„Das Verachtete in den Augen der Welt, was nichts gilt, hat Gott erwählt, um das, was gilt, zunichte zu machen (oder: ...um abzutun, was gilt); denn vor Gott soll sich kein Sterblicher rühmen...“ (1 Kor 1,28f)

Iris Müller (geb. 11.09.1930)

hat nun ihren „guten Kampf gekämpft, ihren Lauf in dieser Welt vollendet...“ 
(vgl. 2 Tim 4,7f).

Sie hatte schon früh hochherzige Ideale, die sie mit großem Einsatz zu erfüllen suchte.
So war ihr Leben geprägt von Kampf und Anstrengungen, auch von einigen erreichten  Zielen – freilich nicht unbelastet von Demütigungen und Krankheiten.

Iris Müller entschied sich nach ihrem Schulabschluss aus einer religiösen Berufung für ein Theologiestudium mit dem Berufsziel: Pastorin. Sie studierte zunächst an dem Katechetischen Oberseminar in Naumburg/Saale. Es war ein Studienzentrum für diejenigen, die sich dem unterdrückerischen Regime in der ehemaligen DDR nicht anpassten, sondern Widerstand dagegen leisteten. Schon als Schülerin wagte Iris Müller in diesem Staat das „freie Wort“ gegen politische Repression und Unterdrückung.
In Halle/Saale schloss sie ihr evangelisches Theologiestudium mit einem Diplom ab (1958). Nach Abschluss dieses Studiums konvertierte sie zur kath. Kirche. Sie suchte dort u.a. einen tieferen religiösen, spirituellen Weg.
Aber ihr Schritt hatte für sie schwer wiegende existentielle Folgen: Der Zugang zum Priesteramt war ihr als Frau verwehrt. Sie bekannte – schon vor ihrer Konversion – offen, dass sie mit dieser Regelung nicht einverstanden war, hoffte aber darauf, die verantwortlichen Amtsträger in der kath. Kirche mit guten Argumenten davon überzeugen zu können, dass der Ausschluss der Frau von geistlichen Ämtern auf unhaltbaren theologischen Gründen basierte.
Das war – aus heutiger Sicht – freilich ein großer Irrtum!
Aber Iris Müller ging konsequent auf dem eingeschlagenen Weg voran.

Sie musste aus existentiellen Gründen aus der DDR fliehen, – für kath. Theologinnen gab es dort keine beruflichen Möglichkeiten – das war 1959, zwei Jahre vor dem Mauerbau in Berlin.
Nach einer risikoreichen Flucht  in  Westdeutschland  angekommen, konnte sie schließlich nach mehreren Umwegen und  Schwierigkeiten, die sich ihr als Flüchtling entgegenstellten, das  Theologiestudium in Münster fortsetzen. Sie schloss es mit der Promotion ab.

Während ihres Theologiestudiums trat sie als erste Frau in der kath.- theol. Fakultät der Universität Münster freimütig für den Zugang von Frauen zum Priesteramt ein, obwohl sie damals in keiner Weise existentiell „abgesichert“ war.
Die Folgen dieses mutigen Vorgehens blieben nicht aus: das kleine Stipendium, auf das sie als Flüchtling dringend angewiesen war, sollte ihr entzogen werden; sie hatte keine Aussicht auf eine berufliche Anstellung  im kirchlichen Bereich.
Aber auf der anderen Seite konnte sie durch ihr mutiges Wort andere katholische Frauen, die aufgrund ihrer Erziehung angepasst und eingeschüchtert waren, „aufwecken“ und erfüllte damit eine wirklich prophetische Aufgabe.

Auch nach ihrem Examen setzte sie ihren Kampf für die Befreiung der katholischen Frauen aus diskriminierenden Fesseln fort -  durch Veröffentlichungen, Vorträge und Korrespondenz; ferner durch den Aufbau einer Bibliothek „Frau in den Religionen (vorwiegend:  Judentum, Christentum, Islam)“ in der theologischen Fakultät der Universität Münster. Die Überwindung der Frauendiskriminierung nicht nur im Christentum, sondern auch in anderen Religionen war für Iris Müller stets ein wichtiges Anliegen.

Als das Nein von Seiten des Vatikans zur Frauenordination immer massiver und anhaltender wurde und sich keine Hoffnung auf eine „systemimmanente“ Lösung des Problems abzeichnete, entschied sich Iris Müller – zusammen mit 6 anderen Frauen – zu einem öffentlichem Handeln gegen das bestehende Gesetz des Ausschlusses der Frauen von der Ordination (CIC can. 1024):
Sie wurde am 29. Juni 2002 zur Priesterin ordiniert.

So hat sie ihr Berufsziel erreicht – wenn auch noch nicht von der „Amtskirche“ anerkannt , – aber als eine Frau, die einen befreienden Weg für ihre Schwestern eröffnet hat. So hat Iris Müller ihren guten Kampf gekämpft –  damit sich auch katholische Frauen ihrer „Freiheit als Töchter Gottes“ in Zukunft einmal erfreuen können.

Meditation und Religiosität waren für Iris Müller eine wirkliche Lebenshilfe, aus denen sie die Kraft für die Bewältigung ihrer Lebensprobleme und  Belastungen schöpfte.
Ihr Konfirmationsspruch lautete:
„Wenn Gott an eines Menschen Wegen Gefallen hat, bringt Gott auch seine Feinde zum Frieden mit ihm.“ (Prov.16,7).
Sie hat viel über dieses Bibelwort nachgedacht – es war rätselhaft/tiefsinnig  wie auch erschreckend für sie, nicht zuletzt, weil darin von „Feinden“ die Rede ist.

In ihrem Gebetbuch finden sich folgende von ihr persönlich geschriebene Zeilen:

„So geschieht im Tod das Wunder der Verwandlung. Über ihm liegt das unbesiegbare Versprechen  der Erlösung und Auferstehung. Denn es bedeutet, dass ich alles, was mir gehört, Gott übergebe – und Gott gibt es mir verwandelt zurück. Leben besiegt den Tod.“

Dies ist auch unser Glaube und unsere Hoffnung für die Verstorbene!
Ein edler, großmütiger  Mensch ist von uns gegangen und in den Frieden Gottes heimgerufen worden.

Behalten wir Iris Müller in treuem Gedächtnis!


(Ida Raming, im Winter  2011)