„Eine Bankenaufsicht durch Scharia-Räte reicht nicht“

Cluster-Wissenschaftler Prof. Dr. Casper über islamkonforme Finanzgeschäfte

Pm-matthias-casper-zu-islamic-banking

Prof. Dr. Matthias Casper

Deutschland muss nach Auffassung von Wirtschaftsexperten möglichst bald rechtliche Regeln für islamische Finanzgeschäfte schaffen. Wegen dieser Lücke im Bankenaufsichtsrecht können bisher viele islamische Finanzprodukte ohne Kontrolle durch die Bankenaufsicht vertrieben werden. Dies ist bedenklich, schreibt Wirtschaftswissenschaftler und Jurist Prof. Dr. Matthias Casper vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (2. März). Bisher entschieden Scharia-Räte aus externen islamischen Rechtsgelehrten, ob ein Finanzdienstleister das Siegel „islamkonform“ verdiene, Die Räte prüfen laut Casper, ob die gesamte Geschäftspolitik des betreffenden Unternehmens den Vorgaben der Scharia entspricht. Diese Zertifizierungsfunktion solle zwar nicht der Bankenaufsicht übertragen werden, allerdings sollte die Kontrolle der Tätigkeit dieser Sharia-Räte nicht der allgemeinen Gewerbeaufsicht überlassen werden, die hierfür nicht ausreichend qualifiziert ist.

In den vergangenen vierzig Jahren hat sich das „Islamic Banking“ weltweit zu großen Wachstumsmärkten entwickelt, wie der Wissenschaftler erläutert. Dabei unterliege in Deutschland nicht jedes Finanzprodukt, das laut Scharia-Räten den Anforderungen des islamischen Rechts genügt, automatisch der Aufsicht. „Damit werden gerade die oft weniger seriösen oder finanzkräftigen Vermittler nur einzelner islamkonformer Finanzprodukte nicht durchweg erfasst. Dies ist rechtspolitisch bedenklich“, so der Jurist.

Handlungsbedarf bei der laufenden Bankenaufsicht

Bei der laufenden Bankenaufsicht besteht nach Einschätzung von Casper spätestens dann Handlungsbedarf, wenn die erste islamische Vollbank in Deutschland eröffnet werden soll. „Nicht nur die Refinanzierung, sondern auch das Liquiditäts- und Risikokontrollmanagement unterscheiden sich nachhaltig von konventionellen Geschäftsbanken“. Die Gründung einer islamischen Vollbank, die ihre Produkte Scharia-konform gestaltet, ist vor allem für die vier Millionen Muslime in Deutschland attraktiv. England hat für solche Bankhäuser bereits den rechtlichen Rahmen geschaffen.

Prof. Casper leitet am Exzellenzcluster das Projekt A14 „Religiös motivierte Geldanlage: vom Zinsverbot zum Islamic Finance“. Hintergrund ist das islamische Zinsverbot, das so genannte Riba-Verbot. Im Koran steht „Gott hat den Kauf erlaubt und den riba (Wucher) verboten“. Während das kanonische Zinsverbot in den westlichen Volkswirtschaften seit Jahrhunderten nicht mehr berücksichtigt wird, spielt das koranische Zinsverbot weltweit eine wachsende Rolle. Scharia-konforme Finanzprodukte zielen darauf ab, dass kein Zins gezahlt wird, die Bank aber dennoch Gegenleistungen erhält. In den vergangenen 40 Jahren hat sich der Sektor „Islamic Finance“ gebildet, der inzwischen weit über die arabische Welt hinausgeht. (frö/vvm)