Aktuelles im und um den Masterstudiengang Kulturpoetik der Literatur und Medien

Sommersemester 2023

Freizeitpark als Gegenstand der Medienkulturwissenschaft (PD Dr. Stephan Brössel)

Die Doku-Serie "The Imagineering Story" (USA 2019) zeigt eindrücklich auf, wie fundamental die Thematisierung von Welten und das Erzählen für die Funktionsweise von Freizeitparks und ihre immersive Wirkung sind: „Geschichten bestimmen das Erlebnis”, heißt es an einer Stelle. Immer wieder wird dabei auf die Schnittstelle zwischen Parkgestaltung und (narrativem) Film abgehoben, auf den Effekt der Emotionalisierung, die immersive Anlage von Themenwelten und des Parks insgesamt. Gutes Design, so wird es auf eine griffige Formel gebracht, erzeuge virtuelle Realitäten, biete Nervenkitzel und emotionale Anbindung. 
Viele Stichwörter, die auch in der Medienkulturwissenschaft eine wesentliche Rolle spielen. Der Gegenstand, so fremdartig er aus literaturwissenschaftlicher Sicht zunächst erscheinen mag, ist auch einer der Kulturpoetik.
Das Seminar legt einen kultursemiotischen Zugang zu Themenparks, sondiert verfügbare Instrumentarien und prüft sie auf ihre Anwendbarkeit, um dann die Grundkonstituenten ‚Thematisierung‘, ‚Storytelling‘ und ‚Immersion‘ in Augenschein zu nehmen. Innerhalb dessen hält David Ginnuttis (Europa-Park) einen Gastvortrag und findet eine Exkursion im Phantasialand mit dortiger Arbeit am Gegenstand statt. 

Sommersemester 2022

Pornopoetik (Madita Oeming)

Pornos als Forschungsgegenstand der Medienkultur- und Textwissenschaften: Einblicke in die historische Entwicklung der Pornografie und ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung bietet im Sommersemester 2022 Privatdozentin Madita Oeming den Studierenden der Kulturpoetik. Schließlich handelt es sich auch bei Pornos um eine breit konsumierte Textfülle, die sowohl Vorstellungen von Sexualität prägt, gesellschaftliche Konstrukte reproduziert und auch Gegenentwürfe präsentiert. Wie also sprechen, denken und forschen wir zu diesem Gegenstand unserer Alltagskultur?

Wir freuen uns, dass wir Madita Oeming für ein Gastseminar an der Universität Münster gewinnen konnten!

Am 15.08.2023 ist im Rowohlt-Verlag Madita Oemings Publikation "Porno. Eine unverschämte Analyse" erschienen.

Sommersemester 2020
Wie Schreibt Man
© Katharina Ueßling

Wie schreibt man Dähmukrati?

Gegenwartslyrik und Demokratie – darum ging es im SommerZoomSemester 2020 in einem Seminar des Masterstudiengangs Kulturpoetik der Literatur und Medien des Germanistischen Instituts der Universität Münster (Seminarleitung: Dr. Mirjam Springer). Das Seminar ist Teil des Internationalen „Festivals der Demokratie“, das im November 2020 im Theater im Pumpenhaus (Münster) hätte stattfinden sollen und nun auf Oktober 2021 verschoben ist. Gerade die Postpoplyrik der Gegenwart erweist sich mit ihrem ausgeprägten, durch die digitale Revolution verstärkten Archivbewusstsein immer wieder als an der Kritischen Theorie gemahlener „Sand im Getriebe der eingespielten ökonomischen und gesellschaftlichen Mechanismen“, als „Versuchslabor für Entscheidungs- und Urteilsfindung“ (Christian Metz). Viele aktuelle Gedichte machen eine Phalanx von Herausforderungen für die Demokratie sichtbar: unverrottete faschistische Bodensätze, ungebremster Anthropozentrismus, Selbstausbeutung bis zur totalen Erschöpfung, medialer Overkill. Dagegen setzen sie die Genauigkeit des Blicks, der Sprache, zugleich eine produktive Unschärfe. Nach der intensiven Lektüre ausgewählter ‚Lyrik von Jetzt‘ (u.a. Uljana Wolf, Katharina Schultens, Sabine Scho, Monika Rinck, Jan Wagner) entstanden im Seminar eigene lyrische Texte und Videos, die seit dem 31.10.2020 hier zu sehen sind [mit Untertitel-Funktion] oder über die Festivalseite (Werkstatt Demokratie).

Wir bedanken uns bei allen, die an diesem Projekt mitgewirkt haben.

Public Matters 33
© LWL / Sabine Ahlbrand-Dornseif

Tagung

Der Masterstudiengang Kulturpoetik der Literatur und Medien zu Gast im Lichthof des LWL-Museums am 3. und 4. Oktober

Die Postmoderne, sollte es sie je gegeben haben, ist zu Ende. Wo manche gleich die Geschichte mitverabschieden, wird andernorts weiter Gegenwart produziert. Mit deren Charakter hat sich der Studiengang Kulturpoetik der Literatur und Medien im Rahmen eines Oberseminars bei Prof. Dr. Moritz Baßler sieben Semester lang auseinandergesetzt. Nun präsentieren Studierende und Promovierende die Ergebnisse dieser Debatten im Lichthof des LWL-Museums einer Öffentlichkeit. Am 3. und 4. Oktober werden alternative Epochenkonzepte sowie die Krisen und Revivals von Phänomenen wie Heimat, Pop oder Humanismus betrachtet. Dabei geht es aber vor allem um die Romane, Songs, Performances und TV-Serien, an denen Veränderungen im Diskurs spürbar werden. Im Zentrum steht stets die Frage, die sich 2013 schon David Bowie stellte: Where are we now? Mögliche Antworten darauf sind:

In der Post-Ironie. Der postmoderne Spaß ist aus, nun geht es mit David Foster Wallace gesprochen wieder darum „what it is like to be a fucking human being“. Alles also wieder auf null, zurück zu Naivität, Eigentlichkeit und Aufrichtigkeit? In Romanen wie Taipei von Tao Lin und Songs wie Seasons von Future Islands kollidieren jedenfalls Superfood-Smoothie und MDMA, Synth-Pop und Südstaaten-Romantik, Avantgarde und Wildwuchs – und laden gerade damit zur Diskussion ein.

Im Post-Pop. Aus be here now wird been there then - der Pop hat seinen emphatischen „Weiter“-Imperativ verloren. Anstelle dessen prägen Pop-Musik und -Literatur jetzt Archivierung, Musealisierung oder Historisierung. Der Musikjournalist Simon Reynolds spricht hierbei von „Retromania“, eine Bewegung ohne jede Zukunftsmöglichkeit, immer auf die Vergangenheit gerichtet. Im Fokus dieses Blocks stehen Stuckrad-Barres Panikherz sowie Musik von der Antilopen Gang und Pilz.

In der Heimat. Während die Welt um uns herum komplexer und undurchschaubarer wird, bieten Genres wie der Heimatfilm einen Hort der Sicherheit und der positiven Identifizierung. Außerhalb der seligmachenden Eindeutigkeiten der Fiktion erfährt der Begriff ‚Heimat‘ dagegen einen Politisierungsschub. Schlagerstars wie der selbsternannte Alpenrocker Andreas Gabalier reichern ihre Texte mit rechtskonservativen Gedanken an und tendenziell linke Autor*innen wie Saša Stanišić oder Juli Zeh suchen in ihrer Literatur ganz bewusst die zahlreichen Widersprüche auf, die der Begriff ‚Heimat‘ mit sich bringt.

Im Post-Humanismus. Frei nach Donna Haraways utopischer Forderung „Make kin, not Babies!“ verwirft diese Strömung den Subjektentwurf des Humanismus und lotet aus, was passieren könnte, wenn der (alte, weiße) Mensch seine Vormachtstellung verliert. Die möglichen Szenarien manifestieren sich in den dystopischen Musikvideos der Künstlerin Grimes, wo sich die Menschheit einer Artificial Intelligence unterordnet, ebenso wie in Spike Jonzes Sci-Fi-Romanze Her und Dietmar Daths Roman Die Abschaffung der Arten.

Programm:
Samstag, 3. Oktober
13 Uhr Begrüßung: Prof. Dr. Moritz Baßler
13.15 Uhr Post-Ironie: Holger Grevenbrock, Mingchun Xu, Jannes Tatjes, Katharina Scheerer
14 Uhr Diskussion
14.45 Uhr Pause
15.45 Uhr Post-Pop: Sebastian Berlich, Frederik Tebbe, Michael Boch
16.30 Uhr Diskussion
17.15 Uhr Ende

Sonntag, 4. Oktober
10 Uhr Heimat: Holger Grevenbrock, Lena Brinkmann, Marina Uelsmann
10.45 Uhr Diskussion
11.30 Uhr Pause
12.30 Uhr Post-Humanismus: Katharina Scheerer, Sebastian Berlich, Prof. Dr. Moritz Baßler
13.15 Uhr Diskussion
14 Uhr Ende

Der Besuch der Veranstaltung ist kostenlos. Aufgrund der Corona-Pandemie ist jedoch eine Anmeldung unter https://bit.ly/LWLMKK-Online-Tickets erbeten (möglich ab 21.09.2020). Kurzentschlossene können am jeweiligen Veranstaltungstag Karten an der Museumskasse erhalten.

 

Kontrollmaschinen Poster
© Julius Noack

Workshop

Am Freitag, den 29.11., und Samstag, den 30.11.2019, findet am Germanistischen Seminar der WWU Münster ein Workshop zur Dispositivtheorie des Computerspiels statt. Alle Interessenten sind herzlich eingeladen, eine Anmeldung ist nicht nötig. Der Workshop wird von der Universitätsgesellschaft Münster e.V. finanziert.
Kontakt: christopher.lukman@wwu.de

„Die Kontrollgesellschaften sind dabei, die Disziplinargesellschaften abzulösen“, schreibt Gilles Deleuze bereits im Jahr 1990 (dt. 1993: 255), noch bevor der Whistleblower Edward Snowden NSA-Akten zur weltweiten automatisierten Überwachung veröffentlichte und die Algorithmen der sozialen Netzwerke neue Formen des personalisierten Marketings erfanden. Digitale Netz- und Speichermedien stehen heutzutage grundsätzlich in Verdacht, Instrumente der Überwachung und Kontrolle zu sein. Digitalen Spielen kommt in diesem Kontext eine Schlüsselrolle zu, weil sie mittels ästhetischer Erfahrungen veranschaulichen, was es heißt, Subjekt bzw. Objekt von Kontrolle zu sein. Jedes Computerspiel macht den Spieler zu einem Teil seines informationstechnologischen Systems, sodass sich dessen Handlungen nur in prädisponierten Algorithmen abspielen können. Ein Computerspiel zu spielen, bedeutet deshalb ein Datensystem nachzuvollziehen und aus dessen Input-Output-Schleifen eine Gewinnstrategie zu entwerfen. Nach dem Medienphilosophen Alexander Galloway besteht das Spielen des Strategiespiels Civilization III (US 2001, Fireaxis Games) nicht etwa in der Simulation von historischen Situationen, sondern in der Interpretation von Algorithmen:

„The game is […] learning, internalizing, and becoming intimate with a massive multipart, global algorithm. To play the game means to play the code of the game. To win means to know the system. And thus to interpret a game means to interpret its algorithm“ (Galloway 2006: 91).

Laut Galloway stellen alle Computerspiele Allegorien der Kontrolle dar, weil sie dem Spieler jene informationelle Codes beibringen, durch welche die Kontrollgesellschaft funktioniert. Demnach muss auch der Spieler zuallererst als ein ‚Operator‘ (Galloway 2006b) angesehen werden: ein Anwender einer Software, die ihn gleichzeitig kontrolliert, anleitet und ermächtigt. In den Algorithmen liegt somit eine politische Ideologie, die im Spielmaterial sichtbar wird.
Anhand von Computerspielen lässt sich deshalb skizzieren, was Deleuze im Sinn hat, wenn er schreibt, dass „man in den Kontrollgesellschaften nie mit irgendetwas fertig wird: Unternehmen, Weiterbildung und Dienstleistung sind metastabile und koexistierende Zustände ein und derselben Modulation“ (Deleuze 1993: 257). Auch Computerspiele sind seit ihrer Entstehung dieser ‚Modulation‘ unterworfen: Wirtschaftssimulationen machen ökonomische Prinzipien spielbar, Strategiespiele ahmen militärische Strukturen nach und auch Rätselspiele trainieren das Spielsubjekt in rationalen Logiken. Noch allgemeiner gesagt, geht es in fast jedem Computerspiel um das Managen von Ressourcen, Leistungsoptimierung und Wettbewerbsfähigkeit. Wer die Algorithmen des Spiels erlernt, beweist nicht nur, ein guter Spieler zu sein, sondern ebenfalls sich typisch neoliberale Tugenden angeeignet zu haben. Die koexistierenden Zustände des neoliberalen Subjekts drängen in die vermeintlich private und schöpferische Sphäre des Spiels: ‚Ludocapitalism‘ nennen die US-amerikanischen Historiker Nick Dyer-Witherford und Greig de Peuter (2009) ein solches Regime, um die mannigfaltigen, inneren Wahlverwandtschaften zwischen dem Ludischen und dem Kapitalistischen zu beschreiben. Im Kontext der deutschen Medienwissenschaft werden die eben skizzierten Überlegungen anschlussfähig für die Theorie der Mediendispositive, die noch nicht abschließend für die Medienapparate des Computerspiels ausgearbeitet wurde. Als Kopplungen von Wissen und Macht determinieren Dispositive Form, Praxis und Zirkulation von Medienprodukten, sie beschwören Hegemonien und Subjektivitäten herauf und antworten auf spezifische ‚Notstände‘.

Wie lässt sich also von Computerspielen als Kontrolldispositiven sprechen? Welche Hegemonien und Subjektbegriffe sind in Computerspielen nachweisbar; auf welche realpolitischen Notstände vermag es zu antworten und wie lässt es sich in die bereits existierende Forschung zur Kontrollgesellschaft eingliedern?
Dabei sollen gleichzeitig Fragen mitverhandelt werden, die die Medialität und Epistemologie des Computerspiels betreffen. Sind die Kontrollpraktiken des Spiels nur vor dem Hintergrund seiner Digitalisierung zu denken? Wie sehr sind auch nicht-digitale Spiele bereits mit Machtdiskursen behaftet? In welchen Fällen lässt sich die Sphäre des Spiels sinnvoll von der Sphäre der Arbeit trennen? Und letztlich: In welchem Rahmen ist das Kritische, das Dissidente und Utopische für Medien der Kontrollgesellschaft denkbar?

Ablaufplan:
Alle Vorträge sind 30 Minuten lang, hinzu kommen 15 Minuten Diskussionszeit.

Freitag, der 29.11.2019, im Seminarsaal der Germanistischen Bibliothek
Panel I: Für eine Dispositivtheorie des Computerspiels
14:00 – 14:45 Uhr Christopher Lukman (Münster): Jenseits der Kontrolle? Hegemoniales und Minoritäres im Computerspiel
14:45 – 15:30 Uhr Dr. Tanja Gnosa (Koblenz): (Medien-)Dispositiv. Einleitende Bemerkungen zu einem schillernden Begriff
– 30-minütige Pause –

Panel II: Wissensordnungen des Spiels
16:00 – 16:45 Uhr Prof. Dr. Jan Distelmeyer (Potsdam): Programmatisches Spielen. Für eine Kritik der Computerisierung
16:45 – 17:30 Uhr PD Dr. Robert Matthias Erdbeer (Münster): Modellkontrolle. Aspekte ludischer Deutung
– 30-minütige Pause –

Panel III: Technologien des Spiels
18:00 – 18:45 Uhr Dr. Martin Hennig (Passau): Watch Dogs und die Heterotopie der Überwachung. Motive, Strukturen und Funktionen überwachter Welten in digitalen Spielen
18:45 – 19:30 Uhr Dr. des. Léa Perraudin (Weimar): Technologien der Playfulness
– gemeinsames Abendessen –

Samstag, der 30.11.2019, im Vom-Stein-Haus 116
Panel IV: Über Kontingenz und Zukunft
9:30 – 10:15 Uhr Dr. Serjoscha Wiemer (Paderborn): Unvorhersehbar(?): Zum Konzept des Spiels als Medium geregelter Kontingenz
10:15 – 10:45 Uhr Prof. Dr. Rolf F. Nohr (Braunschweig): ‚Planung auf die Zukunft‘. Steuerungs- und Kontrollphantasien im Planspiel der 1970er Jahre
– 30-minütige Pause –

Panel V: Zur Epistemologie ludischer Dispositive
11:15 – 12:00 Uhr Dr. Felix Raczkowski (Bayreuth): Mit der Bürokratie spielt man nicht. Über Metaphern und ihre Grenzen
12:00 – 12:45 Uhr Dr. Anne Dippel (Jena) / Prof. Dr. Sonia Fizek (Stuttgart): Out of Control: Digital Games as Surrounding Media

Literaturverweise:
Deleuze, Gilles (1993): Postskriptum über die Kontrollgesellschaften. In: Gilles Deleuze: Unterhandlungen. 1972 - 1990. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 254–262.
Dyer-Witheford, Nick; Peuter, Greig de (2009): Games of empire. Global capitalism and video games. Minneapolis, Minn.: University of Minnesota Press (Electronic mediations, v. 29).
Galloway, Alexander R. (2006): Allegories of Control. In: Alexander R. Galloway: Gaming. Essays on algorithmic culture. Minneapolis: University of Minnesota Press (Electronic mediations, 18), S. 85–106.
Galloway, Alexander R. (2006b): Gamic Action, Four Moments. In: Alexander R. Galloway (Hg.): Gaming. Essays on algorithmic culture. Minneapolis: University of Minnesota Press (Electronic mediations, 18), S. 1–38.
 

Sex Revolts Lay
© Ventil

Sex Revolts

Simon Reynolds hat Phänomene wie Rave, Glam-Rock oder Post-Punk archiviert, mit den Thesen seines Buches »Retromania« den Pop-Diskurs der ausgehenden Dekade maßgeblich geprägt und zählt zu den wichtigsten Pop-Theoretiker*innen der Gegenwart. »Sex Revolts«, eines seiner weitsichtigsten Bücher, schrieb er bereits Mitte der 90er Jahre mit seiner Partnerin Joy Press: Gemeinsam untersuchen sie die Chauvinismen des Rock und die Marginalisierung von Künstlerinnen, zeichnen jedoch auch die Gegenbewegungen nach. Bis heute ist dieses Spannungsverhältnis zwischen Emanzipation und Konservatismus nicht nur auf mehrheitlich männlich besetzten Festivalbühnen spürbar, was das Erscheinen der deutschsprachigen Erstübersetzung im Ventil Verlag umso begrüßenswerter macht. Ergänzt wird diese um exklusive Kapitel, die die Geschichte um Feminismen im Pop seit dem Erscheinen des Buchs in den USA weitererzählen.

Ort: SpecOps, Von-Vincke-Straße 5, 48143 Münster
Datum: 20.11.2019, 20:00 Uhr
Der Eintritt ist frei.

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© The Punk Singer

The Punk Singer: A Film About Kathleen Hanna

Neue Filmreihe im Cinema Münster von Die Linse. Den Auftakt macht am 12. November um 20.30 Uhr eine Dokumentation über eine der wortgewaltigsten Ikonen des jüngeren Feminismus. Als Performerin, Designerin, Sängerin von Bikini Kill, Le Tigre und The Julie Ruin formte Kathleen Hannas Stimme die Kultur der Riot-Grrrls mit, griff Machismus im Punkrock an und durchbrach patriarchale und paternalistische Selbstverständlichkeiten der Szene. Der Film begleitet Hanna bis zu ihrer Erkrankung an Lyme-Borreliose, die sie zeitweilig zum Rückzug aus der Szene zwingt. Interviews mit anderen Musiker*innen aus Hannas Umfeld runden die Dokumentation ab.

„Revolution Girls Style Now", nicht weniger forderten die Riot Grrrls Anfang der 1990er-Jahre ausgehend von Olympia, Washington. Im Riot-Grrrl-Manifest forderten sie Platten, Bücher und Zines, die sie ansprechen – und kümmerten sich kurzerhand selbst darum! Anna Seidel, Literaturwissenschaftlerin und Kulturpoetin aus Münster/dem Ruhrgebiet, wird einführend dazu sprechen.
Tickets und weitere Infos unter: Cinema Münster
 

Harawayposter
© GfK 2018 / Christopher Lukmann

Ränder und Konturen des Chthuluzäns

Donna Haraway, weltweit bekannt geworden durch ihr "Cyborg Manifesto" (1985), verbindet seit langem auf eine aufregende, ja lustvolle Art Postmoderne, Feminismus und Futurismus. 'Das Beste an ihren Texten sind aber die Fußnoten', sagt ihre Übersetzerin, die österreichische Kunstprofessorin Karin Harrasser. Und in der Tat: Fußnoten sind ein unterschätztes, ja bedrohtes Gut, das finden wir auch. Und so entstand die Idee einer Fußnotenlesung aus Haraways neuestem Buch - eine Veranstaltung der Kulturpoetik Münster.
Die Veranstaltung findet am 3. Juli um 19 Uhr im Cafe SpecOps network, Von-Vincke-Straße 5, 48143 Münster, statt.
 

Franzi Mit Gruppe
© Elisabeth Zimmermann

Kulturpoetik als Dramaturgie

“Dramaturgy is always concerned with the conversion of feeling into knowledge, and vice versa. Dramaturgy is the twilight zone between art and science.”

Das Zitat der Dramaturgin Marianne van Kerkhoven schmückte am Pfingstmontag in weißer Kreide den schwarzen Tanzboden der Studiobühne. Obwohl die Schrift in den folgenden Tagen unter Schuhsohlen und Stuhlbeinen, Stellwänden und Flipcharts verwischen würde, begleitete der Satz die Seminargruppe rund um die Zirkuswissenschaftlerin Dr. Franziska Trapp über die Woche hinweg. Im Rahmen des Projektes „Circus Dramaturgy on the Boder between Art and Academia“ trafen die niederländische Tall Tales Company und der bildende Künstler Don Satijn auf Studierende der Kulturpoetik, um erstmalig die Grenzen zwischen zeitgenössischem Zirkus und Wissenschaft zu überschreiten. Vier Tage lang arbeitete die Gruppe an dem aktuellen Stück „Square One“, dass das Jonglage-Trio zurzeit gemeinsam mit Don Satijn entwickelt. Am Freitagabend wurde das Ergebnis der Münsteraner Öffentlichkeit präsentiert.

„Wer gelernt hat, auf der Höhe der Komplexität eines Schiller-Dramas, einer Keller-Novelle oder expressionistischer Lyrik zu lesen, der ist bestens gerüstet, auch andere kulturelle Gebilde wie Pop-Musik, Computerspiele und eben auch Zirkusstücke zu ana-lysieren“, so lautet das Plädoyer der Kulturpoetik. Welche Relevanz aber hat diese Lese-Fähigkeit im Prozess der Text-Produktion? Diese Frage nach dem Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die kulturelle Praxis bot den Ausgangspunkt für das einwöchige Experiment an der Studiobühne, bei dem ein Masterseminar mit der Künstler*innenresidenz der Tall Tales Company verknüpft wurde . Vier internationale zeitgenössische Zirkusartist*innen bekamen Gelegenheit, an der Studiobühne der WWU an der Weiterentwicklung ihrer Produktion "Square One" zu arbeiten. Die Studierenden der Kulturpoetik standen ihnen dabei als Dramaturg*innen zur Seite. Anliegen war es, das sich im Produktionsprozess befindende Stück mithilfe der kulturpoetischen Lektüremethoden zu analysieren, die Analyseergebnisse mit den Künstler*innen zu diskutieren und das Stück anhand dieses Feedbacks weiterzuentwickeln. Das Projekt verfolgte damit ein zweifaches Ziel: Zum einen bekamen die Zirkusartist*innen während der einwöchigen Residenz ein intensives Feedback aus dem „akademischen Blickwinkel“, auf das sie unmittelbar reagieren können. Zum anderen erhielten die Studierenden nicht nur Einblicke in ein von Germanist*innen häufig angestrebtes Berufsfeld – die Dramaturgie –, sondern auch die Möglichkeit, die im Studium erlernten theoretischen Kenntnisse in der künstlerischen Praxis anzuwenden.

Während des Seminars wurde das Pionierprojekt mit einer Podiumsdiskussion auf eine (hochschul-)politische Ebene gehoben. Zu Gast waren mit Prof. Dr. Michael Quante und Dr. Dorothe Kienhues sowohl akademische Vertreter*innen, als auch Repräsentant*innen der deutschen Zirkusszene, namentlich Ute Classen und Johannes Hilliger.
Zum Abschluss des Seminars präsentierten die Tall Tales Company und Don Satijn das Stück. Die Westfälischen Nachrichten folgerten: „Square One“ ist ein hochmodernes und elegantes Zirkusstück, das die Frage nach der Vorhersehbarkeit menschlichen Lebens und Handelns facettenreich aufspießt.“
 

Poster Tagung Anthologieserie
© Philipp Pabst

Tagung Anthologieserie

Mit der Anthologieserie lässt sich seit einigen Jahren ein wiederaufkommendes Konzept in der Fernsehlandschaft beobachten. Anthologieserien wie American Horror Story (seit 2011), Fargo und True Detective (beide seit 2014) wird von Seiten der Presse, ganz im Sinne der Überbietungsdynamik des Feldes, ein das Fernsehen ‚revolutionierendes‘ Potenzial zugesprochen. Die Tagung setzt sich mit den neueren Anthologieserien auseinander, die komplexe narrative Strukturen ausbilden und fokussiert dabei Fragen der Historizität des Formats, ebenso wie terminologische Fragen in Bezug auf die bisherige Serialitätsforschung.
Die anthologische Form zeichnet sich durch distinkte, aber doch in Teilen äquivalente Geschichten aus. Erzählstränge werden nicht mehr über mehrere Staffeln hinweg ausgebreitet, sondern innerhalb einer Staffel oder Folge beendet und weitere Staffeln oder Folgen daneben gestellt. Dennoch setzt die Anthologieserie auf Verknüpfungen zwischen den einzelnen Geschichten, indem Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Erzählweise, Figurentypologie, Kamera- und Schnitttechnik, Soundelemente, wiederkehrender Motive oder Handlungsorte angeführt werden.
Das Spezifikum der seriell-anthologischen Erzählform liegt also in der Abgeschlossenheit und dem Variabilitätspotenzial, das sich nach jeder Staffel oder Folge ergibt. Damit reagiert sie auf ein integrales Problem des Seriellen: auf das Zu-Ende-Bringen der Narration. Die Beendigung einer Erzählung widerspricht der Fortsetzung als dem basalen Prinzip der Serie. Anthologieserien eröffnen eine Möglichkeit, von vorne herein die Abgeschlossenheit der Erzählung zu integrieren und trotzdem weiter zu erzählen.
Vor diesem Hintergrund hat die Tagung die Anthologieserie erstmals umfassend sowohl aus historischer wie systematischer Perspektive untersucht. Dabei standen folgende Fragen im Fokus:

Welche Formen des Anthologischen gibt es und wo liegen jeweils ihre Grenzen – gerade auch in Hinblick auf andere Serienformate? Wie lässt sich die Gattung terminologisch eingrenzen?
Auf welche Weise sichern Anthologieserien ihre Kohärenz? Beiträge können sich auf die Verfahren der Wiederholung und Variation beziehen und dabei fokussieren, welche Textelemente jeweils betroffen sind (Figuren, Handlungsorte, filmische Technik). Inwiefern sind diese verknüpfenden Elemente semantisiert oder auf Rezeptionsmuster hin modelliert?
Wie haben sich anthologische Strukturierungs- und Erzählweisen historisch ausgebildet? Lassen sich dabei Unterschiede, Gemeinsamkeit oder gar Übertragungsprozesse in verschiedenen Medien beobachten? Wo können Kontinuitäten oder Brüche in einer Gattungsgeschichte des Seriell-Anthologischen ausgemacht werden und welche Funktionen kommt dem Format jeweils zu?
Inwiefern entwerfen Anthologieserien neue Formen des Erzählens, welche Weltmodelle können hierbei beobachtet werden und lassen sich diese auf dezidiert kulturelle Problemhorizonte beziehen? Welche Rolle kommt dabei insbesondere dem Anthologischen zu?

Die Tagung wurde organisiert von Philipp Pabst (Münster), Felix Schallenberg (Jena) und Kilian Hauptmann (Passau).

Förderer der Tagung waren die Fritz-Thyssen-Stiftung und der Fachbereich Philologie der WWU Münster.

Workshop Aktivismus
© Anna Seidel

Akademie und Aktivismus

Schon im November traf sich auf Initiative von Anna Seidel (Westfälische Wilhelms-Universität) und Prof. Carrie Smith (University of Alberta, Edmonton) eine internationale Gruppe (Nachwuchs-)Wissenschaftlerinnen verschiedener Disziplinen im Festsaal der WWU, um sich in einem Workshop über Grenzen und Möglichkeiten von Aktivismus innerhalb der Akademie auszutauschen. Ziel war es, Akteurinnen zusammenzubringen, die beide Felder quasi in Personalunion vereinen, um mit ihnen diesen produktiven Zugang zu Wissensproduktion und -vermittlung für das eigene Arbeiten zu diskutieren.

Aktivismus innerhalb der Universität
Gehen Praktiken aus den Feldern Kunst und Aktivismus einigermaßen selbstverständlich einher, scheint aktivistische und akademische Arbeit nur schwierig vereinbar. Nicht zuletzt gilt für Wissenschaftler*innen das Objektivitätsprinzip gegenüber ihren Untersuchungsgegenständen. Dabei können auch in der Konfrontation von Akademie und Aktivismus Synergieeffekte zwischen den Sphären entstehen.
Wie politisch darf Universität sein? Und wie bewegen sich Wissenschaftler*innen sicher im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Objektivität und politischen Überzeugungen? Während des eintägigen Seminars erörterten die Teilnehmerinnen sowohl theoretische als auch praktische Herangehensweisen, um Akademie und Aktivismus gewinnbringend zu vereinen. Dabei standen insbesondere feministische Themen auf der Agenda.
Unter anderem ging es um eine kritische Befragung des Kanons, um eine Revision gar. Mit Goethe, Kant, Lynch, Lotman und Pynchon quellen die Bibliografien der Geisteswissenschaften noch immer über vor männlichen Autoren, Regisseuren, Philosophen und Wissenschaftlern. Viele Lektürelisten kommen weiterhin ohne weibliche Quellen aus. Ein Punkt, an dem akademischer Aktivismus ganz einfach ansetzen kann. Die Erweiterung des Kanons oder die Entwicklung von alternativen Lehrprogrammen öffnen den Blick für ein heterogenes Meinungsfeld und können bislang marginalisierte Stimmen hörbar machen. Doch ist das schon Aktivismus?

Aktivismus außerhalb der Universität
Eine weitere Frage im Feld von Akademie und Aktivismus ist die nach der Anschlussfähigkeit von Forschungsergebnissen für aktuelle politische Debatten. Welche Möglichkeiten haben Wissenschaftler*innen, ihre Forschung nicht nur unter Kolleg*innen zu verbreiten, sondern Ergebnisse bedeutsam für die Öffentlichkeit und – mehr noch – den politischen Diskurs zu machen? Schließlich soll Universität neben Forschung und Lehre auch den Wissenstransfer in die Gesellschaft sicherstellen. Doch ist der Anspruch an Objektivität, der an Wissenschaftler*innen gestellt wird, schwer einzuhalten, wenn schon eine enthusiastische Herangehensweise an den Forschungsgegenstand als Befangenheit gilt. Deshalb scheint es insbesondere in diesem Kontext wichtig, politische Überzeugungen offen anzusprechen und zu kommunizieren. Dies gilt insbesondere in Zeiten, in denen Politiker*innen wie Trump wissenschaftliche Ergebnisse offen diskreditieren und den Forscher*innen Meinungsmache unterstellen.

Klar zeigt sich, dass das Umfeld, in dem sich Akademie und Aktivismus bewegen, volatil ist. Durch regelmäßige Treffen und Workshops wollen die Wissenschaftler*innen das Thema in Zukunft bearbeiten und detailliert auf Fragen nach Strategien eingehen sowie Möglichkeiten diskutieren, um wissenschaftliche Themen auf die politische Agenda zu setzen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist bereits an anderer Stelle getan: Die Homepage https://digitalfeministcollective.net/, die unter anderem Carrie Smith mitinitiiert hat, zeigt Wege auf, feministische Praxis innerhalb der Universität umzusetzen.

Die Veranstaltung wurde durch das DAAD- und BMBf-geförderte Programm IP@WWU sowie durch das Büro für Gleichstellung der Westfälischen Wilhelms-Universität unterstützt.
 

Die Erzählungen der Spiele

Workshop zur Computerspielnarratologie
© Christopher Lukman

„The narrative analysis of computer games is still at its beginning. Few game scholars have sound knowledge of narratology and probably an even smaller number of narratologists are knowledgeable about computer games“, konstatierte Britta Neitzel vor einem halben Jahrzehnt. Seitdem haben sich die Karten neu gemischt. Die in den letzten fünf Jahren erschienenen Forschungsergebnisse dürfen hoffen lassen, dass die Computerspielnarratologie ihr Anfangsstadium überwunden hat, und nun praktikable Konzepte zur Analyse der Erzählformen in Games vorliegen. Der Workshop nimmt sich vor, diese Texte zur Diskussion zu stellen und gleichzeitig an dem von Neitzel erwähnten doppelten Defizit zu arbeiten und neben narratologischen Kenntnissen auch Kenntnisse von konkreten Spielbeispielen mitzuliefern. Bachelor- und Masterstudierende, die sich einen Einblick in wissenschaftliche Untersuchungen von Computerspielen verschaffen möchten, sind zur Veranstaltung ebenso herzlich eingeladen wie Forscher*innen der Literatur-, Medien-, Kulturwissenschaft – sei es mit oder ohne Spielerfahrung.

Art des Workshops:
Der zweitägige Workshop findet am Freitag, den 9.11.2018, von 14:00 bis 20:00, am Samstag, den 10.11.2018, von 10:00 bis 16:00, statt. Pro Tag werden je zwei Texte besprochen, dann folgt ein Spielsegment. Zuletzt rundet eine Keynote jeden Veranstaltungstag ab. Ein PDF-Reader wird bei Anmeldung an alle Teilnehmenden versandt. In den Sitzungen selbst werden Impulsreferate in die Diskussion einleiten. Die beiden gewählten Spiele (What remains of Edith Finch (2017) / 80 Days (2014)) thematisieren durch ihre Game Design-Entscheidungen das Erzählen selbst, sodass die Konzepte aus der diskutierten Sekundärliteratur an ihnen bestens erprobt werden können. Die beiden Keynotes der Gäste Dr. Martin Hennig und Dr. Jan-Noel Thon werden die diskutierten Ansätze in den Kontext ihrer Forschung setzen, um damit beispielhaft darzustellen, welche übergeordneten Fragen, Computerspielforschung beantworten kann.