Forschung am Fachbereich Geowissenschaften


Die Forschungsaktivitäten des Fachbereichs widmen sich drei zukunftsrelevanten Forschungsperspektiven:

  • Global Change und Globalisierung
  • Mensch, Raum und Umwelt
  • Vom Atom zum  Sonnensystem – Evolution und Dynamik

Die sieben Institute des Fachbereichs arbeiten dabei mit fächerübergreifenden methodischen Ansätzen.

I.1.1 Global Change und Globalisierung

Die vergangenen Jahrzehnte sind gekennzeichnet durch eine fortschreitende Globalisierung, die zu tief greifenden Veränderungen in gesellschaftlicher wie in ökologischer Hinsicht geführt hat und weiterführen wird. Dabei sind Phänomene einer zunehmenden Verdichtung und Übernutzung gekoppelt mit erheblichen Folgen und Risiken für den Menschen sowohl auf der Ebene der natürlichen Ressourcen und Systeme als auch im Bereich gesellschaftli-cher Problemlagen. Mit den im Fachbereich 14 vorhandenen Kompetenzen lässt sich der vorliegende Themenbe-reich in zweierlei Hinsicht erschließen: Integrierte Fragestellungen zwischen den Disziplinen können Interdepen-denzen und Vernetzungen zwischen Globalisierung und Global Change analysieren, während zusätzlich spezielle Problembereiche vertieft im Kompetenzrahmen einzelner Disziplinen untersucht werden.
Der fünfte Sachstandsbericht (AR5) des Weltklimarats (IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change) aus den Jahren 2013 und 2014 bestätigt als wissenschaftlich anerkannte Tatsache, dass sich das globale Klima ändert und dass die menschlichen Aktivitäten ursächlich mit dieser Veränderung verknüpft sind. Global Change ist gleichwohl mehr als Klimawandel: Er beinhaltet in gleichem Maße die rasante Veränderung der Landbedeckung durch Expan-sion (Tropen) oder Aufgabe (z. B. GUS-Staaten) menschlicher Nutzung, die Veränderung biogeochemischer Kreisläu-fe (z. B. anthropogene Säure-,Nähr- und Schadstoffeinträge) sowie den Verlust und die Hinzufügung von Arten durch menschliche Aktivitäten. All diese Komponenten des Globalen Wandels resultieren in einem Verlust an bio-logischer Diversität und einer Degradation natürlicher Lebensräume und Ressourcen. Treibende Kraft all dieser Veränderungen ist die stetig wachsende Weltbevölkerung mit ihren wirtschaftlichen Aktivitäten und damit einher-gehenden technologischen und sozio-kulturellen Entwicklungen.
Die Ursachen für Global Change sind gleichermaßen global wie die Wirkungen, wobei es eine deutliche Entkopp-lung der Verursacher der Entwicklung gibt von denjenigen, die direkte negative Auswirkungen zu tragen haben.
Forschung und Lehre im FB14 befasst sich mit den Auswirkungen des Global Change auf regionaler Skala. Es werden quantitative und qualitative Veränderungen der abiotischen und biotischen Komponenten von Landschaften, Öko-systemen und Lebensgemeinschaften hinsichtlich ihrer Ursachen und Effekte analysiert und bewertet. Hier gibt es in Grundlagen- und angewandter Forschung erheblichen Entwicklungsbedarf. Schließlich werden die Auswirkungen auf das menschliche Leben – von Grundbedürfnissen über ökonomische bis hin zu kulturellen Aspekten –untersucht. Jede Forschungsaktivität kann – muss aber nicht – relevante Bewertungen vornehmen und in konkre-ten Handlungsempfehlungen, z. B. für die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen oder in Bildungspolitik, mün-den. Methodisch liegen die Stärken im FB 14 in erster Linie auf der experimentellen und empirischen Forschung einschließlich der Entwicklung von Geo-Informationssystemen. Diese Stärken sollen weiterentwickelt und ausge-baut werden.
Die Globalisierung ist ein entscheidender Motor der massiven gesellschaftlichen und ökologischen Veränderungen unserer Zeit. Aus dieser Sicht kommt der wissenschaftlichen Analyse dieses Phänomens eine für die Zukunft ent-scheidende Bedeutung zu. Auch hier sind Ursachen und Auswirkungen vor allem in einem vernetzten Wirkungs- und Rückkopplungsgefüge gesellschaftlicher und natürlicher Rahmenbedingungen zu sehen – ein Problemfeld, das in einem integriert arbeitenden geowissenschaftlichen Fachbereich besonders gut untersucht werden kann. Mit Hilfe der hier vorhandenen Disziplinen lässt sich die große inhaltliche Breite des Phänomens Globalisierung in sei-ner Vernetzung ebenso untersuchen wie in der Tiefenanalyse einzelner Problembereiche aus der spezifischen Kompetenz der einzelnen Disziplinen heraus, angefangen z. B. bei der Analyse der Ausbeutung natürlicher Res-sourcen oder der Rückwirkungen auf Global Change bis zur Untersuchung der politisch-geographischen Umbrüche, der räumlichen Konsequenzen einer transnationalisierten Ökonomie sowie des dramatischen demographischen und sozialen Wandels. Die Forschungsperspektiven am FB 14 reichen dabei von der Grundlagenforschung über konkrete anwendungsbezogene Projekte bis zum praxisorientierten Raummanagement und zur raumbezogenen Planungskompetenz, die am Fachbereich in mehreren Disziplinen verankert ist.

I.1.2 Mensch, Raum und Umwelt

Vor dem Hintergrund, dass sich eine Reihe der zukunftsentscheidenden Fragen der Menschheit derzeit am Schnitt-feld von Gesellschaft und Raum, von Mensch und Natur befinden, stellt der Forschungsschwerpunkt „Mensch, Raum und Umwelt“ des Fachbereichs 14 ökologische, umweltchemische und raumbezogene Analysen und Projekte ins Zentrum. Er thematisiert das komplexe und vielfach vernetzte Wechsel- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen Raum, Natur und Gesellschaft. Im Einzelnen gehören dazu
a) landschaftsökologische, (geo)hydrochemische und hydro(geo)logische Umweltanalyse und Umweltma-nagement inklusive Altlastenmanagement. Dabei liegt der Fokus auf den komplexen Interaktionen zwi-schen abiotischen und biotischen Systemkomponenten, einschließlich der Umsetzung in ökologische Pla-nung und Naturschutz;
b) geographisches Raummanagement und geographische Konfliktforschung. Hier liegen die Schwerpunkte in der Orts-, Regional- und Landesplanung, in der Politischen Geographie, in der Kultur- und Sozialgeographie sowie in der Stadtforschung
Mit diesem Schwerpunkt, in dem landschaftsökologische und umweltchemische Forschung im System Wasser-Boden-Luft und geographische Forschungen interdisziplinär und synergetisch zusammengeführt werden, betont der Fachbereich seine Schlüsselrolle als Kompetenzzentrum für eine umwelt- und raumbezogene Forschung inner-halb der WWU. In den sich zunehmend vernetzenden Raumstrukturen unserer Zeit gewinnt sowohl aus ökologi-scher als auch aus anthropogeographischer Perspektive das wissenschaftliche Analysieren umwelt- und raumbezo-gener Prozesse einen zentralen Stellenwert. Entsprechend bilden projektbezogene Interaktionen zwischen bioti-schen und abiotischen sowie raumbezogene und gesellschaftliche Prozesse auf lokaler, regionaler und globaler Ebene einen Schwerpunkt der Forschungen.
Die Möglichkeit zur Ausbildung eines solchen Forschungsschwerpunktes am Schnittfeld von Gesellschaft und Natur ist ein Alleinstellungsmerkmal des geowissenschaftlichen Fachbereiches 14 an der WWU.

I.1.3 Vom Atom zum Sonnensystem

Die Geowissenschaften erforschen den heutigen Zustand der Erde, ihre erdgeschichtliche Entwicklung und die geologischen Prozesse, die das System Erde in den letzten viereinhalb Milliarden Jahren verändert haben. Die Ent-wicklung hin zu einer quantitativen und hochtechnisierten Naturwissenschaft war maßgeblich für den rasanten Fortschritt der Geowissenschaften in den letzten Jahrzehnten und ermöglichte zahlreiche bahnbrechende Erkennt-nisse von enormer wissenschaftlicher, aber auch gesellschaftlicher Bedeutung. Insbesondere die Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen grundlegenden Änderungen im System Erde und der Evolution der Pflanzen- und Tierwelt sind höchst aktuelle Forschungsthemen. Im Blickpunkt stehen u. a. die Entwicklung neuer Tier- und Pflan-zengruppen, globale Aussterbeereignisse und die Besiedlung neuer Lebensräume sowie deren Einfluss auf geologi-sche Prozesse. Parallel dazu lieferte die Weltraumforschung mit Hilfe der bemannten und unbemannten Raumfahrt die Möglichkeit andere Körper unseres Sonnensystems –Planeten, Monde, Asteroide und Kometen– direkt oder indirekt zu untersuchen. Hierdurch hat sich unser Verständnis von der Entstehung, Entwicklung und heutigen Funk-tionsweise des Sonnensystems und des Systems Erde grundlegend gewandelt. Diese Wissenschaftslinien werden im Fachbereich Geowissenschaften – sowohl parallel als auch vernetzt – verfolgt.
Die wissenschaftliche Grundlagenforschung, der sich der Fachbereich verpflichtet sieht, widmet sich fundamenta-len Fragen, zu deren Beantwortung die moderne Geo- und Weltraumforschung beitragen. Hierzu gehören: Welche Prozesse bildeten unser Sonnensystem? Was war seine Ausgangsmaterie? Warum unterscheidet sich unser Son-nensystem von den anderen Sonnensystemen, die wir seit Kurzem kennen? In welchen astronomischen Kontext ist die Erde einzuordnen? Wie bilden sich Planeten und welche Prozesse sind für ihre unterschiedliche Beschaffenheit und Zusammensetzung verantwortlich? Ist die Erde der einzig bewohnbare Planet? Welche geologischen Prozesse bestimmen die Entwicklung des Systems Erde und wie haben sich diese Prozesse im Laufe der Erdgeschichte verän-dert? Wie haben sich Geo- und Biosphäre gemeinsam entwickelt? Welche Faktoren haben Paläobiodiversität und globale Biosphärenkrisen verursacht? Wann und wie wurden neue Lebensräume erschlossen und was sind die Auswirkungen auf die Geosphäre? Welchen Einfluss hat der Mensch auf das System Erde? Wie sieht die zukünftige Entwicklung der Erde aus, sowohl aus geowissenschaftlicher als auch gesellschaftlicher Sicht?
Die geologische Entwicklung des Systems Erde ist das Ergebnis der beständigen Wechselwirkung zwischen Atmo-, Hydro-, Bio- und Lithosphäre. Diese Interaktion findet auf ganz unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Skalen statt. Die Dynamik im Großen ist dabei häufig der Ausdruck von Prozessen, die im Mikro- bis Nano-Maßstab in Mine-ralen oder auf molekularer Ebene ablaufen. Die Erforschung und Quantifizierung der geologischen Prozesse vom globalen bis atomaren Maßstab ist eine der übergeordneten Forschungsperspektiven des Fachbereichs Geowissen-schaften. Hierzu wird ein breites Spektrum hochaktueller geologischer Fragestellungen mit modernsten Methoden bearbeitet.
Die Analyse, Charakterisierung und Quantifizierung der planetaren, geologischen, chemischen und biotischen Pro-zesse im System Erde verfolgt zwei Ziele. Einerseits soll ein verbessertes qualitatives und quantitatives Verständnis der Evolution des Planeten und seiner Ökosysteme über die vergangenen viereinhalb Milliarden Jahre bis heute erreicht werden. Andererseits ist das Verständnis von Ursache und Ausmaßlangzeitlicher erdgeschichtlicher Pro-zesse und kurzfristiger Geo-Biosphärenveränderungen von grundlegender Bedeutung um ein besseres Verständnis der heutigen und zukünftigen Funktionsweise des Systems Erde zu entwickeln. Letzteres gewinnt vor dem Hinter-grund des allgegenwärtigen globalen Wandels und der zunehmenden Umwelteinflüsse auf die Gesellschaft an Be-deutung.
Die Qualifizierung und Quantifizierung rezenter Prozesse und Veränderungen der Erdkruste (Geo-Dynamik, Ände-rungen der plattentektonischen Konfigurationen und der Zusammensetzung der Hydro- und Atmosphäre sowie Klimawechsel), insbesondere im Bereich der Erdoberfläche und ihrer Morphologie, ist von übergeordneter Bedeu-tung für eine notwendige Differenzierung geogener und anthropogener Einflüsse auf unsere Umwelt. Schwerpunk-te sind die Erforschung und Quantifizierung von Erosions- und Sedimentationsprozessen, von Natur- und Umweltka-tastrophen sowie der anthropogenen Einflüsse auf die Umwelt. Auf diese Weise fungiert die Forschungsperspektive Geo-Dynamik auch als Bindeglied zu den weiteren übergeordneten Forschungsperspektiven im Fachbereich Geo-wissenschaften: “Global Change” und “Mensch, Raum, Natur”.