Einleitung: Medien – Kultur – Wissenschaft. Zu interdisziplinären Synergiepotenzialen einer aktuellen Literaturwissenschaft

Stephan Brössel

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Medienkulturwissenschaft. Ein weitreichendes und komplexes wie gleichermaßen für die Literaturwissenschaft herausforderndes und bereicherndes Arbeitsfeld. Wurde im Zuge des Cultural Turn zunächst erkannt, dass Aufgaben, Gegenstände und Zusammenhänge außerhalb des genuinen philologischen Tätigkeitsbereichs ebenfalls von Relevanz für die eigene Theoriebildung und Interpretationspraxis sein können, zeigt sich schon bei einer oberflächlichen Sichtung der Lage, dass gegenwärtig noch immer nicht recht klar ist, worin der konkrete methodologische und heuristische Nutzen der (Medien-)Kulturwissenschaften für die Philologien besteht (vgl. Wünsch 2018: 102).

Dabei ist der Konnex zwischen den Teilfeldern ‚Medien‘, ‚Kultur‘ und ‚Literaturwissenschaft‘ ja zunächst unmittelbar einleuchtend, denn schließlich sind (literarische) Texte stets auch in mediale Kontexte (Buch, Journal, Internet usw.) eingebettet, die sie in ihrer Beschaffenheit charakterisieren, und stellen zudem als strukturierte und fixierte kommunikative Hervorbringungen immer auch Zeugnisse nicht allein individuell-persönlicher Welt- und Wirklichkeitswahrnehmung bzw. -verarbeitung dar, sondern immer auch der Zeit, der Kultur, die sie produziert. Doch Probleme ergeben sich nicht nur ausgehend von divergierenden Grundauffassungen über unser Fach– die für sich genommen schon diskussionswürdig sind (vgl. Titzmann 1990) –, sondern auch hinsichtlich der Begriffe ‚Medium‘ und ‚Kultur‘, die jeweils uneinheitlich verstanden und gebraucht werden – was im vorliegenden Fall die Sache erheblich erschwert. Und diese Unschärfe, so soll hier einleitend angerissen werden, ist ubiquitärer Natur.

So wird das Medium weitläufig nach technischen, funktionalen oder inhaltlichen Gesichtspunkten definiert, ferner nach den jeweiligen Möglichkeiten der Aufbereitung und Kommunizierbarkeit von Informationen und der Kommunikationssteuerung sowie schließlich nach spezifischen Effekten und Wirkungen. Medien stellen, um nur einige der prominentesten Positionen zu nennen, nach Marshall McLuhan ‚Ausweitungen‘ des menschlichen Körpers dar und organisieren Wahrnehmungsprozesse, sie „verlagern das Schwergewicht in unserer Sinnesorganisation oder die Gesetzmäßigkeiten unserer Wahrnehmung ständig und widerstandslos“ (McLuhan 1992: 30). Von McLuhan stammt auch die schillernde Aussage the medium is the message: Das Medium selbst, das seine Inhalte gestaltet und überhaupt wahrnehmbar macht, ist, so ließe sich überspitzt sagen, die eigentlich vermittelte Botschaft. Hier knüpft Neil Postman an, der das Medium ganz basal als Werkzeug kommunikativen Handelns auffasst und McLuhan insoweit ergänzt, als er dem Botschaftspostulat die Eigenschaft von Medien anfügt, „spezifische[] Realitätsdefinitionen“ (Postman 1992: 20), wie er sich ausdrückt, d. h. eigene Entwürfe von ‚Realität‘, vorzunehmen. In eine ähnliche Richtung – Körper, Wahrnehmung und Geschwindigkeit – weisen auch die Überlegungen von Paul Virilio oder die von Harry Pross, der primäre von sekundären oder tertiären Medien unterscheidet: Primär sind solche Medien ohne technische Hilfsmittel zu nennen (wie die natürliche Sprache oder non- und paraverbale Kommunikation), sekundär genau solche technischen Apparaturen zur Umsetzung von Mitteilungen (z. B. die Fotografie), tertiäre diejenigen, die, wie Radio und Fernsehen, eine „Mobilisierung von Technik erfordern“ (Hörisch 2004: 77). Auch die Kunst bleibt von diesen Überlegungen freilich nicht unberührt. Walter Benjamin konstatiert in seinen Gedanken zum Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, der Film zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe eine massive Veränderung der Daseinsweise und damit auch der Wahrnehmung zufolge, gerade weil er neue mediale Techniken nutzt und sich dies auf andere Künste auswirke und andersherum die Kunst auf die Nutzung der technischen Apparatur zugreife (vgl. Benjamin 2007: 15 u. 35 f.; Kloock/Spahr 2007: 19). Auch Friedrich A. Kittler spricht sich dafür aus, Texte stets auch auf ihre Medialität bzw. ‚Technizität‘ hin zu betrachten, denn Wissen sei medial fundiert (vgl. Kittler 1986: 5), es gehe demnach also um „die nachrichtentechnischen Bestimmungen von Literatur und Literaturwissenschaft“ (Kittler 1993: 149). Diese Einblicke geben zum Anlass, vom Medium zum einen als Basis zur Erzeugung, Fixierung und Reproduktion von Kommunikation zu sprechen, als Kommunikationsmittel des Menschen, zum anderen als einer an der Produktion von Bedeutung beteiligten Trägereinheit, eines Kanals oder einer Materialität, die a) die Organisation von Zeichen strukturiert und b) vermittels dieser Textstruktur kohärente und sinnhafte Informationen transportiert, die wiederum c) individuelle und/oder kulturelle Relevanz haben (vgl. Krah 2017: 59). Bezogen auf die angedeuteten Ansätze und mit Jochen Hörisch (2004: 62–80) gesprochen: Medien sind Körperextensionen, sind Interaktionskoordinatoren, Unwahrscheinlichkeitsverstärker, Speicherorte. Das Medium: ein Mittel, ein Vermittelndes, primär, sekundär oder tertiär eingesetzt, und im Alltagsgebrauch: ein Modewort.

Das gilt in ähnlicher Form für den anderen Teilbegriff. In dem Eingeständnis, dass Kultur in ihrer Geschichte wie auch in Alltagssprache und Wissenschaft „sehr unterschiedliche Phänomene“ (Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie: 391) bezeichnet, erscheint in den Geistes- und Sozialwissenschaften ein Verständnis konsensfähig, dem zufolge Kulturen als „Zeichen- und Symbolsystem konzipiert [werden], deren symbolische Ordnungen, kulturelle Codes und Wertehierarchien sich in kulturspezifischen Praktiken und Sinnstiftungsprozessen manifestieren“ (ebd.: 396). Kultur wäre demnach aufzufassen als die Gesamtheit selbstregulativ organisierter – lebensweltlicher und monumentaler (vgl. Assmann 1991: 11) – Handlungen und materieller Hervorbringungen eines raumzeitlich begrenzt situierten Kollektivs inklusive seiner Institutionen und der verfügbaren Ausdrucksmittel. Jenseits normativer Kulturbegriffe, wie sie in der Goethezeit geprägt worden sind, hat sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ein deskriptiver Begriff herausgebildet: „‚Culture, or civilisation, […] is that complex whole which includes knowledge, belief, art, law, morals, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society’” (vgl. Tylor 1870). Daran anschließend ist ‚Kultur’ auf vielfältige Weise und aus diversen fachwissenschaftlichen Perspektiven gefasst worden, so durch die Anthropologie, die Soziologie, Psychologie, Chemie, Biologie, Ökonomie, Geografie und Philosophie.1 ‚Kultur‘ kann u. a. (a) historisch gefasst werden, wenn bei ihrer Klassifizierung ausgegangen wird von „the sum total and organization of the social heritages which have acquired a social meaning” (Park/Burgess 1921). Sie kann ebenso (b) psychologisch konturiert werden: „The culture of people may be defined as the sum total of the material and intellectual equipment whereby they satisfy their biological and social needs and adapt themselves to their environment.“ (Vgl. Piddington 1957) Ferner (c) struktural, wie mit dem Konzept der Semiosphäre, das Jurij Lotman (in Anlehnung an Vernadskijs Begriff der Biosphäre) als ‚Zeichen-Raum’ auffasst und gleichermaßen als „Ergebnis und Voraussetzung der Entwicklung der Kultur“ (Lotman 2010: 165) definiert. Oder sie kann (d) genetisch begriffen werden, als „a summation of all ideas for standardized types of behavior“ (vgl. Kluckhohn/Kelly 1945).

Der in den 1990er-Jahren vielfach heraufbeschworene und mitnichten plötzlich eintretende2 kulturwissenschaftliche ‚Turn‘ blieb für die Philologien nicht folgenlos und zog eine substanzielle Neuausrichtung an kulturwissenschaftlichen Aufgabenstellungen nebst einer Revision bestehender methodologischer und theoretischer Dogmen nach sich. Im internationalen Kontext hat sich ausgehend von den Cultural Studies eine dezidierte ‚Kulturanalyse‘ entwickelt, mit dem Anspruch einer präzisierten Methodologie und mit interdisziplinärer Ausrichtung unter Einbindung bewährter Instrumentarien, wie etwa der Narratologie (vgl. Bal 2006). Im deutschsprachigen Raum gewann im Zuge der anthropologischen Wende einer nunmehr ethnologisch ausgerichteten Literaturwissenschaft die Metapher der ‚Kultur als Text‘ an Prominenz, mit deren Hilfe in Zeichen und Texten „Markierungspunkte des kulturellen Gedächtnisses“ (Bachmann-Medick 2004: 7) zu ermitteln angestrebt werden. Kultur in dieser Ausprägung wird, so Doris Bachmann-Medick, als die „Konstellation von Texten, die – über das geschriebene oder gesprochene Wort hinaus – auch in Ritualen, Theater, Gebärden, Festen usw. verkörpert sind“ verstanden, die ‚Kultur als Text‘ eröffne einen „Zugang zu den Selbstbeschreibungsdimensionen einer Gesellschaft“ (ebd.: 10), wobei auch Bachmann-Medick ausdrücklich auf die „Kooperationsperspektive“ (ebd.: 44) hinweist, mit der dieser Ansatz zu verfahren habe (vgl. auch aus kritischer Perspektive Wünsch 2018: 102 f.), etwa unter Rückgriff auf den New Historicism, der seiner Analyse die Gegenstandsebene einer „textualisierte[n] Lebenswelt“ voraussetzt, um kulturellen Codes und „kultureller Selbststilisierung“ (ebd.: 45) auf die Spur zu kommen.

Im Jahr 2008 – also auch schon vor über zehn Jahren – folgte schließlich eine von Ansgar und Vera Nünning herausgegebene Einführung in die Kulturwissenschaften, ein Überblicksband, der theoretische Grundlagen, Ansätze und Perspektiven näher zu bringen verspricht und in dessen Vorwort von „Hochkonjunktur“, „gestiegenem Stellenwert“ und gar von einem „regelrechte[n] Boom“ der Kulturwissenschaften in Anglistik, Amerikanistik, Germanistik und Slavistik die Rede ist. Es gehe darum, das Profil vorzustellen, Aufgabenfelder aufzurollen, Funktionsbestimmungen zu reflektieren, die Leitkategorien (Erfahrung, Sprache, Handlung, Geltung, Identität, Geschichte) zu rekapitulieren und Themen (Medien, Körper, Gedächtnis, Raum und Zeit) miteinander zu vernetzen. Was der Band somit zu leisten beansprucht, ist, neben einer „multiperspektivische[n] Einführung“ in die Perspektivenvielfalt und Pluralität kulturwissenschaftlicher Forschung (Nünning/Nünning 2008: 1) ein interdisziplinäres Programm mehrerer Schwerpunkte zu umreißen und für diese zu sensibilisieren, ein Programm unter anderem zu Kulturbegriffen und Kulturtheorien (Claus-Michael Ort), zur Kultursemiotik (Roland Posner), Kulturanthropologie (Doris Bachmann-Medick), Kultursoziologie (Rainer Winter), Xenologie (Alois Wierlacher/Corinna Albrecht), Geschlechterforschung (Renate Hof), Medienkulturwissenschaft (Siegried J. Schmidt) und zum New Historicism (Moritz Baßler).

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Das nun vorliegende Heft geht aus einem Seminar hervor, das im Sommersemester 2021 am Germanistischen Institut der WWU Münster durchgeführt wurde, und versammelt Beiträge zu Anschlussmöglichkeiten zwischen Kultur- und Literaturwissenschaft. Zugegeben: Alle hier angedachten Aspekte und Problemkomplexe in nur einem Semester unter einen Hut zu bekommen, ist ein ambitioniertes Unterfangen. Gleichzeitig sehen wir uns aber auch aktuell noch mit einer deutlichen Signatur der Literaturwissenschaft durch die Kulturwissenschaften konfrontiert – und müssen akuten Handlungsbedarf anmelden: Was leistet eine entsprechende Ausrichtung konkret für unser Fach, unser wissenschaftliches Denken und unsere Arbeitspraxis, wenn wir – wie etwa von Marianne Wünsch gefordert – unsere „klassischen Disziplinen“ erhalten und zugleich „interdisziplinäre Kooperationen“ (Wünsch 2018: 103) eingehen? Wo geht interdisziplinäre Kompatibilität tatsächlich auf? Wo entsteht synergetisches Potenzial? Diese Grundsatzfragen anzugehen, lag im hauptsächlichen Interesse.

Als Maßnahme erschien es uns vorderhand sinnvoll, das eigene Forschungsprogramm zu konturieren. Der Objektbereich des Interesses liegt in der Medienkultur verstanden als komplexer Interrelationszusammenhang, in dessen raumzeitlicher Rahmung Kommunikation und Wissensspeicherung und überhaupt all dasjenige zu zählen ist, das zum Zweck einer Selbstverständigung dieser Rahmung medial vermittelt und archiviert wird. Wir können unsere literatur- und filmwissenschaftliche Orientierung, unsere Präferenz und Perspektivierung vor diesem Hintergrund nicht leugnen: Der Hauptfokus ist – unserer Expertise entsprechend – auf diese Teilfelder ausgerichtet. Da mit Roland Posner grundsätzlich von der Annahme auszugehen ist, dass die „Semiotik […] die Einheit der kulturwissenschaftlichen Untersuchungsgegenstände nachweisen“ kann (Posner 1991: 53), soll auch hier der zugrundeliegende Kulturbegriff ein zeichentheoretisch konzipierter sein: Kultur ist ein sich reproduzierender Komplex bestehend aus „kodifizierten Systemen sinntragender Symbole und aus jenen Aspekten von Handeln, die sich […] auf Fragen der Sinnhaftigkeit dieser Symbole beziehen“ (Parsons/Platt 1990: 21). In diesem Verständnis resultiert ein solcher ‚Selbst-Reproduktionsmechanismus‘ oder Kulturmechanismus – wie ihn Bachmann-Medick andeutet und wie er bereits vorher von R. C. Thurnwald (1936–37) und von Lotman/Uspenskij (1977: 1 f. u. 39) lanciert und von Posner (1991: 55) fortgeführt wurde – aus dem Zusammenspiel von Zeichennutzern (Gesellschaft), kursierenden bzw. verfügbaren Mentefakten und Codes (Mentalität) und Artefakten und Texten. Kultur ist ein Zeichensystem (vgl. Posner 1991)3 oder ein System von Zeichensystemen (vgl. Eco 1977: 185) und speist sich aus der dynamischen Verschaltung von sozialer, mentaler und materieller Ebene (vgl. Posner 1991 u. 2008 u. Nies 2011). Medien in diesem Zusammenhang sind als technische, sinngenerierende Informationsträger sowie als Speicher- und diskursive Problemaushandlungsorte zu berücksichtigen, die je nach Ansatz verschieden perspektiviert werden können. ‚Texte‘ einer Kultur wären daher als „Medien gesellschaftlicher Selbstbeobachtung zu interpretieren“ (Ort 2008: 34). Dabei steht stets die Frage im Vordergrund, nach welchem ‚Programm‘ die Teilnehmer*innen eines Kollektivs ihr Wirklichkeitsmodell etablieren und perpetuieren (vgl. Schmidt 1994 u. 2000), sie ihre ‚Realität‘ konstruieren, wahrnehmbar und kommunizierbar machen und damit ‚Medien als Ethnographie‘ und als ‚kulturelles Erkundungsorgan‘ installieren (vgl. Ort 2008: 34). Medienkulturwissenschaft in unserem Verständnis wäre dementsprechend als Gesamtheit derjenigen Theorien und Methoden aufzufassen, die sich erkenntnisorientiert mit diesem Objektbereich beschäftigen (nach Schmidt sind dies die Sektoren Medienepistemologie, Mediengeschichte, Trans- und Interkulturalitätsforschung).

Was vor diesem Hintergrund im Folgenden versammelt vorliegt, ist nicht mehr und nicht weniger als ein Ausschnitt aus diesem Wissenschaftsfeld, wie er aus Sicht der germanistischen Philologie nutzbringend erscheint und erkenntnisgewinnend zur Anwendung gebracht werden könnte. Aufgabenstellung und Zielsetzung lagen in zwei Herausforderungen begründet:

  1. Sondierung der wesentlichen kulturwissenschaftlichen Teilfelder. Kann ein gegebener theoretischer Ansatz für unsere Arbeit von Nutzen sein, und wenn ja, inwiefern? Ausgehend von dieser Frage, galt es in einem ersten Schritt zu prüfen, welche Teilfelder der Kulturwissenschaft überhaupt mit denen der Literaturwissenschaft kompatibel sind, ob sich entsprechende Kategorien – mutatis mutandis – in unseren Arbeitsbereich transferieren lassen und welche Hürden dazu genommen werden müssten. Es galt also, innerhalb des Gesamtfeldes diejenigen Sektoren zu finden, die dieses Kriterium erfüllen, und sie von solchen zu scheiden, die dies nicht tun.
  2. Prüfung von interdisziplinären Schaltstellen. In einem zweiten Schritt stand der kritische Transfer von Instrumentarien, Frage- und Problemstellungen und Perspektivierungen in den literatur- und medienwissenschaftlichen Theorie- und Praxiskontext an. Hierbei war nicht nur die Prämisse leitend, genauestens auf den ‚Abrieb‘ bei Modifikationsprozessen zu achten, sondern zugleich auch komplementäre Synergien zu eruieren und die konkrete Erweiterung des eigenen Gegenstands- und Methodenbereichs zu klassifizieren.
  3. Exemplifikation am Beispiel. Wie schon in den zurückliegenden Heften mit theoretischer Schwerpunktsetzung, sind den Beiträgen auch im vorliegenden Band Illustrationsbeispiele beigefügt, an denen das erarbeitete Vokabular und Analyseinstrumentarium auf ihre Heuristik hin erprobt werden. Welche Perspektiven sich dabei ergeben und welcher Erkenntnisgewinn in Aussicht steht, ebendies war Sinn und Zweck der dritten Kernaufgabe.

Entstanden ist ein ertrag- wie aussichtsreiches Sammelsurium verschiedener Schwerpunktsetzungen, die anschaulich das Spektrum eines kulturwissenschaftlichen Synergiepotenzials vergegenwärtigen und Lust auf weiteres Forschen machen. Der Herausgeber dankt allen Beteiligten für das bereichernde Seminar und die Bereitschaft, auch über den Rahmen der Veranstaltung hinaus an dieser Ergebnissicherung mitzuwirken. Besonderer Dank gilt auch Eve Driehorst für die wertvolle redaktionelle Mitarbeit.

Münster, im Januar 2022

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1   Zu Kulturbegriffen des 20. Jahrhunderts vgl. Brackert/Wefelmeyer (1990).

2   So hat etwa Karlheinz Stierle bereits in den 1970er Jahren eine allgemeine Semiotik als Kulturwissenschaft beschrieben (vgl. Stierle 1975: 186–219). Marianne Wünsch spricht auch von einer „typischen hysterisch-hektischen Reaktion[]“ (Wünsch 2018: 103).

3   Posners Definition (1991: 39) kann hier flankierend angebracht werden: „Kulturen sind Zeichensysteme; sie erfordern von den Lebewesen die Fähigkeit zum Vollzug von Zeichenprozessen spezieller Art und bringen ihnen den Vorteil, daß sie bei der Bewältigung ihrer Lebensprobleme zusätzlich zu der durch den genetischen Kode vererbten Information auf die Lebenserfahrungen ihrer unmittelbaren Vorfahren und Zeitgenossen zurückgreifen können.“


Literaturverzeichnis

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Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Und weitere Dokumente. Frankfurt am Main 2007.

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Tylor, Edward B.: Researches into the Early History of Mankind and the Development of Civilisation. 2. Aufl. London 1870.

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