Mondgestein gibt Einblicke in Erdentstehung

Gold und andere Edelmetalle gelangten nach Bildung des Mondes auf die Erde / Planetologen berichten in "Nature"

Erde (vorn) und Mond von der Raumstation ISS aus betrachtet.<address>© ESA/NASA</address>
Erde (vorn) und Mond von der Raumstation ISS aus betrachtet.
© ESA/NASA

Die Geschichte der Erde ist eng mit der ihres Trabanten verbunden. Der Mond entstand vor rund 4,5 Milliarden Jahren bei der Kollision der frühen Erde mit einem etwa Mars-großen Planeten. Bei diesem Ereignis schmolz ein Großteil der Erde, und solche Elemente, die sich gerne an Metalle binden, wanderten in den Erdkern, während die übrigen im umgebenen Mantel blieben. Daher müssten sich alle Edelmetalle im Erdkern befinden. Aber woher kommt dann unser Gold?

Laut einer gängigen Hypothese kollidierten kleinere Körper nach der Entstehung des Mondes und dem Abschluss der Erdkern-Bildung mit der Erde und reicherten den Erdmantel wieder mit Edelmetallen an. Für diese Vermutung haben Forscher um Dr. Thomas Kruijer und Prof. Dr. Thorsten Kleine von der Universität Münster nun erstmals Belege gefunden, wie sie im Fachmagazin "Nature" berichten: Es gelang ihnen, Unterschiede in der Zusammensetzung der Wolfram-Isotope in Erd- und Mondgestein nachzuweisen.

Der Großteil des Elements Wolfram befindet sich wie die Edelmetalle im Erdkern. Die Besonderheit des Wolframs ist, dass seine Isotopen-Zusammensetzung variiert. Somit weisen planetare Körper im Sonnensystem unterschiedliche Häufigkeiten des Isotops Wolfram-182 auf. Sollte die Hypothese stimmen, dass nach der Mond-Entstehung nochmals planetare Körper mit der Erde kollidierten und den Erdmantel mit Metallen anreicherten, müsste dies in der Wolfram-182-Häufigkeit von irdischen Gesteinen nachweisbar sein. Allerdings können die Forscher nur die Wolfram-Isotopenzusammensetzung des heutigen Erdmantels messen, nicht aber seine ursprüngliche. Daher untersuchten sie Gesteine vom Mond. Da die Wolfram-Isotopenzuammensetzung des Mondes seit der Mond-Entstehung kaum verändert wurde und Mondgestein somit noch die ursprüngliche Zusammensetzung aufweisen müsste, konnten die Forscher auf den einstigen Erdmantel rückschließen.

Dr. Thomas Kruijer<address>© WWU/privat</address>
Dr. Thomas Kruijer
© WWU/privat
Die Wissenschaftler wiesen mithilfe neuer Messmethoden nach, dass Erd- und Mondgestein tatsächlich unterschiedlich viel Wolfram-182 enthalten. Sie zeigen außerdem, dass dieser Unterschied genau der Veränderung entspricht, die durch die späte Addition von Material auf die Erde nach der Mond-Entstehung zu erwarten ist. Damit belegen die Forscher, dass es auch nach der Entstehung des Mondes noch Einschläge von planetaren Körpern auf die Erde gab und dass mit diesen Körpern alle zugänglichen Edelmetalle auf die Erde kamen.

Jedoch wirft die neue Studie auch Fragen auf. Sie zeigt nämlich, dass Erde und Mond direkt nach der Mond-Entstehung einen gleich hohen Anteil an Wolfram-182 enthielten. Dieser Befund ist mit den gängigen wissenschaftlichen Modellen nicht in Einklang zu bringen. Denn demnach sollte der Planet, der vor 4,5 Milliarden Jahren mit der Erde kollidierte, Spuren hinterlassen haben – da Erde und Mond unterschiedlich viel Material des Planeten "abbekamen", hätten die Forscher unterschiedliche Mengen des Wolfram-Isotops erwartet. Planetologe Thomas Kruijer sagt daher: "Es sieht so aus, als gäbe es noch größere Lücken in unserem Wissen über die Mondentstehung als gedacht. Unsere Daten zeigen, dass Erde und Mond nach der Mondentstehung noch verbunden gewesen sein und Material ausgetauscht haben müssen. Wie das geschehen ist, wissen wir nicht."

Originalpublikation: Thomas S. Kruijer, Thorsten Kleine, Mario Fischer-Gödde, Peter Sprung (2015): Lunar tungsten isotopic evidence for the late veneer. Nature advance online publication (10.1038/nature14360)