Verschwörungstheorien in Konkurrenz zu Religion und Wissenschaft

Dossier "Religion und Verschwörungstheorien in Zeiten der Corona-Epidemie"

Verschwörungstheorien wirken wie Unheilsprophetien, aber bieten sie auch Erlösungsvisionen? Sie erklären die Krise mit sich rational gebenden Konstruktionen, aber setzen sie sich auch der empirischen Überprüfung aus? In einem dritten Teil interessieren wir uns für strukturelle Analogien zwischen Verschwörungstheorien, Religion, Wissenschaft und anderen Weltdeutungsangeboten, aber auch für die Differenzen zwischen ihnen. Es gibt Hinweise darauf, dass Verschwörungstheorien an den Rändern von Religionsgemeinschaften durchaus auf Interesse stoßen. Aber es wäre auch interessant zu prüfen, worin möglicherweise Affinitäten zwischen Verschwörungstheorien und wissenschaftliche Analysen bestehen.

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Der Einbruch der Realität in den Diskurs. Von Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack

Mit erkenntnistheoretischen Fragen im Verstehen der Corona-Epidemie befasst sich der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack vom Exzellenzcluster. Er erörtert strukturelle Analogien zwischen Verschwörungstheorien, Wissenschaft und anderen Weltdeutungsangeboten, aber auch Differenzen zwischen ihnen, und nimmt dabei besonders konstruktivistische Deutungen in den Blick. Weiterlesen

© Smlg. Archäologie und Museum Baselland

Verschwörungstheorien als Erzählungen. Von Literaturwissenschaftler PD Dr. Christian Sieg

Verschwörungstheoretiker*innen wissen mehr. Bekannt ist ihnen eine geheime Agenda, die Ereignisse oder Zustände erst erklärt. Momentan sind es die Reaktionen der Weltgemeinschaft auf die Corona-Pandemie, von denen sie wissen, dass sie auf Falschinformationen beruhen, die Teil einer politischen bzw. ökonomischen Agenda konspirativ verfahrender Akteure sind. Wir sprechen von Verschwörungstheorien, weil solche Aussagen ihrem eigenen Anspruch nach versuchen, etwas zu erklären. Möglicherweise wäre es aber angebrachter von Verschwörungserzählungen zu sprechen, denn das angebotene Wissen ist narrativer Natur.  Weiterlesen

© gemeinfrei nach CC BY-NC-SA 4.0

Verschwörungstheorien als Elitenkritik: Über die langen Traditionen eines aktuellen Phänomens. Von den Historikern Dr. Marcel Bubert, Prof. Dr. Wolram Drews und PD Dr. André Krischer

Bei den ‚Hygiene-Demonstrationen‘, die im Mai 2020 in verschiedenen deutschen Städten stattfanden, behaupteten notorische Verschwörungstheortiker bekanntlich, dass politische und gesellschaftliche Eliten die Pandemie dazu nutzen, um geheime, schon von langer Hand geplante Ziele in die Tat umzusetzen. Als solche Ziele wurden die Errichtung einer Weltregierung imaginiert oder auch der Umbau der deutschen Demokratie zu einer Diktatur – wogegen die Demonstranten mit der Parole ‚Wir sind das Volk‘ aufbegehren. Das Impfprogramm der Gates-Stiftung wird dabei als hinterlistiges Mittel denunziert, mit dem die Menschen gefügig gemacht werden sollen. Bill Gates gilt dementsprechend als Mastermind und heimlicher Profiteur der ‚Corona-Verschwörung‘.  Weiterlesen

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Der Glaube an Verschwörungstheorien: Zur Rolle von Länderkontexten und Eigenart der Verschwörungstheorie. Von Politikwissenschaftler Prof. Dr. Bernd Schlipphak und den Psychologen Michael Bollwerk und Prof. Dr. Mitja Back

Warum glauben Menschen an Verschwörungstheorien (VT)? Was bringt jemanden dazu, ein „Narrativ über eine geheime Gruppe an böswilligen Akteuren, die einen verborgenen Plan zur Erhaltung oder zum Ausbau eigener Macht verfolgen“ – so unsere Definition einer VT (siehe auch Uscinski & Parent 2014 or van der Linden 2015) – für glaubwürdig zu halten? Weiterlesen

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Der Joker der Verschwörung – Verschwörungstheorien als negativer Glaube. Von Religionssoziologe Prof. Dr. Levent Tezcan

Ken Jebsen hat sich ein Joker-Face gemalt. „Was haben wir für eine Scheißangst!“, mit diesem Satz eröffnet er sein Manifest. Mal konspirativ flüsternd, mal Wortsalven in Rage abfeuernd, ironisch, sarkastisch, kämpferisch-revolutionär rollt er einen Themenknäul mit mehreren Fäden auf, um sie dann in einem simplen Komplott des ‚Systems‘ gegen die ‚Gesellschaft‘, gegen ‚uns‘ zusammenlaufen zu lassen. In dieser 45 Minuten lange eloquenten Rede mit hoher schauspielerischer Performanz, die Weltdeutung des Edeljokers in KenFM-Video „Gesicht zeigen“, präsentiert sich der Geist in seiner grenzenlosen Kreativität, wenn es darum geht, alles mit allem verbinden zu können. Der vorliegende Beitrag interessiert sich für die Figur, weil in ihr eine um sich greifende Befindlichkeit unserer Gegenwart zum Ausdruck kommt: Verschwörungstheorien als negativer Glaube. Weiterlesen