Gott oder Göttliches I: Die Krise des personalen Gott Denkens (abgeschlossen)

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Affektive Bindung als Grund der Personalisierung

Religionsphilosophisch zeigt sich: Die Subjektivierung letzter Instanzen ergibt sich notwendig, wenn ihnen gegenüber eine affektive Bindung entsteht oder eine aktive persönliche Beziehung zuals demn letzten Grund des Ganzen der Wirklichkeit aufngenommen wird. Selbst iIn den Kontexten einer durchschlagenden Naturalisierung (weltanschaulich physikalistischer Naturalismus oder holistischer Naturverehrung) werden deshalb die Mutter Erde, die Mutter Natur, der Kosmos oder die Evolution personalisiert und wie ein göttliches Subjekt gefasst. Dieses wird und durch planende bzw. steuernde Willenssetzungen beschrieben und ist eine Perspektive die gegenwärtig im. Diese Perspektiven bestimmen auch den Akteurskosmopanpsychismus (Philip Goff) stark gemacht wird.                      

Von daher ergibt sich die Herausforderung, wie ein Verständnis Gottes und seines Handelns entwickelt werden kann, das wissenschaftstheoretisch angesichts des dominanten szientifischen Paradigmas, eines physikalischen Naturalismus und einer holististischen Kosmosfrömmigkeit mit guten Gründen ausgewiesen werden kann und den berechtigten Einwänden dieser Positionen Genüge tut. Zudem sind die kulturgeschichtlichen Aversionen gegen einen monopolistischen und gewaltaffinen Monotheismus (Jan Assmann) wie auch die berechtigten Einwände der klassischen und gegenwärtigen Religionskritik selbstkritisch aufzunehmen, um Gott als hoffnungsvollen Grund und Bürgen wahrer Humanität sichtbar und verständlich zu machen.

Trans-Personalität und Trans-Impersonalität des Unendlichen

Dies ist nur in den Kategorien der Freiheit möglich, die Gott unter der Idee vollkommener Freiheit (Krings, Pröpper) versteht und expliziert, um diesen Gott in seiner freien Zuwendung als den Erfüllenden sinnverlangender und existenzpragmatischer Vernunft verständlich zu machen. Von daher ist es möglich, unterschiedliche Anliegen für einen ganzheitlichen und holistischen Lebensvollzug produktiv aufzunehmen, um zu einer neuen Gestalt christlichen Gott-Denkens zu gelangen, die den Herausforderungen der späten Moderne im Übergang gerecht wird. Dabei muss im Blick  behalten werden, dass Gott als eminente freie Subjektivität angemessen nur trans-personal gedacht werden kann, weil er – wie philosophisch in Auseinandersetzung mit Fichte klar wurde – jede endliche Vorstellung von menschlicher Personalität in seiner Unendlichkeit und Vollkommenheit konsequent überschreitet. Ebenso ist er trans-impersonal zu denken, weil er in seiner Unendlichkeit letztlich nur transkategorial in einem Über-Sein an Vollkommenheit zu fassen ist. Zudem bedarf das Leitkriterium gelingender Humanität über die Anthropozentrik und das Anthropozän hinaus einer ganzheitlichen Weitung, die die Sorge um das Leben und das Heil aller fühlenden Wesen im Kosmos der Schöpfung in sich einschließt.

 


Publikationen in Auswahl

Personsein – philosophische Problemlagen, interkulturelle Einsichten, transkulturelle Perspektiven. In: ZKTh 134 (2012), 1-21.

Glauben zwischen Trend und Milieu (EZW-Texte 239). (EZW) Berlin 2015.

Die vielfältige Rede von Gott oder dem Göttlichen. Orientierungsversuche in der Krise des Theismus. In: Theologische Revue 113 (2017), 267-286.

Formen des menschlichen Transzendenzbezuges (1. Teil): Hypothese. In: Bernhard Nitsche / Klaus von Stosch / Muna Tatari (Hgg.), Gott – jenseits von Monismus und Theismus? (Beiträge zur komparativen Theologie 23). (Schöningh) Paderborn 2017, 25-61.

Gott – Geist – Materie. Personsein zwischen Natur und Transzendenz (Ratio Fidei 73). (Pustet) Regensburg 2020. Zusammen mit Florian Baab und Dennis Stammer.    

Jakob Mertesacker / Hermann-Josef Wagener / Klaus Kießling, Gott oder Göttliches? Empirische Zugänge zu menschlichen Transzendenzbezügen. Faktorenanalytische Studie. Wege zum Menschen, 69 (1), 75-89.

Jakob Mertesacker, Bindungstheorie und menschliche Transzendenzbezüge. Differenzierte Betrachtungen von Korrespondenz- und Kompensationshyptohese. In: Wege zum Menschen. Zeitschrift für Seelsorge und Beratung, heilendes und soziales Handeln Nr. 70 (3/2018), 219-232.

Hermann-Josef Wagener, Den Glauben in Form bringen. Eine Metaanalyse der Formenkreise religiöser Entwicklung (Zeitzeichen 51). (Grünewald) Ostfildern 2022.