"Enge Verbindung von Religion und Gewalt"

Historiker Prof. Dr. Matthias Pohlig über das konfessionelle Zeitalter

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 Plakat zur Ringvorlesung

© arn

Religion und Gewalt waren im 16. und 17. Jahrhundert laut Historiker Prof. Dr. Matthias Pohlig besonders eng miteinander verbunden. Für Gewaltausbrüche im konfessionellen Zeitalter gebe es zahlreiche Beispiele, sagte der Münsteraner Juniorprofessor für die Geschichte der Frühen Neuzeit in der Ringvorlesung „Religion und Gewalt“ des Exzellenzclusters „Religion und Politik“. Er nannte Hexenverbrennungen, Bauernaufstände, die Kämpfe um das Münsteraner Täuferreich, den Dreißigjährigen Krieg sowie Bürgerkriege zwischen Anhängern verschiedener Konfessionen in Frankreich und Großbritannien.

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Ton-Mitschnitt des Vortrags

Pohlig sprach sich in seinem Vortrag „Religiöse Gewalt im konfessionellen Zeitalter?“ gegen die Verwendung des Begriffs „religiöse Gewalt“ für seinen Forschungszeitraum aus. Der Ausdruck lege nahe, dass religiöse Überzeugungen die Menschen unmittelbar zu Gewalt motiviert hätten. „Wir Historiker können aber nicht in die Köpfe und Herzen der Menschen schauen. Wir können nur zeigen, wie religiöse Argumente von bestimmten Gruppen benutzt wurden, um Gewalt im Vorhinein oder Nachhinein zu rechtfertigen oder zu deuten“, erläuterte Pohlig. Trotz religiöser Argumente könnten auch soziale, wirtschaftliche oder politische Ursachen für die Gewalt entscheidend gewesen sein. Wichtig sei die genaue Beschreibung der strukturellen Rahmenbedingungen, die Gewalt wahrscheinlich machten und unter denen Religion nur ein Element darstellte.

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 Zuhörer der Ringvorlesung

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Im konfessionellen Zeitalter waren Religion und Politik dem Experten zufolge ohnehin kaum zu trennen. „Die Mächtigen versuchten, in ihrem Territorium konfessionelle Einheitlichkeit herzustellen und grenzten sich aggressiv nach außen ab.“ Hinzu kam laut Pohlig, dass Katholiken, Lutheraner und Reformierte damals in Europa um den Besitz der einen Wahrheit konkurrierten. Die Verknüpfung von politischem Handeln mit religiösen Texten und theologischen Deutungen sei generell „recht beliebig“, sagte der Wissenschaftler. „Religion kann sowohl den Frieden fördern als auch zu Aggressionen anstacheln, für beides sind etwa Argumente in der Bibel oder auch im Koran zu finden.“

Reformierte argumentierten mit der Apokalypse

Die Argumente zur Rechtfertigung von Gewalt sahen im 16. und 17. Jahrhundert dem Experten zufolge je nach Konfession unterschiedlich aus. Vor allem Reformierte hätten häufig mit der Apokalypse argumentiert. „Sie bezeichneten ihre Gegner als Antichrist, erwarteten das Ende der Welt und sahen sich in einem Endkampf zwischen Gläubigen und Ungläubigen.“ Katholiken hätten Endzeit-Szenarien dagegen eher vermieden. Vertreter aller Konfessionen stellten sich laut Pohlig selbst als „David gegen Goliath in einem Verteidigungskrieg gegen einen übermächtigen Feind“ dar und behaupteten, Gott im Kampf auf ihrer Seite zu haben.

Matthias Pohlig ist Juniorprofessor für die Geschichte der Frühen Neuzeit am Historischen Seminar der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). In der Ringvorlesung „Religion und Gewalt. Erfahrungen aus drei Jahrtausenden Monotheismus“ kommen Vertreter unterschiedlicher Disziplinen wie Historiker, Germanisten, Theologen und Religionswissenschaftler zu Wort. In der nächsten Woche spricht die Judaistin Prof. Dr. Regina Grundmann über „Christlich-jüdische Zwangsdisputationen“. Der öffentliche Vortrag findet statt am Dienstag, dem 7. Juni, um 18.15 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses, Domplatz 20-22. (arn)