„Steche, schlage, würge hier, wer da kann“

US-Historiker Hendrix über Martin Luthers Rolle in den Bauernkriegen der Frühneuzeit

Über die Rolle von Martin Luther (1483-1546) in den deutschen Bauernkriegen hat der US-amerikanische Historiker und Luther-Experte Prof. Dr. Scott Hendrix aus Princeton in der Ringvorlesung „Verfolgung um Gottes willen“ gesprochen.

Prof. Dr. Scott Hendrix

Über die Rolle von Martin Luther (1483-1546) in den deutschen Bauernkriegen hat der US-amerikanische Historiker und Luther-Experte Prof. Dr. Scott Hendrix aus Princeton in der Ringvorlesung „Verfolgung um Gottes willen“ gesprochen. „Der Reformator Martin Luther ist untrennbar mit den frühneuzeitlichen Bauernkriegen verbunden“, erläuterte der Wissenschaftler. Grund dafür sei die Streitschrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der andern Bauern“ von 1525, in der Luther eine gnadenlose Niederwerfung der Bauern forderte.

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Ton-Mitschnitt des Vortrags

Der Reformator selbst nannte seine Schrift ein „hartes Büchlein gegen die Bauern“ und übte darin Kritik an den Aufständischen, wie Prof. Hendrix darlegte. Die Fürsten wiederum habe Luther zum Gegenschlag aufgerufen: „Darum liebe Herren erlöset hier, rettet hier, helft hier! Erbarmet euch der armen Leute! Steche, schlage, würge hier, wer da kann“. Für diese Äußerungen sei Luther schon zu Lebzeiten als „Fürstenschmeichler“ verspottet worden, erläuterte der Referent. Er ist emeritierter Professor für Reformationsgeschichte an der US-amerikanischen Princeton University in New Jersey und arbeitet derzeit an einer Biografie über Martin Luther.

Der Grund für Luthers Gewaltaufruf liegt nach Einschätzung des Historikers in der Auseinandersetzung zwischen dem Reformator und Thomas Müntzer (1489-1525). „Müntzer war ein ehemaliger Student in Wittenberg, der sich als Prophet der Endzeit ausgab und 1525 schließlich als Führer der besiegten Bauern hingerichtet wurde. Luther hatte Angst, dass der Emporkömmling Müntzer mit seinem Sendungsbewusstsein, die Gottlosen durch Gewalt auszurotten und eine reine Kirche der Auserwählten auf das Ende vorzubereiten, seine Reformation untergräbt.“ Luthers Bauernkrieg sei somit ein „Müntzerkrieg“ gewesen, mit dem Luther sich nicht nur gegen Müntzers Theologie und politische Strategie richtete, sondern auch gegen diesen persönlich als konkurrierenden Reformator und selbsternannten Apostel der Endzeit.

Luther war demnach überzeugt, dass nur er den göttlichen Auftrag habe, eine Reformation durchzuführen. In seinen Augen habe er nur Christus und keinem anderen Menschen gegenüber Rechenschaft ablegen müssen, sagte der Historiker. „Ihm war fast jedes Mittel recht, auch die Anwendung von Gewalt ohne Barmherzigkeit, um seinen persönlichen Bauernkrieg zu gewinnen und seine Reformation zu retten.“

Plakat der Ringvorlesung

Plakat

Die öffentliche Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ und des Centrums für Mittelalter- und Frühneuzeitforschung (CMF) geht der Diskriminierung und Verfolgung Andersgläubiger anhand zahlreicher Beispiele quer durch die mittelalterliche und neuzeitliche Geschichte nach. Die Themen reichen von der christlichen Häresiebekämpfung im Frühmittelalter und den Konfessionskonflikten der Frühneuzeit über den Kirchenkampf in der DDR bis zur Buddhistenverfolgung im kommunistischen Kambodscha und zur Christenverfolgung im Nahen Osten. Den letzten Vortrag der Reihe hält am kommenden Dienstag, 9. Juli, Historiker Prof. Dr. Hans-Werner Goetz aus Hamburg über „Wahrnehmung anderer Religionen im mittelalterlichen Christentum“. Der Vortrag ist von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 zu hören. (ska)