Alles hat seine Zeit: Generische Softwareentwicklung und individuelle Projektanforderungen

Vortrag bei der DHd 2025 in Bielefeld | 03. - 07.03.2025
Dr. Christian Lück, Ludger Hiepel und Dr. Jan Horstmann
© IBET | JH und LH

Digital-Humanities-Projekte, in denen individuelle Software benötigt wird, und DH-Zentren, an denen generisch einsetzbare Forschungssoftware entwickelt wird, haben unterschiedliche Geschwindigkeiten. Diese Herausforderung haben Dr. Jan Horstmann, Dr. Christian Lück, Dr. Immanuel Normann und Ludger Hiepel bei einem Vortrag auf der Konferenz Digital Humanities im deutschsprachigen Raum 2025 (DHd2025) diskutiert. Ludger Hiepel stellte dabei die Anforderungen des Projekts „Digitale Edition antiker Textzeugen des Ijobbuches mit Darstellung der Übersetzungsweise“ vor, das unter der Leitung von Professor Dr. Johannes Schnocks am IBET durchgeführt wird. Die Mitglieder des Service Center for Digital Humanities (SCDH) an der Universität Münster demonstrierten beispielhaft anhand des konkreten Entwicklungsprojektes „Intertextor“, einem Tool zur Annotation und Analyse von Intertextualität, das Spannungsfeld zwischen generischem Anspruch und individuell notwendigen Lösungen, die aus konkreten Projektanforderungen wie dem digitalen Editionsprojekt zum Ijob-Buch erwachsen. Dieses hat zum Ziel, die aramäischen Übersetzungen, zwei fragmentarische Qumran-Übersetzungen und den rabbinischen Targum ins Deutsche zu übersetzen und mit dem hebräischen Originaltext zu vergleichen. Ergänzend wird auch die griechische Septuaginta als „Kontrollgröße“ herangezogen. Die digitale Edition ermöglicht eine synoptische Darstellung der Texte mit deutscher Übersetzung, was in gedruckter Form kaum übersichtlich realisierbar wäre. Annotationen erläutern die Übersetzungsweisen der antiken Überlieferungen, wodurch die Textgeschichte besser rekonstruiert und intertextuelle Zusammenhänge der Bibel deutlicher sichtbar werden.

Bereits zu Beginn des Projekts wurden die Chancen und Risiken einer komplexen generischen Anwendung deutlich: Einerseits lagen die Vorarbeiten zum Datenmodell des Intertextors zu Beginn der (technischen) Vorbereitung des Projekts, Anfang 2023, bereits vor und damit das Versprechen einer generischen Web-Anwendung. Andererseits hat sich im Verlauf des Jahres abgezeichnet, dass eine schnelle Realisierung des Intertextors unrealistisch ist. Dennoch sollen vor der Drittmittelbeantragung die grundlegenden technischen Komponenten, insbesondere eine annotierende und klassifizierende Erfassung der Übersetzungsweisen sowie eine synoptische Anzeige der Texte, funktionstüchtig sein, um das Projekt als Drittmittelprojekt beantragen zu können.

Damit ergeben sich konzeptionelle Spannungen zwischen der generische Softwareentwicklung und den individuellen Projektanforderungen. Das Paper ist im Book of Abstract der DHd 2025 nachzulesen.

Vom 3. bis zum 7. März tagte die deutschsprachige Community der Digital Humanities in Bielefeld. Das Tagungsmotto „Under Construction“ rückt die Konstruiertheit von Wissen als Ergebnis und zugleich als Bedingung digitaler geisteswissenschaftlicher Praxis in den Fokus.

Janis Jaspers, Student der Katholischen Theologie und der Informatik sowie studentische Hilfskraft am IBET, nahm ebenfalls an der Konferenz teil und wurde mit einem Stipendium der DHd gefördert. Er stellt die Konferenz mit seinen Erlebnissen im TheoPodcast am 19.03.2025 vor.