„Der älteste Kultplatz der Menschheit“

Archäologe Klaus Schmidt über das Bergheiligtum auf dem Göbekli Tepe

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Prof. Dr. Klaus Schmidt

© han

Über einen heiligen Ort der Steinzeit auf dem Berg Göbekli Tepe in Südanatolien hat der Erlanger Archäologe Prof. Dr. Klaus Schmidt in der öffentlichen Ringvorlesung „Heilige Orte“ gesprochen. „Der Göbekli Tepe ist mit einem Alter von etwa 11.000 Jahren der älteste bekannte errichtete Kultplatz der Menschheit“, sagte er in der Vortragsreihe des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ und des Centrums für Geschichte und Kultur des östlichen Mittelmeerraums (GKM). Der „bauchige Berg“, so die Übersetzung des Namens, liegt wenige Kilometer nordöstlich der heutigen Stadt Şanlıurfa im Südosten der Türkei und ragt über 750 Meter über die Harranebene auf. „Auf der höchsten Stelle befindet sich der im Durchmesser etwa 300 Meter große, steinzeitliche Ruinenhügel, dessen Silhouette sich am Horizont wie ein gewaltiger Bauch abzeichnet“, so der Wissenschaftler, der seit 1995 Ausgrabungen am Göbekli Tepe leitet.

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Ton-Mitschnitt des Vortrags

In seinem Vortrag zeichnete Prof. Schmidt die religiöse Bedeutung des Ortes anhand der Beschaffenheit der archäologischen Funde nach. „Im Ausgrabungsbefund dominieren monolithische, tonnenschwere, T-förmige Pfeiler, die – verbunden durch Mauern und steinerne Bänke – kreisförmige Anlagen bilden.“ Im Zentrum dieser Kreise befinden sich dem Archäologen zufolge besonders große Pfeiler, die bis zu fünf Meter hochragen. „Die T-Form dieser Pfeiler stellt in stilisierter Weise den menschlichen, höchstwahrscheinlich männlichen Körper in Seitenansicht dar. Die manchmal im Flachrelief sichtbaren Arme und Hände sowie Gürtel mit herabhängendem Lendenschurz bestätigen diese Deutung.“ Oft seien auf den Pfeilern weitere Reliefs angebracht, bei denen es meist um Tiere wie Auerochsen, Wildschweine und Füchse, Ibisse, Kraniche und Geier, Skorpione, Spinnen und Schlangen handele. „Hier werden Mythen der Steinzeit illustriert, die uns heute unbekannt sind“, erläuterte er.

„Eine weltweit einzigartige Schnittstelle“

Das Heiligtum auf dem Göbekli Tepe

Das Heiligtum auf dem Göbekli Tepe

© Wikipedia: Teomancimit

Vor dem von Menschenhand errichteten Göbekli Tepe hätten besondere Stellen in der Natur als Orte gedient, an denen Kultpraktiken ausgeübt worden seien. „Erstmals tritt hier an einer Kultstätte der Mensch in den Vordergrund, dem die Tiere untergeordnet sind“, fasste Prof. Schmidt eine wichtige Erkenntnis aus den bisherigen Grabungen zusammen. Es bestehe kein Zweifel, dass den Steinkreisen eine religiöse Bedeutung innewohne. „Die aus großen Steinblöcken errichteten Anlagen kennzeichnen den Göbekli Tepe als rituelles Zentrum. Es war zudem eine Kommunikationsplattform für eine offenbar großräumig vernetzte, jagende Bevölkerung, die nicht mehr umherzog, sondern in der Nähe des Berges sesshaft geworden war.“ Der Ort stelle damit eine weltweit einzigartige Schnittstelle zum Beginn nahrungsproduzierender Gesellschaften in Vorderasien dar und lasse den Wandel vom Jäger und Sammler zum Bauern in gänzlich neuem Licht erscheinen, so der Archäologe.

Auf dem Berg befinden sich nach den Worten des Wissenschaftlers schätzungsweise 30 bis 50 der kreisförmigen Anlagen, die auch als eine Art Grabhügel gedient haben könnten. „Jede dieser Anlage des Göbekli Tepe wurde am Ende ihrer Nutzungszeit absichtlich und systematisch verfüllt, also rituell beerdigt. Dann wurde eine neue Anlage in Benutzung genommen“, so der Archäologe. Nur deshalb seien die Steinblöcke wohl heute noch „so phänomenal erhalten“. Prof. Schmidt ist Professor für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitarbeiter der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Institut (DAI).

Ringvorlesung „Heilige Orte“

Plakat der Ringvorlesung

Plakat der Ringvorlesung

© Klearchos Kapoutsis

In der Ringvorlesung „Heilige Orte“ untersuchen namhafte Forscher im Wintersemester die historischen Ursprünge und Wandlungen religiöser Stätten wie Delphi, Jerusalem, Medina, Rom und Byzanz. Die Reihe geht auch den politischen und wirtschaftlichen Interessen sowie den Erinnerungskulturen nach, die sich mit den antiken Orten bis heute verbinden. Heilige Stätten entstanden oft an markanten Stellen in der Natur, an Quellen, auf Bergen oder in der Wüste. Religiöse Gemeinschaften verknüpften damit mythische Erzählungen und magische Rituale. Zu Wort kommen in der Reihe Vertreter unterschiedlicher Fächer wie der Altorientalistik, Ur- und Frühgeschichte, Ägyptologie, Alten Geschichte, Klassischen Archäologie und Philologie, Bibelwissenschaften und Byzantinistik sowie Religions- und Islamwissenschaften. Die Vorträge sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F1 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 in Münster zu hören. Den nächsten Vortrag am 10. Dezember hält Philologe Prof. Dr. Wolfgang Hübner aus Münster zum Thema „Roma Aeterna – Eine heilige Stadt in vorchristlicher Zeit?“. (han)


Heilige Orte. Ursprünge und Wandlungen - Politische Interessen - Erinnerungskulturen

Wintersemester 2013/2014
dienstags 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F1 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster