Vom Apfel bis zum Tatort – Dr. Theresa Saenger über ihren Weg zum LKA

© Uni Muenster - Fabian Logemann

Wie vielseitig Lebensmittelchemie sein kann, zeigt der berufliche Werdegang von Dr. Theresa Saenger (37). Schon früh weckte ein Gespräch mit ihrem Vater über die analytische Bestimmung der Apfelherkunft ihr Interesse an naturwissenschaftlichen Fragestellungen – heute leitet sie am Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen eine Fachgruppe mit Expert*innen aus Chemie, Pharmazie, Forensik und Lebensmittelchemie. Im Interview berichtet sie über ihren Weg vom Studium der Lebensmittelchemie an der Uni Münster bis zur kriminaltechnischen Arbeit beim LKA, über prägende Erfahrungen im Studium und darüber, wie wissenschaftliche Methoden in der Praxis zur Aufklärung von Straftaten beitragen.

Wie bist du auf das Studium gekommen? Was hat dich letztlich überzeugt?

Als ich in der 9. Klasse war hat mir mein Vater (Chemielehrer) nach einem Ausflug erzählt, dass es möglich ist anhand des Wassers nachzuweisen woher der Apfel kommt. Ich finde es bis heute sehr faszinierend, dass so etwas mit Isotopenbestimmungsanalytik möglich ist. Ab da wusste ich, dass ich etwas in der Richtung studieren möchte und habe dann in der 11. Klasse angefangen mich über das Lebensmittelchemiestudium zu informieren.

Warum hast du dich für Münster entschieden? Was macht die Stadt für Student*innen besonders?

Ich hatte mehrere Zusagen und habe mich aus dem Bauch heraus für Münster entschieden. Man merkt dort einfach: Die Stadt gehört den Student*innen – dort habe ich mich immer wohl gefühlt. In den Semesterferien haben wir (Lebensmittel-)Chemiker*innen die Stadt auch für uns, da wir Laborpraktika haben, die anderen Studierenden jedoch nicht in Münster sind. Besonders schön war, dass ich sogar dort im Studium eine Bekannte wiedergetroffen habe mit der ich noch bis heute guten Kontakt pflege. Münster war für mich einfach ein Glücksgriff und auch jetzt komme ich immer wieder gern in die Stadt zurück.

Gibt es etwas, das dich im Studium nachhaltig geprägt hat – fachlich oder persönlich?

Fachlich gesehen hat das Studium meine Leidenschaft für die instrumentelle Analytik geprägt. Da hat Münster auch einen sehr großen Schwerpunkt. Im Privaten bin ich bei neuen Produkten immer neugierig und schaue aufs Inhaltsverzeichnis. Und das machen alle Lebensmittelchemiker*innen in meinem Umfeld – sobald es etwas Neues gibt wird es gekauft und auf den Tisch gelegt, egal wie skurril das Produkt ist. Das ist auf jeden Fall durch das Studium gekommen.

Was ich auch gelernt habe ist, dass man in Deutschland keine Angst vor Lebensmitteln haben muss. Alles was ich hier im Supermarkt kaufen kann ist sicher. Das ist eine Aussage die ich mitgenommen habe.

Es ist auch eine Floskel, aber es stimmt: Es sind die Menschen mit denen man studiert. Das Gruppengefühl war in Münster aufgrund der Gruppengröße sehr stark. Einzelkämpfer*innen gibt es hier nicht und das Gruppengefühl wird z.B. durch Events sehr gestärkt.

Inwiefern hat dir dein Studium den Einstieg ins Berufsleben erleichtert? Und gab es ein bestimmtes Praktikum oder Projekt, das deine Richtung beeinflusst hat?

Die Kombination aus Studium, Promotion und Praktischem Jahr hat es mir ermöglicht als Prüfleiterin im Bereich Dioxine und Polychlorierte Biphenyle (PCB) am Lebensmitteluntersuchungsamt in Oldenburg zu arbeiten. Von Dioxinen hatte ich im Studium schon gehört und ich konnte dort direkt einsteigen. Das Wissen über Analytik und Toxikologie und die breit gefächerte Ausbildung hat mir den Start dort erleichtert. Da ich mit meinem Mann in die gleiche Stadt ziehen wollte und es hier spannende berufliche Optionen für uns beide gab, hat es uns dann nach Hannover verschlagen.

Als ich die Kriterien in der Ausschreibung gesehen habe, die für die Stelle beim LKA gefordert werden konnte ich jeden Punkt abhaken. Die Rechtsmedizinvorlesung hatte damals schon mein Interesse für das Thema geweckt. In der Promotion und im Studium lernt man wie man analytisch an Probleme ran geht auch dieser Aspekt hilft mir täglich in meinem Beruf.

Was sind deine täglichen Aufgaben?

Da würde ich einmal gerne zu meinen beiden Berufen am LKA etwas sagen.

1.            Sachverständige: Als Sachverständige im Bereich Toxikologie schreibe ich Gutachten in den Bereichen Betäubungsmittel, Gifte (Manipulation von Lebensmitteln) sowie zum Nachweis von Wirkstoffen jeglicher Art in Körperflüssigkeiten. Zu 90 % sitze ich am Schreibtisch und in Besprechungen und schreibe Gutachten aufgrund der Laborergebnisse, welche von den chemisch technischen Assistent*innen (CTA) produziert wurden. Dazu gehe ich auch mal ins Labor um gemeinsam mit den CTAs die Analysen zu planen, deren Ergebnisse später als Grundlage für Gerichtsprozesse verwendet werden. Es ist sehr wichtig, sich abzusprechen und Standards zu definieren, sodass alle Ergebnisse mit gleichem Maß beurteilt werden. Wir Lebensmittelchemiker*innen im Team haben zusätzlich eine besondere Expertise in der Analytik von Lebensmitteln die wir im Bereich Gifte einsetzen. Dabei geht es beispielweise um Beziehungstaten von bestimmten Schädigungsgraden z.B. durch manipulierte Lebensmittel. Die Gründe sind dabei weitreichend – von Rache bis Todesabsicht. In einigen Fällen müssen wir als Sachverständige unsere Gutachten auch vor Gericht vertreten. Außerdem beraten wir sowohl Polizisten als auch die Justiz bei Fragen zu unserem Fachgebiet.

2.            Fachgruppenleitung: In dieser Position habe ich die Personalverantwortung und die Fachaufsicht für meine Fachgruppe, die Fachgruppe Toxikologie/Brand/Umwelt (ca. 45 Personen). Ich habe jetzt viel mehr Besprechungen und komme seltener zum Schreiben von Gutachten. Weitere Aufgaben sind unter anderem Personalgespräche führen und Pläne für die Zukunft der Fachgruppe besprechen., . Desweiteren arbeiten wir als Gruppe und damit auch ich mit den Polizist*innen und der Justiz aus Niedersachsen zusammen. Es werden Beratungsgespräche zu aktuellen Themen, z.B. neuen Trends auf dem Drogenmarkt geführt und worauf zu achten ist. Außerdem wird mit dem Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung zusammengearbeitet. Wenn man Kolleg*innen fragt, würden sie sagen „Theresa ist immer überall“.

Was begeistert dich an deinem Job am meisten? Was motiviert dich?

Definitiv die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen - das gesamte Team liebt was es tut. Meine Mitarbeiter*innen fahren beispielsweise mit einem mobilen Labor zu Tatorten und können direkt vor Ort feststellen ob es sich um ein Drogenlabor handelt. Unsere Themen sind zudem sehr abwechslungsreich und man begegnet immer neuen Dingen. In den sechs Jahren hier war mir noch keinen Tag auf der Arbeit langweilig und ich habe gute Gründe zur Annahme, dass das auch so bleibt. Außerdem motiviert es mich einen Betrag zur Kriminalitätsbekämpfung zu leisten und zu helfen Schuld und Unschuld beweisen zu können.

Wenn du deinem jüngeren Ich vor dem Studienstart einen Tipp geben könntest – was würdest du sagen?

Ganz kurz und knackig: Lass es auf dich zukommen und genieß die Zeit!

 

Das Gespräch führte Nina Kühnhenrich. Bildbearbeitung durch Fabian Logemann.