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Semester: Semesterunabhängig
Semester: WiSe 2020/21

Der Grundkurs vermittelt einen Überblick über Probleme, Theorien und Grundbegriffe der praktischen Philo­sophie.

Will man wissen, was „praktische Philosophie“ ist, sollte man sich nicht von der Umgangssprache leiten lassen. Das Prädikat „praktisch“ wird hier nicht im Sinne von verwertbar, anwendungsnah oder nützlich gebraucht (obwohl praktisch-philosophisches Nachdenken zumindest im günstigen Fall auch all diese Eigenschaften auf­weist), sondern „praktisch“ ist hier vielmehr in seiner altgriechischen Bedeutung aufzufassen. Praktische Phi­lo­so­phie ist demnach die Philosophie der Praxis und eine Praxis (πρᾶξις) ist eine Tat oder Handlung, aber auch eine ausgeübte Tätigkeit, eine Gewohnheit, eine Verrichtung oder ein Verfahren. Die Kernfrage der praktischen Phi­losophie hat Kant in der Kritik der reinen Vernunft (1781, AA IV, A804) kurz und prägnant auf den Begriff ge­bracht: „Was soll ich tun?“ – Im Mittelpunkt der praktischen Philosophie steht somit die Frage nach den Re­geln und Maßstäben, den Pflichten und Verboten, die unsere Tätigkeiten bzw. Handlungen leiten.

Zu Beginn des Grundkurses werden deshalb einige handlungstheoretische Grundeinsichten erläutert: Was ist eine Handlung? Was unterscheidet Handeln von bloßem Verhalten? Wie stehen Handlungen und Absichten zu­ein­ander? Können nur Menschen handeln? In einem zweiten Schritt werden Grundsätze der Handlungs­ra­tio­na­li­tät dargestellt: Was macht rationales bzw. vernünftiges Handeln aus? Was unterscheidet rationales Handeln von irrationalem Handeln? Gibt es gänzlich unvernünftiges Handeln?

Drittens schließlich werden einige paradigmatische Zweige der praktischen Philosophie thematisiert, die sich je­weils einem bestimmten Regelungsbereich widmen. Das größte und wichtigste Teilgebiet der praktischen Phi­losophie ist die Ethik, die sich in erster Annäherung als Disziplin des philosophischen Nachdenkens über das moralische Gute und das moralisch richtige Handeln bestimmen lässt. Dabei untersucht die philosophische Ethik nicht (nur) empirisch, was Menschen faktisch für gut befinden und nach welchen Maßstäben und Normen sie ihr Handeln tatsächlich ausrichten, sondern sie erarbeitet von einem genuin normativen Standpunkt aus De­fi­nitionen, Kriterien und Begründungen, die moralisch Gutes und moralisch Verwerfliches sowie moralisch ge­bo­tenes, erlaubtes und verbotenes Handeln voneinander abgrenzen.

In derselben Perspektive behandeln andere Teilgebiete der praktischen Philosophie andere Regelungsbereiche so­zialen Handels, so die politische Philosophie, die Rechtsphilosophie, die Sozialphilosophie und die Kultur­phi­losophie. Im Grundkurs werden in Auswahl einige theoretische Grundeinsichten aus diesen Teilgebieten vor­gestellt.

Der Grundkurs thematisiert das Gebiet der praktischen Philosophie primär in systematischer Perspektive, macht aber auch mit wichtigen philosophiehistorischen Lehrstücken vertraut.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2020/21

Benachteiligung, Diskriminierung und Unterdrückung machen sich nicht an nur einem Merkmal fest, sondern können durch die Zuschreibung vieler verschiedener Merkmale verursacht sein, die zudem abhängig vom his­torischen und kulturellen Kontext variieren. Diese schlichte und weithin unbestrittene empirische Wahrheit hat in normativer Hinsicht ernsthafte und kontrovers diskutierte Konsequenzen.

So hat die Rechtsphilosophin Kimberlé Crenshaw in einem einflussreichen Aufsatz von 1989 auf das folgende Pro­blem hingewiesen: Traditionelle Antidiskriminierungspolitik folge zumeist einer eindimensionalen Sicht­weise und verfolge das Ziel, die Mitglieder einer diskriminierten Gruppe zu kompensieren. Die etablierten Affir­mative action-Maßnahmen beziehen sich in den USA demnach entweder auf Frauen oder auf Schwarze. Da sich aber gezeigt habe, dass innerhalb dieser beiden Gruppen am ehesten die jeweils privilegierten Mit­glie­der von den Affirmative action-Maßnahmen profitieren, ergebe sich die folgende Konsequenz: Es profitieren ent­­weder weiße Frauen oder schwarze Männer – aber kaum schwarze Frauen, die im Schnittpunkt („inter­section“) der gesellschaftlichen Diskriminierungsmechanismen stehen und somit am stärksten unter ihnen lei­den. Kurz gesagt: Die am stärksten Benachteiligten profitieren von Affirmative action am wenig­sten.

In den letzten dreißig Jahren hat sich unter dem Titel Intersektionalität innerhalb des black feminism eine Theo­rieströmung etabliert, die insbesondere diese Schnittpunkte multipler Diskriminierung sichtbar machen, deren Ur­­sachen untersuchen und Vorschläge für effektive Gegenmaßnahmen entwickeln will. Diese Theorieströmung hat – nicht nur – innerhalb der feministischen Theoriebildung eine kontroverse Debatte ausgelöst. Während die einen darin den „wichtigsten Beitrag der women’s studies in Verbindung mit anderen Forschungsgebieten“ er­blicken (McCall 2005, 1771; übers. MH) und das Projekt verfolgen, die intersektionelle Betrachtungsweise zu einem allge­mein anwendbaren „analytisches Instrument“ auszuarbeiten (Nash 2008, 2019), kritisieren andere, dass die Auf­splittung der diskriminierten Gruppen in sukzessive kleinere Subgruppen in einem exklusiven Pro­jekt re­sul­tieren könnte, das die Inklusion diskriminierter Gruppen gerade verhindere (Zack 2008).

Im Seminar werden wir einige Grundlagentexte zur Intersektionalität kennenlernen und dann Fragen nach dem kri­tischen Potential dieser Theorieströmung stellen. Lässt sich ein allgemeiner Theorierahmen formulieren, der alle relevanten „Schnittpunkte“ von Diskriminierung sichtbar machen kann? Wie könnte eine Antidis­kri­mi­nie­rungs­politik aussehen, die das von Crenshaw aufgewiesene Problem löst? Gibt es tatsächlich Konflikte zwi­schen einer intersektionellen und einer inklusiven Betrachtungsweise diskriminierter Gruppen? Diese und an­dere Fragen werden wir anhand konkreter Anwendungsfälle diskutieren.

Kurs im HIS-LSF

Semester: WiSe 2020/21