Teilprojekt 2

Wie ergebnisoffen sind randomisierte Studien bei Kindern? Eine retrospektive Analyse zur Realisierung der Equipoise

Projektleiter: Prof. Dr. Joachim Boos


Zusammenfassung

Aus Publikationen zu randomisierten Studien bei Kindern, aus Berichten zu Arzneimittelprüfungen bei Kindern unter der Supervision der FDA und aus Ergebnissen von randomisierten Studien, die in Münster durch die Ethikkommission beraten wurden, werden retrospektiv Daten zu Nutzen, Risiko und Belastung der randomisierten Therapieoptionen erhoben und die ex-ante Einschätzung der Equipoise den Ergebnissen gegenübergestellt.   
In der Summe werden diese Ergebnisse ein eindeutiges Licht auf die Frage werfen, ob die Randomisierung in einer klinischen Prüfung tatsächlich für den betroffenen Patienten eine ergebnisoffene Entscheidung herbeiführt, ob die wissenschaftlichen Vorarbeiten die Hypothesen von klinischen Studien in so hohem Maße begründen, dass der Patient mit höherer Wahrscheinlichkeit vom innovativen Therapiezweig profitiert – oder ob gar die Hypothesen in großer Zahl scheitern und für Patienten therapiekonservatives Verhalten im Kontrollarm vermehrt Risiken einschränkt. Zugang A wird dabei in hohem Maße auch wissenschaftsintendierte Studien der Versorgungsforschung (Therapieoptimierung) evaluieren während Zugang C vor allem rein industriell orientierte Arzneimittelprüfungen in den Mittelpunkt stellt.
Für die  ethische Frage der Verantwortbarkeit von Randomisierungen als derzeit zentralem wissenschaftstheoretisch begründetem Instrument der medizinischen Evidenzbildung werden die rein aus publizierter Praxis abgeleiteten Ergebnisse von großer Bedeutung sein.
Das Teilprojekt wird gemeinsam vom Funktionsbereich „Experimentelle Pädiatrische Onkologie“ der Kinderklinik und vom Kinder-Modul am KKS Münster durchgeführt. Dort besteht die entsprechende Qualifikation in Hinblick auf Studienmethodik und Literaturbewertung und der unabwendbar durch das Projekt auch erzielte Lerneffekt kommt über die zentrale Rolle des KKS der künftigen Beratung und Studienqualität der Fakultät und den sonstigen kooperierenden Gruppen zu. An der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin wurde von 1994 bis 2002 im Rahmen des Gesundheitsprogramm 2000 der Schwerpunkt „Klinische Pharmakologie als kooperative Aufgabe“ gefördert. Im Rahmen dieses Förderschwerpunktes beschäftigte sich die Arbeitsgruppe mit Fragen der klinischen Pharmakologie und der Arzneimittelentwicklung für Kinder. In logischer Konsequenz schloss sich eine Förderung eines Pädiatrischen Moduls des Koordinierungszentrum Klinische Studien an, für das der Antragsteller die Initiative und Verantwortung trägt, in dem vor allem klinische Arzneimittelentwicklung durch Arzneimittelgesetz-konforme klinische Prüfung bei Kindern praktisch durchgeführt und methodisch weiterentwickelt werden soll. In diesem Zusammenhang berät das KKS in großer Zahl Initiatoren von Studien und besonders auch von Studien für Kinder und übernimmt auch Sponsorverantwortung für randomisierte Studien bei Kindern. Der Projektleiter vertritt die pädiatrische Gesichtspunkte in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien (off-label-Kommission des BfArM, Expertengremium Kinderarzneimittel des BfArM, Pediatric Oncology Task Force von EMEA und FDA, Kommission Klinische Studien der Deutschen Krebsgesellschaft, Kommission Arzneimittelsicherheit der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft.). Die in diesem Projekt gestellte Frage berührt im Kern die ständigen Entscheidungsprozesse dieser Gremien. Selbst wenn methodische Schwierigkeiten im Projekt auftreten und klare statistische Aussagen fehlen sollten, wird die Auseinandersetzung mit dieser Frage und die in jedem Fall zumindest deskriptiv mögliche Analyse durch die Einbindung direkt in die Arbeit dieser Gremien einfließen.
Gerade vor dem Hintergrund, dass nun auch in Europa mit der EU-Regulation „Medicines for Children“ die Arzneimittelentwicklung und klinische Prüfung für Kinder systematisch stimuliert wird (http://pharmacos.eudra.org/F2/Paediatrics/index.htm) und mit dem MICE-Programm dabei spezifisch finanzielle Förderinstrumente bereitgestellt werden, werden die im Projekt erarbeiteten Ergebnisse einen wesentlichen Beitrag leisten und eine Lücke der Studienbeurteilung füllen, in der derzeit eher Gefühl und nicht Wissen die Entscheidungen bestimmen. Während (s.o.) doch tausende von Studien publiziert wurden und Kinder inzwischen in großer Zahl auch in die Vorteile systematischer, altersbezogener Forschung kommen, finden sich zur Suchstrategie „clinical trial AND equipoise AND child“ in der Datenbank der National Library of Medicin gerade mal 3 Literaturstellen (Lambert et al. 2003; Morris et al. 2000; Toroyan et al. 2000). Gerade bei Studien mit Kindern wäre ein Beitrag zur offenen Diskussion, zur Verbesserung von Studienkonzepten und Informationsdokumenten und letzlich auch zur Partizipation der betroffenen Kindern und Familien an Studienentscheidungen im Sinne der Community Equipoise (Karlawish/Lantos 1997) ein wichtiger Schritt hin zu Studien mit und für Kinder im gesellschaftlichen Konsens.