Byzantinistik

Byzanz - dabei mag der eine an Ikonen denken, an goldglänzende Kirchen und an Weihrauchduft, der andere an Speichelleckerei und Intrigen, wie sie am Kaiserhof in Konstantinopel üblich gewesen sein sollen. Daß die geschichtliche Wirklichkeit in jeder Hinsicht vielschichtiger war, erfährt, wer sich mit Byzanz näher befaßt.

Byzantinistik vermittelt die Kenntnis der Kultur des oströmischen Reiches, dessen Bewohner sich selbst als Römer verstanden und die wir "Byzantiner" nennen. Den Beginn der byzantinischen Epoche setzen wir gewöhnlich in die Regierungszeit des Kaisers Konstantin, der im Jahre 330 die politische Hauptstadt des römischen Reiches von Rom nach dem alten Byzanz verlegte und es in Konstantinopel umbenannte; zum geistigen Mittelpunkt des Reiches bestimmte er Jerusalem. Ein Jahrtausend lebte das byzantinische Reich, bis Konstantinopel 1453 durch die Türken erobert wurde.

Die byzantinische Kultur fiel weder im Jahre 330 vom Himmel, noch verschwand sie 1453 von der Erdoberfläche. Sie ist eingebettet in die griechisch-römische Kultur und lebt von der Auseinandersetzung, die das Christentum, dem Judentum nachfolgend, mit diesem Erbe führte. Die zwei Teile des Römischen Reiches bildeten unabhängig von deren politischem Bestehen bis in das Mittelalter eine kulturelle Einheit, deren Wirkung sich auch auf die angrenzenden Länder erstreckte; sie reichte von Äthiopien im Süden bis zur nördlichen Schwarzmeerküste im Norden und umfaßte im Osten die Kaukasusländer Georgien und Armenien. Politische Ereignisse oder geistesgeschichtliche Entwicklungen - etwa das Vordringen der Perser oder die Entstehung des Islam aus einem orientalischen Christentum stark jüdischer Prägung - führten zu ihrer Auflösung, die Missionierung der Slaven zu neuen Erweiterungen. Die sich verselbständigenden Teilgebiete bewahrten das gemeinsame Erbe oder bildeten es mit unterschiedlicher Intensität um. So weist jede kulturelle Erscheinung eines dieser Gebiete einen zweifachen Charakter auf. Einerseits ist sie Zeugnis der Kultur des jeweiligen Gebiets; andererseits stellt sie den Reflex jener ursprünglich einheitlichen Kultur der Völker des Mittelmeerraums dar, deren Ausstrahlungsmitte die östliche Hälfte des Römischen Reiches gewesen war.

Warum ist es sinnvoll, die byzantinische Kultur zu kennen und zu erforschen? Dafür gibt es eine Menge guter Gründe, zwei seien hier genannt: Erstens, weil Byzanz für uns die wichtigste Vermittlerin der heidnisch-antiken, der jüdischen und der christlichen Geisteswelt griechischer Sprache ist; daß uns zum Beispiel die Tragödien des Aischylos, die Werke des jüdischen Philosophen Philon von Alexandria und Schriften des ältesten Christentums wie das Neue Testament in ihrer Urfassung erhalten geblieben sind, verdanken wir allein den byzantinischen Gelehrten. Ein zweiter Grund: politische Vorgänge unserer Zeit im östlichen Mittelmeerraum und in Osteuropa sind oftmals Folgeerscheinungen geschichtlicher Entwicklungen während der byzantinischen Zeit; vor diesem Hintergrund können sie besser verstanden werden.

Die Byzantinistik, ein verhältnismäßig junges Fach, gehört zu den wenigen Fächern, die noch keine Spezialisierung erfahren haben und in denen eine Kultur noch in der Gesamtheit ihrer Äußerungen untersucht wird; der Zugang zum Verständnis der byzantinischen Kultur wird ebenso durch die Analyse literarischer Zeugnisse versucht wie durch die Erforschung der Denkmäler der Archäologie und der Kunst, wobei jeder im Verlauf des Studiums die ihm gemäßen Schwerpunkte setzen wird. Grundsätzlich wird dabei ein fächerübergreifendes Arbeiten. angestrebt. Von besonderer Bedeutung erscheinen in diesem Zusammenhang die Nachbardisziplinen Slavistik, christliche Archäologie, Kunstgeschichte, Theologie, Koptologie und Judaistik.


 

Für das Studium der Byzantinistik sind Kenntnisse des Altgriechischen sowie des Mittel- und des Neugriechischen erforderlich. Vorausgesetzt werden des weiteren Kenntnisse in Latein, Englisch, Französisch und möglichst einer slavischen Sprache.

Mögliche Berufsziele sind u.a.: Hochschullaufbahn, Bibliothekar, Archivar, Verlagslektor, Journalist, Tätigkeit in der Erwachsenenbildung.

Als Abschlüsse sind der Master of Arts M.A., Magister Artium sowie die Promotion (Dr. phil.) möglich.


Das Institut unterstützt Studierende bei der Planung eines ERASMUS-Aufenthaltes, insbesondere nach Griechenland.