Diesen Rahmenbedingungen entsprechend, verfolgte das
Intensivseminar die Grobziele:
- Grundlagenwissen
über die Rolle der Vereinten Nationen als weltweite Institution und Global
Player zu vermitteln,
- dieses
in konkreten Fallbeispielen zu spezialisieren und
- schließlich
in einer eigenen, im Seminar durchgeführten Simulation unter „Echtzeitbedingungen“
unter den offiziellen Regularien der UN-Debattenkultur anwenden zu können.
Von der fachlichen Ausrichtung her wurde im Seminar
durchgängig Wert auf Interdisziplinarität gelegt. Dies bezog sich jedoch nicht
nur auf die Themen und Ansätze, sondern auch auf die Lerngruppe selbst. Neben
Studierenden der Geographie nahmen auch Politikwissenschaftler und Studenten
des internationalen Rechts teil. Gleichfalls kamen auch die Tutoren nicht
allein aus der Geographie, sondern auch aus den Bereichen der Geschichte und
der Rechtswissenschaften, sodass hier ein ergänzender Wissensinput möglich war,
der insbesondere für den Themenbereich der Vereinten Nationen (z. B.
völkerrechtliche Fragen, Fragen der historischen Konstitution und Entwicklung)
als unverzichtbar angesehen werden muss. Konkret wurden von Seiten der Tutoren
beispielsweise ideengeschichtliche und völkerrechtliche Kontinuitäten
nachgezeichnet sowie die UN-Politik unter Einfluss von nationalstaatlichen und
ethnischen Diskursen untersucht, um durch diese Ergebnisse die Seminardiskussion
zu bereichern. Aus dieser Gesamtkonzeption ergab sich in der
Operationalisierung der folgende Seminarverlauf:
2. Seminarverlauf
Block 1 : Allgemeine Strukturen und
Entscheidungsfindung der Vereinten Nationen
| Der erste Block konzentrierte sich auf Entstehung,
Geschichte und Bedeutung der UN unter Einbezug des für das gesamte Seminar
wichtigen theoretisch-konzeptionellen Rahmens. Der Einführung in die
Vorgeschichte der Vereinten Nationen als Ideengeschichte der internationalen
Beziehungen folgte eine Gruppenarbeitsphase zu Etappen der Entwicklung der UN.
Diese konnte auf Grund der Tutorenbetreuung in intensiver Gruppenarbeit
arbeitsteilig je aus der Perspektive dreier verschiedener Staaten rekonstruiert
werden. Aus interdisziplinärem Blickwinkel sollte die nächste Sitzung
Grundlagen des Völkerrechts, der UN-Charta und der Organe dieser Organisation
erarbeiten.
|
Den Studierenden wurden die für die internationale Zusammenarbeit
entscheidenden Prinzipien nahe gebracht, anhand derer in den folgenden
Sitzungen in konkreten Fällen Grenzen und Freiräume der Staaten sowie Lücken
und Fallstricke des Rechts analysiert werden konnten.
|
Darauf aufbauend wurde aus handlungstheoretischer
Perspektive die entscheidende Schaltstelle der Vereinten Nationen analysiert,
der Weltsicherheitsrat. Dabei konnte vor allem seine Macht, Handlungsfähigkeit
und -legitimation auf internationaler Ebene problematisiert werden. Daran
schloss die nächste Sitzung mit der Analyse der UN als Diskursproduzent und Verbreiter
geopolitischer Leitbilder an, die neben den Rahmungen des Kalten Krieges und
der Entkolonialisierung auch neuere Weltordnungskonzepte seit dem Beginn der
1990er Jahre beinhaltete. In beiden Sitzungen wurden jeweils nach einer, durch
Referate eher allgemein gehaltenen Einführung zur Konkretisierung und
Vertiefung in Kleingruppen drei Fallbeispiele näher beleuchtet, an denen sich
die allgemeine Problematik in ihrer spezifischen Ausgestaltung konkretisieren
und anwenden ließ (Korea 1950-1953, Kongo 1960-1964, Somalia 1990-1993).
Block 2 : Fallbeispiele – Die Rolle der UN in globalen Krisen und
Konflikten unserer Zeit
Den
ersten Schwerpunkt des zweiten Blocks bildeten militärische und humanitäre Einsätze
in Konfliktregionen. So wurden zunächst in einem Referat Ziele und Kompetenzen,
aber auch Beschränkungen und Probleme der Einsätze von Friedensmissionen dargelegt,
um sie anhand zweier qualitativer Filmanalysen in Beziehung zu
leitbildrelevanten Aspekten der kollektiven Erinnerung, aber auch der bewussten
Manipulation der Darstellung der UN mit Mitteln des (Propaganda-)Filmes zu
setzen. Ausgewählt wurden dazu Passagen aus verschiedenen Filmen über
Blauhelmeinsätze.
In der folgenden Woche wurden anhand des UNHCR humanitäre
Einsätze untersucht. Hier beschäftigten sich die Arbeitsgruppen neben einem
historischen Beispiel aus der Zeit des Kalten Krieges (Kambodscha 1979-1980)
auch mit einem aktuellen Einsatz (Sudan). Die dritte Gruppe der
Seminarteilnehmer analysierte Flüchtlingshilfe unter Genderaspekten. Sie
widmete sich der besonderen Situation von Frauen im bewaffneten Konflikt, auf
der Flucht und im Aufnahmeland.
Darauf folgte als zweiter Schwerpunkt dieses Blocks eine
Analyse regionaler Fallbeispiele. An die Untersuchung der Konflikte auf dem
Balkan in den 1990er Jahren schloss sich eine kurze simulierte
Friedenskonferenz zwischen Serben, Albanern und Bosniaken an. Die kritische
Auseinandersetzung mit dem Ruandakonflikt (1993-1994) komplettierte eine
Spielfilmanalyse am Abend („Hotel Ruanda“; USA/GB 2004), wobei jeweils
verstärkt auf die Vereinten Nationen innerhalb nationalstaatlicher und
ethnischer Rahmungen eingegangen wurde.
Das dritte Fallbeispiel beschäftigte sich mit der internationalen
Gerichtsbarkeit als Akteur, Plattform und Instrument der Weltordnung. Aufbauend
auf den bisher erworbenen Kenntnissen des Völkerrechts wurden Verfahren und
Gutachten vor dem Internationalen Gerichtshof sowie die Rolle des
Internationalen Strafgerichtshofs und ihre jeweilige
Streitentscheidungsrelevanz problematisiert.
Block 3 : Simulation der Entscheidungsfindung der UN („Model United Nations“)
Um nach dem Erwerb dieses
Fachwissens sowie der methodischen Fähigkeiten eine nachgebildete UN-Sitzung
abhalten zu können, mussten die Seminarteilnehmer vorab noch in den Rules of
Procedure der Institution geschult werden. Neben formalen Regeln spielte
auch die Taktik einer erfolgreichen Verhandlungsführung eine Rolle. In der
Vorbereitung für die Simulation mussten die Studierenden besonders darauf
achten, in der obligatorischen Recherche und Vorarbeit die Positionen der ihnen
zugeteilten Staaten ausfindig zu machen, um die Staaten getreu und überzeugend
darstellen zu können.
Den Abschluss bildete dann eine professionelle Simulation
des Disarmament Committee der Generalversammlung, die unter dem Thema „Response
to terrorist attacks“ stand. Die Studierenden zeichneten sich als Botschafter
und Interessenvertreter ihrer jeweiligen Staaten aus und stellten sich gut
gerüstet einer kontroversen Debatte, die in englischer Sprache methodisch
korrekt nach offiziellen Verfahrensregeln ablief.