, Bd. 18). Münster: Waxmann Verlag 2012, (245 S.), 37.90 Euro, ISBN 978-3-8309-2636-8.

Inhaltsübersicht:

Sprachwissenschaftliche Aspekte

  • Anna-Maria Balbach: Jakob, Johann oder Joseph? – Frühneuzeitliche Vornamen im Streit der Konfessionen
  • Dieter Breuer: Der Streit über die Frage, „wo das beste Teutsch zu finden“
  • Walter Haas: Das Deutsche und die Konfessionen in der Eidgenossenschaft um 1700
  • Mechthild Habermann: Leichenpredigten des 17. Jahrhunderts im konfessionellen Kontext
  • Sarah Horstkamp: Konversionsschriften zwischen Muster und Variation – Zwei protestantische Fallbeispiele
  • Jürgen Macha: Frühneuzeitliche Sprachpraxis und der Einfluss der Konfessionen
  • Paul Rössler: Arkane Confessio oder Regiolekt mit Konfessionshintergrund? Fragen zum soziofunktionalen Status grafischer Varianten in ostoberdeutschen frühneuzeitlichen Drucken


Historische Aspekte

  • Jan Brademann: Bekennen, Berichten, Bewirken. Sprachliche Kommunikation und das kulturelle Gedächtnis der Konfessionen auf dem ländlichen Friedhof in der Frühen Neuzeit
  • Ricarda Matheus: Alter, Wahrheit, Seelenheil – Zum diskursiven Rahmen von Konversionsbegründungen


Epigraphische Aspekte

  • Sebastian Scholz: Konfessionelle Aspekte in den Inschriften evangelischer Landesherren im 16. Jahrhundert
  • Christine Steininger: Ille patrem et patriam consanguineosque relinquens prae veteri duxit religione nihil. Die Grabdenkmäler von vom Luthertum zum Katholizismus Konvertierter in Ingolstadt