Warum und zu welchem Ende imitieren wir?

Die mimetischen Theorien von Gabriel Tarde, René Girard und Michael Tomasello im Vergleich

Autor/innen

  • Jonas Grutzpalk Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen

DOI:

https://doi.org/10.17879/zts-2016-4910

Abstract

Als ich im Herbst 2008 in der Buchhandlung des Naturkundemuseums Berlin Michael Tomasellos Buch „Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens“ in die Hand nahm, war mir schnell klar, dass ich damit einen wichtigen Schlüssel gefunden hatte. Als naturwissenschaftlich interessierter Soziologe hatte ich seit einiger Zeit mit wachsendem Befremden wahrgenommen, wie wenig sich die Mainstream-Soziologie mit der Frühgeschichte des Menschen beschäftigt. Es schien fast so, als sei der Mensch, über den sich Soziologen unterhalten, ein Wesen, das mit evolutionären Entwicklungen nichts zu tun hat.

Dabei hat es gerade in der Jugendzeit der Soziologie eine weit verbreitete Faszination für biologistische Abkürzungen gegeben und es ehrt die Soziologen des frühen 20. Jahrhunderts, dass sie nicht den naturalisierenden Kulturdeutungen ihrer Zeit blind gefolgt sind. Max Weber z. B. bekennt, dass er durchaus „persönlich und subjektiv die Bedeutung des biologischen Erbgutes hoch einzuschätzen geneigt ist.“ Er sehe allerdings „z. Z. noch keinerlei Weg, seinen Anteil an der hier untersuchten Entwicklung (...) irgendwie exakt zu erfassen oder auch nur vermutungsweise anzudeuten“ (Weber 1988, S. 15). In der Tat sind biologistische Schnellschüsse gefährlich wie ich aus meiner Beschäftigung mit rechtsextremistischen Intellektuellen weiß (Grutzpalk 1997). Begriffe aus der Evolutionstheorie wie „Selektionsdruck“ werden in deren Texten gerne zur Beschreibung und Erklärung ethnischer und kultureller Unterschiede herangezogen (z. B. de Benoist 1983, S. 398), was in eine rassistische Argumentation münden muss. Dass sich Soziologie vor so etwas zu hüten hat, versteht sich von selbst.

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Veröffentlicht

2016-09-12

Zitationsvorschlag

Grutzpalk, J. (2016). Warum und zu welchem Ende imitieren wir? Die mimetischen Theorien von Gabriel Tarde, René Girard und Michael Tomasello im Vergleich. Zeitschrift für Theoretische Soziologie, 188–205. https://doi.org/10.17879/zts-2016-4910
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