Wozu nachhaltig leben? – Impulse aus Christentum und Buddhismus
Der dritte Campus Earth Day – der jährliche Nachhaltigkeitstag der Universität Münster fand am 08.10.2024 statt.
Anlässlich dieses Aktionstages fand von Seiten des Seminars für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie ein Workshop unter dem Titel „Wozu nachhaltig Leben? – Impulse aus Christentum und Buddhismus“ statt, der geleitet wurde von Prof. Dr. Simone Sinn, Jun.-Prof. Dr. Markus Rüsch und Lara Axtmann. Drei Themenbereiche erhielten in Form von Impulsvorträgen und Diskussionen Einzug in den Workshop: Frau Prof. Dr. Simone Sinn widmete ihren Vortrag dem Thema „Christentum und Nachhaltigkeit“ und gab hierbei Einblicke in aktuelle Forschung zum Thema, mit Fokus auf ein sich vollziehendes Umdenken in Bezug auf das Verhältnis des Menschen zu Gott und zur Natur.
Lara Axtmann hielt einen Impulsvortrag zum Thema Tierethik, mit Bezug auf die evangelisch-theologische Perspektive von Frau Prof. Dr. Anne Käfer (Vgl. Käfer, Anne: Gottes Werk und Fleisches Lust. Tierethische Erörterungen aus evangelisch-theologischer Sicht, Darmstadt 2023). Jun.-Prof. Dr. Markus Rüsch beschloss die Reihe der Impulsvorträge mit seinem Beitrag zum Thema „Buddhismus und Nachhaltigkeit“, in dem er u.a. darstellte, was „Natur“ im buddhistischen Kontext überhaupt bedeuten kann und welche Konzepte für die Thematik von Bedeutung sind.
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Wozu nachhaltig leben? – Impulse aus Christentum und Buddhismus
Der dritte Campus Earth Day – der jährliche Nachhaltigkeitstag der Universität Münster fand am 08.10.2024 im Bibelmuseum der Universität statt. Beim Campus Earth Day ist die Öffentlichkeit dazu eingeladen mit Wissenschaftler*innen der Universität zu Themen aktueller Forschung in den Dialog zu treten.
Anlässlich dieses Aktionstages fand von Seiten des Seminars für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie ein Workshop statt unter dem Titel „Wozu nachhaltig Leben? – Impulse aus Christentum und Buddhismus“, geleitet von Prof. Dr. Simone Sinn, Jun.-Prof. Dr. Markus Rüsch und Lara Axtmann.
Der Workshop strukturierte sich in einen Einleitungsteil, drei Impulsvorträge (zu „Christentum und Nachhaltigkeit“, „Tierethik“ und „Buddhismus und Nachhaltigkeit“) mit anschließenden Diskussionen und eine Abschlussdiskussion.
Im Einleitungsteil stellte Jun.-Prof. Dr. Markus Rüsch die Themen, sowie die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN vor (die sog. „17 Ziele für nachhaltige Entwicklung“). Um die Teilnehmenden zur Reflektion über ihr Vorverständnis anzuleiten, wurden jeweils drei Moderationskärtchen verteilt, auf denen die ersten Assoziationen der Teilnehmenden zu den Themen „Christentum und Nachhaltigkeit“, „Tierethik“ und „Buddhismus und Nachhaltigkeit“ festgehalten werden sollten. Diese wurden anschließend eingesammelt und geclustert an der Tafel angebracht. Sie sollten u.a. eine Basis für spätere Diskussionen bieten.
Die Reihe der Impulsvorträge eröffnete Prof. Dr. Simone Sinn mit einem Einblick in aktuelle christlich-theologische Perspektiven auf Nachhaltigkeit. Die Gestaltung nachhaltiger und fairer Beziehungen stehe hier im Fokus, wozu eine „Neu-orientierung“ bzw. „De-zentrierung“ der menschlichen Geisteshaltung in Bezug auf globale Herausforderungen notwendig sei. Gleichzeitig seien Christ*innen dazu angehalten, die im Christentum noch immer gängige Anthropozentrik zu hinterfragen. In der bisherigen anthropozentrischen Sichtweise liege der Fokus auf der Gott-Mensch Beziehung, in der Gott den Menschen mit der Herrschaft über die, bzw. einer Verantwortung für die geschaffene Welt betraut habe. Allerdings sei der Mensch dazu aufgerufen, die Beziehung zur gesamten Schöpfung neu zu durchdenken und den Menschen, statt als über die Schöpfung herrschend, als mit der Schöpfung unmittelbar verbunden, von ihr abhängig und als einen Teil von ihr zu betrachten.
Der Entschluss nachhaltig zu leben habe Auswirkungen auf verschiedenste Bereiche und betreffe daher nicht nur den eigenen Lebenswandel, sondern auch strukturelle Fragen.
Abschließend sprach Prof. Dr. Sinn von einer Überschneidung dreier Bereiche, die eine besondere Rolle spielen: Öko-Theologie, Öko-Spiritualität und Öko-Gerechtigkeit.
Der zweite Impulsvortrag wurde gehalten von Lara Axtmann zum Thema „Tierethik“. Hierbei bezog sie sich vornehmlich auf das von Prof. Dr. Anne Käfer verfasste Buch Gottes Werk und Fleisches Lust. Tierethische Erörterungen aus evangelisch-theologischer Sicht sowie auf Erkenntnisse aus dem Tierethischen Hauptseminar bei ebendieser. Axtmann verwies auf das ambivalente Verhältnis der biblischen Texte im Verhältnis zu Tieren und betonte die exegetisch-kritische Lesart. Daraufhin zeigte sie anhand dreier Textstellen des Alten Testaments eine Heilsgeschichtliche Entwicklung vom Paradies, einer von Gott friedvoll geschaffenen Welt, in der alle Lebewesen miteinander im Einklang leben (Gen 1,26–2,3), über eine gefallene Welt, die die Realität widerspiegele (Gen 9,1–11), bis hin zu einer künftigen Welt, die als friedvolle Utopie dem ursprünglichen paradiesischen Zustand gleiche (Jes 11,1–9). Das Fazit des Impulsvortrags mündete im Liebesgebot: Der Herrschaftsauftrag werde als Verantwortung interpretiert, die Welt gottebenbildlich, d.h. aus Liebe, zu verwalten. Obwohl der Mensch nie reine Liebe sein könne, sei er dazu angehalten, sich in den Dienst am Nächsten zu stellen und Tiere, als Gottes Geschöpfe und von Gott gewürdigt betrachtet, in die moralische Sphäre einzubeziehen und somit auf Frieden zwischen allen Lebewesen hinzuwirken.
Die Reihe der Impulsvorträge beschloss Jun.-Prof. Dr. Markus Rüsch, mit seinem Beitrag zum Thema „Buddhismus und Nachhaltigkeit“. Hierbei verwies er zunächst darauf, dass im Buddhismus die Vorstellung eines Schöpfungsgedankens fehle und auch eine Anthropozentrik dem Buddhismus nur im eingeschränkten Maße eigen sei. Probleme einer „buddhistischen Ethik“ seien dabei vielmehr die sog. „Hauslosigkeit“, Fragen zwischenmenschlicher Beziehungen und Sorge um die Welt, die alle ein indigenes Interesse an Nachhaltigkeit schwierig machen. Daraufhin führte Jun.-Prof. Dr. Rüsch jedoch verschiedene Konzepte des Buddhismus an, die mit Aspekten wie z.B. universaler Verbindung, Fürsorge, Mitgefühl und Genügsamkeit durchaus eine wichtige Rolle für das Verhältnis des Buddhismus zur Nachhaltigkeit spielen können. Zudem habe der Mensch ein besonderes Verhältnis zur Natur, wobei es jedoch zunächst zu reflektieren gelte, was „Natur“ überhaupt sei. Im Buddhismus gebe es die Vorstellung, dass sogar Pflanzen die Buddhaschaft erlangen können, sowie die Verehrung bestimmter Naturphänomene. Allein dadurch werde deutlich, dass eine intakte Natur eine wichtige Voraussetzung für die Ausübung der eigenen religiösen Praxis sei. Abschließend stellte Jun.-Prof. Dr. Rüsch Nachhaltigkeitsziele vor, die durch gegenwärtige Akteure des japanischen Buddhismus selbst formuliert wurden und als ein wichtiger Baustein der eigenen religiösen Praxis formuliert werden. Hierzu gehörte das Engagement in einer Gesellschaft, bei der niemand zurückgelassen werde, was in Verbindung gesetzt wurde mit der Vorstellung einer unbedingten Erlösung. Damit konnte gezeigt werden, wie buddhistische Schulen ihre institutionelle Stärke nutzen können, um zum Aufbau einer auf Nachhaltigkeit achtenden Gesellschaft beizutragen.
Alle Impulsvorträge wurden durch spannende Rückfragen der Teilnehmenden bereichert, die zur Diskussion und zu weiterer Reflektion anregten.
In der offenen Abschlussdiskussion wurde noch einmal Bezug auf die von den Teilnehmenden vorab beschrifteten Kärtchen genommen. Hier zeigte sich deutlich, dass die Teilnehmenden einige Vorkenntnisse und sowohl positive als auch negative Perspektiven auf die einzelnen Themen mitbrachten. So wurde beim Thema Christentum häufig an das Thema „Schöpfung“ gedacht, wobei sowohl kritisch angemerkt wurde, dass der Herrschaftsauftrag häufig anthropozentrisch gedeutet werde, als eine Legitimierung der Ausbeutung der Welt, als auch, dass dieser positiv als Verantwortung für die Welt gedeutet, ein Aufruf sei die Schöpfung zu bewahren, wertzuschätzen und aus Nächstenliebe nachhaltig zu leben.
In Bezug auf das Thema „Tierethik“ zeigte sich vermehrt ein Blick auf das Tier als Mitgeschöpf, das von Menschen fürsorglich behandelt werden solle, wobei sich auch die Anmerkung fand, dass in der Realität häufig eine Kluft zwischen der Gesinnung/den Werten und der eigentlichen Handlungsweise zu beobachten sei, was sich auch in der Ambivalenz biblischer Texte finden lasse.
Mit dem Buddhismus wurden Aspekte verknüpft wie eine Verbindung des gesamten Ökosystems, Verantwortung, Genügsamkeit und ein Kreislauf des Lebens. Kritisch angemerkt wurde auch hier, dass die intrinsische Motivation sich in der Realität nicht immer in Handlungen äußere.
Viele Fragen konnten in den Diskussionen geklärt und Impulse gesetzt werden. Es gilt jedoch die Ansätze und auch die eingeworfenen Anfragen weiterhin zu reflektieren, eine eigene Motivation zu entwickeln und letztendlich ins eigene Handeln zu kommen, sobald eine individuelle Antwort gefunden wurde auf die Frage „Wozu nachhaltig leben?“