Forschung in der AG Tierökologie

  • Räumliche und zeitliche Biodiversitätsdynamik

    Ein besonderer Schwerpunkt unserer Forschungen liegt in der Analyse von Biodiversitätsveränderungen im Zuge des globalen Wandels. Hierbei betrachten wir mögliche Wirkungen verschiedener Einflüsse, wie zum Beispiel dem Landnutzungs- und Klimawandel, biologischen Invasionen und allgemein dem menschlichen Wirken auf einzelne Arten und Lebensgemeinschaften. Unsere Forschungen beziehen dabei sowohl Naturlandschaften als auch Kulturlandschaften mit ein, so zum Beispiel Moore, Magerrasen, Heiden, Auen und Wälder, aber auch städtische Lebensräume sind von großem Interesse für unsere Forschungen. Wir betrachten dabei ein sehr breites Spektrum unterschiedlicher Artengruppen und analysieren Veränderungen in der taxonomischen und funktionalen Diversität sowie in der Zusammensetzung von Artengemeinschaften. Welche Prognosen lassen sich daraus langfristig für die Entwicklung der Biodiversität ableiten? Welche Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung der Artenvielfalt können getroffen werden und wie wirken diese? Was sind mögliche Konsequenzen der Biodiversitätskrise für biotische Interaktionen und die damit verbundenen Ökosystemprozesse bzw. -leistungen. Neben den Grundlagenforschungen ist es für uns von großer Wichtigkeit, eine empirische Basis für den evidenz-basierten Artenschutz zu liefern.

  • Bestäubungsökologie

    Weltweit haben sich etwa 240.000 Blütenpflanzenarten entwickelt. Faziniert von dieser biologischen Vielfalt möchten wir die Rolle von Bestäubern auf die Evolution von unterschiedliche Blütenmerkmale erforschen, indem wir verschiedene Tier-Blüten-Interaktionen untersuchen. Hierzu werden intra- und interspezifische Merkmalsvariationen auf verschiedenen Ebenen, lokal bis auf Landschaftsebene, analysiert. Weiterhin beschäftigen wir uns mit den Ursachen des globalen Bestäuberrückgangs. Hierzu haben wir einen Versuchsaufbau entwickelt, mit dem wir Bestäuber unter natürlichen Bedingungen in Flugtunneln unterschiedlichen Stressoren wie zum Beispiel Luftverschmutzung, monophage Ernährung, Mikroplastik, Pestiziden oder neobiotische Arten aussetzen. Wir untersuchen, welchen Einfluss die Stressoren auf die physiologische Fitness (Wachstum, Flugleistung) sowie auf die sexuelle Fitness (Reproduktion) der Bestäuber haben. Hierbei erproben wir neue methodische Ansätze und möchten verschiedenen Akteuren (Landwirt*innen, Politiker*innen oder Naturschützer*innen) Ergebnisse und Daten liefern anhand derer sich Handlungsempfehlungen zum Schutz von Bestäubern formulieren lassen.

  • Ökologische Neuartigkeit, Stadtökologie und urbane Tierökologie

    Die ökologische Neuartigkeit nimmt in unserem Forschungsportfolio eine sehr wichtige Rolle ein. Durch menschliches Handeln entstehen immer mehr neuartige Ökosysteme (novel ecosystems) wie zum Beispiel Städte oder Tagbaue und Halden und damit verbunden neuartige Stressoren (z. B. Lärm- und Luftverschmutzung, Versiegelungen, Bodenschadstoffe, Wärmeinseln), die Effekte auf die Biodiversität der Tiere haben können. In diesem Kontext beschäftigen uns unter anderem Fragen, welchen Stellenwert neuartige Ökosysteme für den Biodiversitätsschutz haben können und welche Biodiversitätsentwicklungen in diesen Lebensräumen zu beobachten und zu erwarten sind. Wie reagieren Tiere auf neuartige Stressoren und allgemein auf anthropogene Einflüsse? Welche Zukunft haben Tiere in Städten und welche Tierarten können dort wie und warum leben? Hier spielen Anpassungen durch Mikroevolution, sogenannte rapid adaptations, eine wesentliche Rolle. Wir erforschen zum Beispiel, welche interspezifischen und intra-spezifischen Merkmalsvariationen und -unterschiede (biological traits) zwischen urbanen und ruralen Populationen zu beobachten sind.

  • Planungsbezogene Tierökologie und Artenschutz

    Unsere Forschungen zielen nicht nur darauf ab, ein wissenschaftliches Verständnis möglicher Konsequenzen einer ungebremsten Biodiversitätskrise, zum Beispiel für lebensnotwendige Ökosystemleistungen wie Bestäubung, biologische Schädlingskontrolle und Zersetzung, sondern auch die Grundlage für einen evidenzbasierten Natur- und Artenschutz zu schaffen. Wir konzeptionieren, implementieren und evaluieren Monitoringansätze, zum Beispiel zur Erfassung der Insektendiversität verschiedener Landschaften oder Regionen, von FFH-Arten und ihren Lebensräumen oder letzten Endes auch zur Bewertung und ggf. Optimierung von Renaturierungsprojekten. Wir schaffen zudem Grundlagen für Rote Listen und unterstützen Planungsprozesse, wie beispielsweise im Rahmen einer nachhaltigen und biodiversitätserhaltenen Landschaft- und Stadtplanung oder eines betrieblichen Biodiversitätsmanagements. Hier knüpfen Citizen Science-Projekte an, die die akademischen mit den bürgerwissenschaftlichen Forschungen zusammenbringen. Hieraus können zum Beispiel sogenannte big datasets für die Forschung entstehen und – noch viel wichtiger – ein breiter Konsenz, dass Biodiversitätsschutz und die Erforschung der Biodiversitätskrise alle interessierten Menschen und durch die Implementierung von Science-Policy-Interfaces auch die politischen Stakeholder einbeziehen muss.

  • Citizen Science, iEcology und Secondary Data

    Systematische Datenerhebungen durch die Forschung sind die Grundlage, um verlässliche Aussagen über den Zustand der Biodiversität zu treffen. Allerdings sind diese Datenerhebungen auch immer begrenzt durch die personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen, die der Forschung zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite gibt es Unmengen an Biodiversitätsdaten außerhalb akademischer Institutionen: auf globalen Citizen Science-Plattformen wie iNaturalist und observation.org, auf social media-Kanälen wie flickr oder durch andere online-Ressourcen. Dabei geben diese Daten - unbeabsichtigt vom Urheber - häufig auch mehr Informationen preis (secondary data), als die Dokumentation von Art, Standort und Zeitpunkt. So lässt eine Fotografie eines Schmetterlings bei der Nektaraufnahme etwa auf die Futterpflanze, auf biotische Wechselwirkungen mit anderen Bestäubern oder sogar auf inter- und intraspezifische Merkmalsvariationen schließen. Wir entwickeln Methoden, wie diese ‚unsystematischen‘ Ressourcen für die tier- und landschaftsökologische Forschung und Anwendung genutzt werden können. Im Angesicht eines weltweiten, beschleunigten Biodiversitätsverlusts überprüfen wir, ob wir durch die Integration verschiedenen Datenquellen mehr über Eigenschaften und Lebensweisen von Tierarten erfahren, um sie besser schützen zu können.

  • Biodiversitätsmonitoring

    Hier steht die Evaluierung, Optimierung und Validierung verschiedener Methoden der Biodiversitätserfassung im Fokus. Zudem ist es uns ein Anliegen, neue experimentelle Ansätze, zum Beispiel zur Erfassung von biotischen Interaktionen, zu entwickeln. Ebenfalls stehen die Möglichkeiten eines automatisierten Biodiversitätsmonitorings mit Hilfe von KI und Fernerkundung im Mittelpunkt unserer Forschungsaktivitäten.