Epidemien: Das Ende

Dossier "Epidemien. Kulturwissenschaftliche Ansichten"

© exc

Schon Ende Dezember 2022 hat der Virologe Christian Drosten das Ende der Pandemie verkündet und inzwischen sind alle Corona-Vorschriften weggefallen. Trotzdem infizieren sich Menschen noch und man sieht in der Öffentlichkeit auch immer noch vereinzelte Maskenträger:innen. Ist die Pandemie nun vorbei oder nicht? Man werde mit Covid leben müssen, heißt es, das Virus werde endemisch – wie ein ,normales‘ Virus eben auch. Drei Jahre Covid indessen ist eine lange Zeit. Es stellt sich die Frage, ob und wie diese Zeit der Pandemie, die mit vielen Einschränkungen einherging, die Gesellschaft und das Leben der Menschen verändert hat und was das Ende, das irgendwie auch kein Ende ist, für die Menschen bedeutet. Die Beiträge dieses Dossiers erkunden, wie Literatur und Bildende Kunst mit dem Ende von Epidemien umgehen, welche Deutungsmuster aufgerufen und welche Darstellungsformen gefunden werden.

 

Venedig, Santa Maria della Salute, Ansicht von Nordosten (Entwurf von Baldassare Longhena)
© Jens Niebaum

Inszenierungen des Endes der Pest in der Frühen Neuzeit: Venedig 1631 und Wien 1714. Von Kunsthistoriker Prof. Dr. Jens Niebaum

Die Covid-19-Pandemie ist in Deutschland mehr oder weniger ausgeplätschert. Schrittweise wurden Maßnahmen zurückgefahren oder aufgehoben; am auffälligsten dürfte gewesen sein, daß die Maskenpflicht hier früher, dort später und wieder anderswo scheinbar gar nicht mehr endete. Die Aufhebung des Pandemiestatus durch die WHO am 5. Mai 2023 war eher ein bürokratischer Akt und wurde nur noch als Randnotiz wahrgenommen. Weiterlesen

 

 

Peter Brueghel d. Ältere (um 1525/30–1569), Der Hochzeitstanz (etwa 1566)
© Detroit Institute of Arts

Ende ohne Ende? Wie die Literatur das Ende von Epidemien darstellt. Von Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf (Germanistik)

Als in Albert Camus‘ Roman Die Pest (1947) die verheerende Seuche nach neun Monaten endlich vorbei ist, feiern die Menschen ausgelassen [...]. So groß die Freude über die überstandene Epidemie ist, so sehr werden in der zitierten Passage auch skeptische Untertöne vernehmbar, wenn es heißt, dass am nächsten Tag wieder das „eigentliche Leben mit seiner Vorsicht“ anfange, oder wenn gesagt wird, dass „wenigstens für ein paar Stunden […] Freude über die Erlösung“ herrsche. Weiterlesen

 

Die Erzählergemeinschaft in der Kirche Santa Maria Novella, in: Giovanni Boccaccio, Decameron, MS italien 63, fol. 8r
© Bibliothèque nationale de France

Zurück zum Anfang? Das offene Ende des Decameron. Von Literaturwissenschaftlerin PD Dr. Pia Claudia Doering (Romanistik)

Das Ende einer Epidemie darzustellen, scheint für die Literatur kein besonders zentrales Anliegen zu sein, wie die Beispiele in Martina Wagner-Egelhaafs Dossier-Beitrag „Ende ohne Ende? Wie die Literatur das Ende von Epidemien darstellt“ anschaulich belegen. Boccaccios Decameron fügt sich diesem Befund ein: Den Anfang der Novellensammlung bildet die ausführliche und drastische Beschreibung der Pest und des aus ihr resultierenden Zusammenbruchs der städtischen Ordnung von Florenz. Weiterlesen