Religionsphilosophie (abgeschlossen)

Ist das Subjekt am Ende?

Im Ausgang von der Verabschiedung des Subjekts in der späten Moderne (Jaques Derrida, Michel Foucault, Jean-François Lyotard) und seiner intersubjektiven Verwindung in der kommunikationstheoretischen Moderne (Karl-Otto Apel, Jürgen Habermas) werden sukzessive die uneingelösten Problemüberhänge herausgearbeitet, die dazu legitimieren, weiterhin von einer transzendentalen Subjektivität zu sprechen, die durch die Idee des Ich und die Idee der Freiheit qualifiziert ist und die ursprüngliche, spontane Selbstaktivität des Subjektes begründet, die allen biografisch und geschichtlich bestimmten Subjektivierungsweisen und kommunikativen Handlungen als Bedingung der Möglichkeit vorausliegt. Die Möglichkeit bewussten Lebens und die Subjektivität des Menschen wird im Konflikt zwischen egologischen (Hermann Krings) und nicht-egologischen (Dieter Henrich) Begründungsverfahren ausgelotet und hinsichtlich der Alternativen von transzendentaler Reduktion und metaphysischer Reduktion mit dem Ziel diskutiert, legitime Ansprechbarkeit für das Göttliche zu gewinnen.   

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Grund im Bewusstsein?

Dabei zeigt sich der von Dieter Henrich ausgewiesene Grund im Bewusstsein durch ein Sich-Differenzieren bestimmt, das ohne subjektive Aktivität kaum gedacht werden kann. Hier tritt ein Widerspruch zutage, insofern der Grund im Bewusstsein im Verfahren der Reduktion von anderer Art sein muss als menschliche Subjektivität, wohingegen er im Verfahren der Deduktion strukturell der All-Einheit entspricht, die alles in ihren Prozessen des Sich-Differenzierens begründet. Angesichts dieses Widerstreits zwischen Reduktion und Deduktion erscheint es legitim, auch die anonyme All-Einheit als subjektiven All-Geist unter der Idee von Freiheit zu verstehen. Zugleich wird dies zur Rückfrage, ob der Gedanke der Retroszendenz bei Krings geeignet ist, um die geforderte präreflexive Vertrautheit des Ich mit sich begründen zu können.

 

Geist und Freiheit

Dann kann der All-Geist als Form und Grund der All-Einheit mit Krings unter der Idee vollkommener Freiheit gedacht werden, die das Sinn ermöglichende und Sinn verbürgende der lebenspraktischen Vernunft darstellt. Von daher werden Weltanschauungen als Rahmen-Interpretationen der Lebenswelt sowie des uneinholbar Umgreifenden (Karl Jaspers) oder Ganzen (Volker Gerhardt) der Wirklichkeit verständlich, in denen der Mensch immer schon lebt und die er existenzbestimmend auslegt. Entsprechend wird die Wahrheit des Ganzen nicht überschaut und kann nicht einem Maßstab außerhalb des Ganzen unterzogen werden. Vielmehr wird sie in Existenzstellungnahmen »bezeugt« (Krings).

 

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Abschlussgedanke

Unter diesen Prämissen ist die Rede vom Göttlichen bzw. von Gott möglich und kann das Gott-Mensch-Verhältnis durch eine transzendental-noumenale Freiheits-Differenz von göttlicher Freisetzung und menschlichem Freigesetztsein bestimmt werden. Darüber hinaus kann in Auseinandersetzung mit Jens Halfwassen gefragt werden, ob die Abschlussgedanken höchster Freiheit und höchster All-Einheit auf einen gemeinsamen, ultratranszendentalen Ab-Grund der Einheit verweisen, aus dem beide Abschlusskonzepte hervorgehen und der in einem radikalen Sinne göttliches Geheimnis ist.

 


Publikationen in Auswahl 

Göttliche Universalität in konkreter Geschichte. Versuch einer transzendental-geschichtlichen Vergewisserung der Christologie in Auseinandersetzung mit Richard Schaeffler und Karl Rahner (Religion – Geschichte – Gesellschaft 22). (LIT) Münster u.a. 22009.

Endlichkeit und Freiheit. Studien zu einer transzendentalen Theologie im Kontext der Spätmoderne (Religion in der Moderne 8). (Echter) Würzburg 2003.

Gott als Menschheitsthema? Karl Rahners theologischer Universalismus im Kontext der europäischen Spätmoderne. In: Zur Debatte 34 (2004), 4-6.

Die Frage nach Gott. In: Benedikt P. Göcke / Markus Knapp (Hgg.), Gotteserkenntnis und Gottesbeweis. Philosophische und theologische Zugänge (QD 320). (Herder) Freiburg – Basel – Wien 2022, 43-83.

Una fondazione trascendentale della relazione con Dio. In: Humanitas 78 (2023) H 3, 422-448.

Rationale Theologie und Trinitätstheologie. In: Martin Breul / Mirja Kutzer / Julian Tappen (Hgg.), Menschen. Glauben. Gott. Zur philosophischen Theologie Saskia Wendels (Festschrift zum 60. Geburtstag von Saskia Wendel). (Herder) Freiburg-Basel-Wien 2024, 92-121.