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Wissenschaftliches Vortragen üben

Ein studentisches Projekt führt Studium und Forschung zusammen

Eine Vortragsreihe von Studierenden für Studierende findet in diesem Wintersemester im Germanistischen Institut der Universität Münster statt. In ihren Vorträgen befassen sich die Studierenden mit der Analyse von Alltagskommunikation. Organisiert und durchgeführt wird das Projekt „Sprache und Interaktion 2 – Verfestigte Muster in der Alltagskommunikation“, zu dem neben der Vortragsreihe auch die Publikation eines Sammelbands mit den Beiträgen der studentischen Referenten gehört, von den Masterstudentinnen Katja Arens und Sarah Torres. Finanziell unterstützt wird das Projekt aus dem Fördertopf des Rektorats für Forschungsprojekte Studierender.

Sie veranstalten in diesem Semester eine studentische Vortragsreihe zu Sprache und sozialer Ordnung. Es geht in den Vorträgen unter anderem um Shitstorms und Twitter-Kommunikation. Aber, ganz grundsätzlich, was hat Sprache eigentlich mit sozialer Ordnung zu tun?

Sarah Torres: Die soziale Ordnung wird über verschiedene Komponenten hergestellt – durch den Raum, das Medium, die Außenstruktur oder auch die Teilnehmerkonstellation. Auch Vorwissen, Sozialisation und Kultur spielen eine große Rolle und der Sprachgebrauch ist ein Teil davon. Dazu kommt das Prinzip der Reflexivität. Beispiel: Eine Vorlesung kommt erst zustande, indem wir sie durch die Rahmenbedingungen und durch unser Verhalten zu einer Vorlesung machen. Dadurch, dass der Dozent am Rednerpult steht und spricht, wir als Hörer aber keine Hörersignale geben, nicht auf rhetorische Fragen antworten und still zuhören, der Dozent also der Hauptredner ist, wird das Ganze zu einer  Vorlesung. Sprache ist ein großer Teil, der zu sozialer Ordnung beiträgt, denn durch unsere Äußerungen und dadurch, wie wir sprechen, werden Situationen stets mitkonstituiert.

Katja Arens: Oder man denke an das Duzen und Siezen. Mit dem Siezen des Professors stellt man gleich eine soziale Ordnung her. Sprache macht hier also soziale Verhältnisse deutlich, weil sich der Sprachgebrauch jeweils nach der Umgebung richtet. Wenn ich mich in der Universität befinde, verhalte ich mich ganz anders als bei einem Spieleabend mit Freunden. Sprache und Kontext wirken immer zusammen.

In den Vorträgen geht es um die Analyse von Alltagskommunikation. Was verbindet Shitstorms, WhatsApp-Nachrichten oder auch Hashtags miteinander?

Torres: Diese speziellen Phänomene eint, dass sie kommunikative Gattungen darstellen. Kommunikative Gattungen helfen uns beim Kommunizieren. Sie sind kulturell und gesellschaftlich verfestigte Muster, um bestimmte kommunikative Probleme zu lösen, sodass wir nicht immer wieder neu darüber nachdenken müssen, wie wir eine Situation, zum Beispiel ein Bewerbungsgespräch, lösen können. Wir wissen, was uns in bestimmten Situationen erwartet und wie wir darauf kommunikativ zu reagieren haben.

Wie entstand nun die Idee der Vortragsreihe?


Arens: 2013 gab es bereits die erste Version einer studentischen Vortragsreihe im CeSI [Centrum für Sprache und Interaktion]. Damals habe ich als Studentin teilgenommen. Nachher haben wir [Sarah Torres und Katja Arens] überlegt, ob es eine Fortsetzung dieses Konzepts geben könnte. Wir haben darüber mit Dr. Nils Bahlo gesprochen und nun, nach zwei Jahren, führen wir die Reihe in einer etwas anderen Form fort. Jetzt finden die Vorträge nicht im Rahmen einer kompakten Tagung statt, sondern in einem regulären Seminar.

Welches Anliegen haben Sie mit Ihrem studentischen Projekt?

Torres: Wir möchten Studierenden die Möglichkeit geben, außerhalb dieser manchmal fast „bedrohenden“ Situation einer ersten Tagung zu sehen, wie man vorträgt und wie es ist, die eigenen Forschungsergebnisse zu teilen und direkt Rückmeldungen zu bekommen.

Arens: Bei den studentischen Vorträgen handelt es sich ja schließlich nicht um normale, benotete Referate, sondern um die Präsentation von Projekten, die oftmals erst im Entstehen sind. Wir möchten den Bachelor- und Masterstudierenden die Gelegenheit geben, ihre Arbeiten vorzustellen und Impulse zu bekommen. Bei uns kann man einüben, wie man eigentlich wissenschaftlich vorträgt.

Wie konnten Sie die zehn Vortragenden für das Projekt gewinnen?


Arens: Wir haben unseren Kommilitoninnen und Kommilitonen von dem Projekt erzählt und teilweise Studierende, von denen wir wussten, dass sie über ein spannendes Thema ihre Masterarbeit schreiben, direkt angesprochen. Auch sind einige auf uns zugekommen, die von dem Projekt gehört haben.

Torres: Die Vortragenden kommen aus den verschiedenen Studiengängen am Germanistischen Institut, haben aber alle einen sprachwissenschaftlichen Schwerpunkt.

Für die Finanzierung des Projekts haben Sie einen Antrag an die Rektoratskommission für Forschungsangelegenheiten gerichtet. Hatten Sie da Unterstützung?

Torres: Zuerst haben wir ja mit Dr. Nils Bahlo über unsere Idee einer Vortragsreihe von Studierenden für Studierende gesprochen. Er hat uns empfohlen, uns bei dieser Kommission zu melden. Den Antrag haben wir dann natürlich in Zusammenarbeit mit ihm geschrieben und wir haben viele hilfreiche Kommentare von Prof. Dr. Susanne Günthner erhalten. Die Unterstützung vom CeSI ist wirklich sehr groß.

Die Vorträge finden im Rahmen eines Seminars von Herrn Dr. Bahlo statt. Er hat die methodischen Einführungssitzungen gestaltet. Bleibt er als Berater und Diskutant in den späteren Sitzungen dabei?

Torres: Ja, auf jeden Fall. Die Vortragsreihe ist ein komplett neues Projekt und wir sind selber gespannt, wie das ganze Projekt jetzt abläuft. Da ist es auch wirklich ganz gut, wenn jemand mit viel Erfahrung dabei ist.

Sie planen auch einen Sammelband: ein großes Unterfangen für zwei Studentinnen, aber auch eine perfekte Vorbereitung für späteres wissenschaftliches Arbeiten.

Arens: Vor der Publikation haben wir im Moment auch noch ein bisschen Respekt. Nachdem die Vorträge gehalten wurden, reichen die Vortragenden ihre Artikel ein, die wir dann redigieren und formatieren. Und am Ende geben wir den Sammelband heraus.

Torres: Auch da wird die Unterstützung von Dr. Nils Bahlo und Prof. Susanne Günthner zum Tragen kommen. Wir haben beide schon Artikel geschrieben, aber mit dem Publizieren eines ganzen Bandes haben wir natürlich noch gar keine Erfahrung.

Arens: Wir beide fangen jetzt an, unsere Masterarbeit zu schreiben und können uns gut vorstellen, im Anschluss zu promovieren…

Torres: …und da ist die Planung des Projekts und die Publikation eines Sammelbands eigentlich eine ganz gute Vorbereitung.

Würden Sie anderen Studierenden empfehlen, selbst Projekte zu initiieren und entsprechende Gelder einzuwerben?

Arens: Auf jeden Fall. Vor allem kann ich es den Leuten empfehlen, die sich für Wissenschaft und Forschung interessieren. Solch ein Projekt ist wirklich etwas ganz anderes als das, was man sonst im Studium erlebt. Man kann da einen Schritt weiter gehen und eigene Erfahrungen sammeln.

Torres: Auf jeden Fall hätten wir damals, als wir den Antrag gestellt haben, nicht damit gerechnet, dass wir die Förderung in vollem Maße erhalten. Es war einfach toll, dieses Vertrauen zu bekommen. Wir merken auch, dass die Vortragenden sehr enthusiastisch und begeistert sind und das Projekt schätzen und ich glaube, es hilft auch sehr, wenn solch eine Vortragsreihe von Studierenden selbst geleitet wird. Ich habe das Gefühl, dass mir persönlich das Projekt schon jetzt sehr viel bringt. Ich bekomme durch die Organisation einen ganz anderen Einblick in die Wissenschaft.

Arens: Das typische Dozenten-Studenten-Verhältnis gibt es bei uns nicht…

Torres: …und dennoch ist die Motivation da. Die Vortragenden halten sich an Deadlines und möchten gute Ergebnisse liefern. Das freut uns sehr.

Das Gespräch führte Laura Reiling.

Die Vorträge finden dienstags von 16 bis 18 Uhr im Rahmen des Seminars „Sprache und soziale Ordnung“ in Raum 17 im Germanistischen Institut, Schlossplatz 34, statt. Plakate im Institut kündigen den jeweils aktuellen Vortrag an. Interessierte sind herzlich willkommen.

Germanistisches Institut
Centrum Sprache und Interaktion (CeSI)

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© Fachbereich Philologie

Förderung studentischer Forschungsprojekte

Das Rektorat der Universität Münster fördert Forschungsprojekte Studierender und vergibt dafür jährlich bis zu 50.000 Euro. Eine Einzelförderung ist bis zu einem Betrag von 5.000 Euro möglich. Die Laufzeit der Projekte darf 12 Monate nicht übersteigen. Weitere Informationen