Ein moralisches Angebot

Master Class von Prof. Thomas Pogge zur Verantwortung in globalen Kontexten

Folgt man UN-Prognosen, könnten es bald eine Milliarde Menschen sein, die unter extremer Armut leiden. Gibt es jemanden, der für diese Armutsprobleme verantwortlich ist? Wenn ja, von welchem Akteur sprechen wir dann, und wie lässt sich diese Art von Verantwortung rechtfertigen? Diese und weitere Fragen standen am 28. April im Mittelpunkt einer Master Class mit Prof. Dr. Thomas Pogge und 14 Studierenden und Doktorand/innen der Politikwissenschaft und Philosophie. Viele der Teilnehmer setzen sich bereits seit einigen Semestern im Arbeitskreis „Politische Philosophie“ des Philosophischen Seminars mit aktuellen politischen Fragen auseinander. In insgesamt vier Themenfeldern wurden Ansätze von Prof. Pogges Theorie rekonstruiert und anschließend kritisch hinterfragt.

So wurde in der ersten Hälfte der Master Class die Frage nach der Beziehung zwischen kollektiver und individueller Verantwortung zur Diskussion gestellt. Welche Art Verantwortung lässt sich Kollektiven zuschreiben? Inwiefern beinhaltet diese Art Verantwortung normative Richtlinien für die Handlungen von Individuen? Pogge vertritt die These, dass wohlhabende Länder eine negative Verantwortung tragen, d.h. dass sie ihrer Unterlassungspflicht zur Nichtschädigung nachzukommen haben. De facto tun dies die meisten Staaten jedoch nicht, da sie ein institutionelles System unterstützen, welches Ungerechtigkeit im globalen Maßstab erzeugt und aufrechterhält. Ein wesentlicher Punkt tauchte in der Frage nach dem Aufrechterhalten von moralisch negativ zu bewertenden Handlungen auf. Welche Handlungstypen dienen der Aufrechterhaltung ungerechter institutioneller Systeme? Ist das Aufrechterhalten selbst wieder eine Handlung oder vielmehr eine Handlungsbeschreibung?

In der zweiten Hälfte wurden Fragen der Verrechtlichung und Verwirklichung der Menschenrechte aufgeworfen. Eine bestimmte Form des Konsequentialismus, der ausschließlich nach der faktischen Verwirklichung der Menschenrechte fragt, lehnte Pogge ab. Solch eine Konzeption könne der Unterscheidung von positiver und negativer Verantwortung, die er vertritt, nicht gerecht werden. Eine utilitaristische Form, welche sich ausschließlich an der Nutzenmaximierung orientiere, schloss er ebenfalls aus. Stattdessen stärkte Pogge den Blick auf die Bedingungen von Menschenrechtsverletzungen. Denn viele dieser Bedingungen würden durch institutionelle Mängel hervorgerufen, die es aufzulösen gelte. Dazu seien Anstrengungen auf breiter Front nötig, so Pogge. Diese Reformen müssten jedoch „in kleinen Schritten“ erfolgen. So müsse sich jeder Bürger der wohlhabenden westlichen Staaten darüber im Klaren sein, in welchen wirtschaftlichen und politischen Zusammenhängen sie oder er stehe. Moralische Argumente können in diesem Fall durch bestimmte Klugheitsargumente gestützt werden. So haben etwa die wohlhabenden Staaten ein grundlegendes Interesse an stabilen politischen Verhältnissen und effizient funktionierenden Märkten in Entwicklungsländern. Pogge betonte, dass politische Partizipationsrechte dazu einer wichtiger Schlüssel seien.