Das Phänomen der „Reuigen Künstlerinnen“

Islamwissenschaftlerin Prof. Enderwitz über Re-Konversionen ägyptischer Frauen

News Rvl Die Reuigen Kuenstlerinnen
Prof. Dr. Susanne Enderwitz
© ska

Über medienwirksame Re-Konversionen in Ägypten hat die Heidelberger Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Susanne Enderwitz in der öffentlichen Ringvorlesung „Konversion. Glaubens- und Lebenswenden“ des Exzellenzclusters gesprochen. Sie ging in ihrem Vortrag dem Phänomen der sogenannten Reuigen Künstlerinnen (al-fannānāt at-tā’ibāt) aus den 1980er und 1990er Jahren nach. „Damals gaben eine Reihe von Sängerinnen, Tänzerinnen und Schauspielerinnen aus der staatlichen und privaten Unterhaltungsbranche ihren Beruf auf, bereuten öffentlich ihren bisherigen westlichen Lebensstil, verschleierten sich und wandten sich dem Islam zu“, erläuterte die Wissenschaftlerin. Das Beispiel zeige, dass das Bekenntnis zum Islam, das sich in der Verschleierung ausdrücke, in bestimmten historischen Situationen eine „willkommene Orientierung“ geboten habe. „Dass es sich dabei um Frauen aus moralisch ,anrüchigen‘ Berufsgruppen handelte, machte die Re-Konversion umso überzeugender. Viele ägyptische Frauen folgten dem Beispiel.“

Die re-islamisierten Frauen waren der Referentin zufolge danach bekannter und erhielten weit mehr mediale Aufmerksamkeit als in ihren früheren Berufen. „Sehr bald kursierte das Gerücht, die ehemaligen Künstlerinnen würden für ihre Re-Konversion zum Islam fürstlich bezahlt, und womöglich war das in manchen Fällen der Fall.“ Ein finanzieller Anreiz allein reiche aber nicht als Erklärung aus, „vor allem nicht mit Blick auf den Gender-Aspekt dieser Islam-Bekenntnisse. Denn von einer entsprechenden männlichen Bewegung ist nichts bekannt. Sicher re-konvertierten auch männliche Schauspieler und Sänger zum Islam, aber sie zogen bei weitem nicht dieselbe mediale Aufmerksamkeit auf sich wie die Frauen“, unterstrich die Heidelberger Forscherin.

„Mit dem Schleier in die Öffentlichkeit“

Vorbild dieser Lebenswenden war dem Vortrag zufolge die Autorin Kariman Hamza gewesen. Bereits in den 1970er Jahren habe sie „nicht trotz, sondern wegen ihrer Verschleierung“ eine mediale Karriere gemacht. „Bis heute tritt sie als Ikone der Verschleierungsbewegung auf“, so Prof. Enderwitz. Der Vortrag trug den Titel „Mit dem Schleier in die Öffentlichkeit: Ein Phänomen der (Re-)Konversion in Ägypten“. Zunächst war die Arabistin Prof. Dr. Barbara Winckler von der WWU im Programm vorgesehen, die ihren Vortrag absagen musste.

Prof. Enderwitz hat den Lehrstuhl für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients an der Universität Heidelberg inne. Sie ist Principal Investigator im Heidelberger Exzellenzcluster „Asia and Europe in a Global Context“. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Entstehung und Entwicklung des Islams, die Sozial- und Kulturgeschichte des Mittelalters sowie die Geschichte der arabischen Länder in der Moderne.

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© Joachim Schäfer - Ökumenisches Heiligenlexikon

Von der Antike bis heute

Die Ringvorlesung des Exzellenzclusters im Wintersemester 2015/16 untersucht religiöse, aber auch politische und weltanschauliche Konversionen von der Spätantike bis heute. In der Reihe kommen Vertreter verschiedener Disziplinen zu Wort: der Geschichts- und der Rechtswissenschaft, der Ethnologie, Theologie, Arabistik, Germanistik, Indonesischen Philologie, der Judaistik und der Mittellateinischen Philologie.

Die Vorträge sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 in Münster zu hören. Den nächsten Vortrag am 15. Dezember hält die Judaistin Prof. Dr. Regina Grundmann vom Exzellenzcluster zum Thema „Die Taufe als ,Entre Billet zur Europäischen Kultur‘? Übertritte vom Judentum zum Christentum im Deutschland des 19. Jahrhunderts“. (ska/vvm)

Ringvorlesung „Konversionen. Glaubens- und Lebenswenden“

Wintersemester 2015/2016
dienstags 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F2 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster