Sigold Richter M.A.
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Sigold Richter M.A.
Robert-Koch-Str. 29
48149 Münster
Deutschland
  • Dissertationsprojekt

    Arbeitstitel: Formierung von Wissen und Wandel der Form im Natur-Konzept des Strickers

    Als Adaptionsergebnis antiker Fabel- und mittellateinischer Exempeltradition begründen die bîspel des Strickers erstmals einen volkssprachlichen Fabeldiskurs. Mit didaktischer Intention werden anthropologische Fragestellungen anhand gleichwertig gewichtetem narrativen Bildteil und erläuterndem Auslegungsteil erörtert und ethische Normative postuliert. Argumentativ operieren die Erzählverfahren mittels reglementierenden ordo, der sich aus einem Naturkonzept konstituiert. Konstanter Bestandteil der Erzählmotive sind die durch nature und art determinierten charakterlichen Dispositionen der Akteure, die in ein Relationsverhältnis zu menschlicher Eigenart gesetzt werden.


    Die für den Stricker charakteristische Naturkonzeption steht dem Anschein nach in einem spezifischen historischen Kontext. Nicht zuletzt durch den Einfluss der 'Schule von Chartres' bildet sich im Laufe des 12. Jahrhunderts ein tendenziell metaphorisches Naturverständnis heraus, welches das traditionelle Verfahren der Allegorese als Instrument der Welterschließung ergänzt. Es vollzieht sich in der Erkenntnisbestrebung, die Natur Gottes zu erfassen, ein paradigmatischer Wechsel: Die Reduktion der natürlichen Dinge auf ihren Zeichencharakter zum Zwecke einer metaphysischen Auslegung tritt hinter den Versuch zurück, die Göttlichen Wirkweisen im immanenten Raum unter einem vergleichsweise rationalen Blickwinkel zu definieren. Das Dissertationsprojekt soll das Naturkonzept der bîspel vor dem Hintergrund eines im Umbruch begriffenen Naturverständnisses eruieren, indem es die zugrundeliegende Interaktion aus konventioneller Tradierung der Wissensbestände und dessen innovativer Aktualisierung aufgrund externer Faktoren erörtert. Die Überprüfung der Anschlussmöglichkeiten chartrensisch- naturphilosophischer Positionen an eine literarische Weiterverarbeitung verspricht, das kontingente Potential tradierter Narrative mit Hinblick auf die Dynamisierungsprozesse der Wissensbestände offenzulegen und ganz konkret die Intention von Neu- und Umgestaltungen der Fabelmotive innerhalb der bîspel zu bestimmen. Inwieweit öffnen sich die Strickerschen Kurzerzählungen dem zeitgenössischen Diskurs und inwiefern werden Aspekte, möglicherweise durch verstetigte Konventionalisierung bedingt, exkludiert?


    Im Fokus der Untersuchung steht die Sichtbarmachung des Spannungsverhältnisses von Konvention und Innovation mithilfe des funktionalen Wandels des Tiervergleichs. Die in den bîspel gezeichneten Verhandlungen über die natürlichen Dispositionen von Mensch und Tier sollen mit Bezugnahme auf die vom naturphilosophischen Diskurs erarbeite 'Definition des Menschlichen' herausgearbeitet und hinsichtlich des überlieferten Wissens kontextualisiert werden. Im Gegensatz zur traditionellen Fabel ist der Komparation von Mensch und Tier in den bîspel eine moralische Dimension inhärent. Die hybrid gezeichneten Akteure vereinen konträre Positionen, anhand derer einerseits die naturhafte Gemeinschaft der Lebewesen konfiguriert, andererseits die natürliche Differenz durch eine divergente Wertigkeit konturiert wird. Die Überlagerungen tierlicher und menschlicher Kompetenzbereiche innerhalb der Figurenrealisation, produzieren Situationen der Transgression, welche der Elaboration von Kategoriebestimmung und -begrenzung dienen.

  • Vita

    seit Oktober 2016 Doktorand am DFG-Graduiertenkolleg "Literarische Form", WWU Münster.
    seit 10/2016 Lehrbeauftragter am Germanistischen Seminar der CAU Kiel.
    11/2015 - 09/2016 Wissenschaftliche Hilfskraft bei JProf. Dr. Weitbrecht, Lehrstuhl für Deutsche Literatur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, CAU Kiel.
    04/2015 - 09/2016 Wissenschaftliche Hilfskraft des DFG-Projekts "Beredte Tiere. Narrative Konfigurationen von Mensch-Tier-Beziehungen in der deutschsprachigen Literatur des 14.-16. Jahrhunderts", CAU Kiel
    seit WS 2014/15 Tutorentätigkeit am Germanistischen Seminar, CAU Kiel
    10/2014 - 09/2016 Wissenschaftliche Hilfskraft bei Prof. Dr. Reuvekamp-Felber, Lehrstuhl für Deutsche Literatur des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, CAU Kiel.
    04/2013 - 09/2016 Studium an der CAU Kiel mit den Schwerpunkten Ältere Deutsche Literatur und Mittelalterliche Geschichte.
    Abschluss: Master of Arts
    10/2009 - 05/2013 Studium der Fächer Deutsch und Geschichte an der CAU Kiel Abschluss: Bachelor of Arts

  • Lehre

    WS 2016/17 Seminar: Konzeptionen von natûre in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters