Apologie für das Alter des Judentums

Bitte beachten Sie, dass es sich beim folgenden Text um eine vorläufige Übersetzung ohne kritischen Apparat und Fußnoten handelt!

(c) Institutum Judaicum Delitzschianum, Münster 2003

1. Buch, 1. Hauptteil

Hinreichend meine ich schon, hochangesehener Epaphroditos, in meiner Schrift Altertumskunde denjenigen, die sie lesen werden, deutlich gemacht zu haben, dass unser jüdisches Volk (erstens) sehr alt ist und seinen ursprünglichen Bestand für sich bekam, und wie es (zweitens) das Land, das wir nun innehaben, bewohnte; ich habe nämlich eine fünftausend Jahre umfassende Geschichte aus unseren heiligen Büchern in griechischer Sprache abgefasst. Da ich aber viele sehe, die den übelwollenden Nachreden, die von einigen geäußert wurden, Beachtung schenken und dem in der "Alten Geschichte" von mir Geschriebenen misstrauen und es als Beweis für das geringe Alter unseres Volkes anführen, dass es bei den anerkannten Geschichtsschreibern der Griechen keiner Erwähnung gewürdigt wurde, glaubte ich über dies alles kurz schreiben zu müssen, um den Lästerern die Böswilligkeit und vorsätzliche Lüge nachzuweisen, der Unwissenheit der anderen abzuhelfen, alle aber zu belehren, die die Wahrheit wissen wollen, (und zwar) über unser Alter. Als Zeugen für meine Ausführungen werde ich diejenigen anführen, die von den Griechen selbst für die verlässlichsten bezüglich der gesamten Altertumskunde gehalten werden, diejenigen aber, die lästerlich über uns und falsch geschrieben haben, werde ich sich selbst widerlegen lassen. Ich werde aber auch versuchen, die Gründe anzugeben, deretwegen nicht viele Griechen unser Volk in ihren Geschichtswerken erwähnt haben, zusätzlich werde ich freilich auch diejenigen herausstellen, die unsere Geschichte nicht übergangen haben, für die, die sie nicht kennen, oder vorgeben, sie nicht zu kennen.

Zunächst einmal überkommt mich große Verwunderung über die, die meinen, man dürfe sich in Dingen der Frühgeschichte (der Menschheit) nur an die Griechen halten und von diesen die Wahrheit in Erfahrung bringen, uns aber und den anderen Menschen müsse man misstrauen; ich sehe nämlich, dass das genaue Gegenteil zutrifft, so wahr man denn nicht bloßen Meinungen folgen darf, sondern aus den Tatsachen selbst das Rechte entnehmen muss. Denn alles bei den Griechen dürfte sich als unlängst - sozusagen ^'gestern und vorgestern', geschehen erweisen, ich nenne nur die Gründungen der Städte, technische Erfindungen und die Kodifizierung der Gesetze. Das Allerjüngste beinahe aber ist bei ihnen die Pflege der Geschichtsschreibung. Dass nun aber die Ägypter, Chaldäer und Phönizier - ich will es nämlich an dieser Stelle unterlassen, uns mit ihnen zusammen zu nennen - die älteste und dauerhafteste Überlieferung des Erinnerten besitzen, gestehen die Griechen selbst doch wohl zu. Sie bewohnen ja auch allesamt Gegenden, die am wenigsten den verderblichen Einflüssen der Umgebung ausgesetzt sind, und sie haben große Sorgfalt darauf verwendet, nichts von dem, was bei ihnen beschlossen wurde, dem Vergessen anheim fallen zu lassen, sondern stets von den Weisesten in Tempelaufzeichnungen amtlich festgehalten wird. Den griechischen Raum aber haben einerseits unzählige Katastrophen heimgesucht, welche die Erinnerung an das Geschehene ausgelöscht haben, da man aber immer neue Lebensweisen einrichten musste, glaubte man, dass jeweils die eigene am Anfang von allem stehe; erst spät lernten sie endlich die Buchstabenschrift kennen; selbst diejenigen, die ihren Gebrauch sehr alt sein lassen wollen, rühmen sich, sie von den Phöniziern und von Kadmos gelernt zu haben. Doch selbst aus jener Zeit könnte niemand eine auf sakralen oder öffentlichen Monumenten erhaltene Inschrift vorweisen, wo es doch schon bezüglich derer, die so viele Jahre später gegen Troja in den Krieg zogen, viel gelehrten Streit gegeben hat, ob sie Buchstabenschrift gebraucht hätten, und es setzt sich mehr und mehr die Wahrheit durch, dass jene den heute üblichen Gebrauch der Schrift nicht kannten. Es findet sich aber bei den Griechen kein Werk, das anerkanntermaßen älter ist als die Dichtung Homers. Dieser (Dichter) wurde aber offensichtlich nach dem Trojanischen Krieg geboren, und es heißt, dass auch er sein eigenes Werk nicht in schriftlicher Form hinterlassen hat, sondern dass es (nur) in Erinnerung tradiert und aus den Gesängen nachträglich zusammengefügt wurde und deshalb die vielen inneren Unstimmigkeiten aufweise. Die aber, die sich bei ihnen mit Geschichtsschreibung befasst haben - ich meine etwa Kadmos von Milet oder den Argiver Akusilaos, oder welche es nach ihnen noch gegeben haben soll - lagen zeitlich erst kurz vor dem Perserzug gegen Griechenland. Vollends geben auch diejenigen, die bei den Griechen als Erste über die himmlischen und göttlichen Dinge philosophiert haben, etwa Pherekydes von Syros, Pythagoras und Thales, alle übereinstimmend an, dass sie nur als Schüler der Ägypter und Chaldäer weniges aufgeschrieben hätten. Diese Schriften gelten bei den Griechen als die ältesten von allen, und sie glauben nicht einmal ernstlich, dass sie von jenen geschrieben wurden.

Ist es da nicht unsinnig, dass sich die Griechen einbilden, allein sie wüssten über die Alte Geschichte Bescheid und überlieferten die Wahrheit darüber genau? Oder wer könnte nicht direkt von ihren Schriftstellern mit Leichtigkeit erfahren, dass sie nichts aus sicherem Wissen aufgeschrieben haben, sondern entsprechend den Vermutungen, die jeder über die Ereignisse anstellte? Größtenteils nämlich widerlegen sie einander durch ihre Bücher, und das genaue Gegenteil über die selben Ereignisse zu äußern, zögern sie nicht. Ganz überflüssig wäre es, wenn ich die, die sich besser auskennen als ich, darüber belehrte, in wie vielem Hellanikos mit Akusilaos in den Genealogien auseinander geht, in wie vielem Akusilaos Hesiod berichtigt, oder auf welche Weise Ephoros den Hellanikos in den meisten Punkten als irreführend erweist, den Ephoros aber Timaios, den Timaios aber diejenigen, die nach ihm kamen, den Herodot aber allesamt. Aber nicht einmal über die sizilischen Ereignisse mit solchen (Historikern) wie Antiochos, Philistos oder Kallias überein zustimmen, hielt Timaios für angebracht, noch folgten bezüglich der attischen Ereignisse die Schriftsteller der Atthides einander oder bezüglich der argolischen Ereignisse die Historiker der Argolika einander. Und was soll man sagen über die Geschichte einzelner Städte, und wäre es auch nur in Kürze? Wo selbst bezüglich des Perserkrieges und die Ereignisse desselben die Vertrauenswürdigsten sich widersprechen, in vielen Punkten sogar Thukydides von einigen der Irreführung bezichtigt wird, obwohl er als derjenige gilt, der seine Zeitgeschichte am genauesten geschrieben hat.

Ursachen für eine derartige Unstimmigkeit dürften sich vermutlich viele nach und nach denen zeigen, die danach suchen wollen, ich aber traue den beiden, die jetzt genannt werden sollen, die größte Beweiskraft zu, und als erste nenne ich diejenige, die mir die entscheidende zu sein scheint; dass man sich nämlich von Beginn an bei den Griechen nicht bemühte, amtliche Aufzeichnungen über das jeweils Geschehene zu machen, dieses führte also am ehesten zum Irrtum und zur Freiheit der Irreführung bei denen, die danach über die alten Begebenheiten etwas schreiben wollten. Denn nicht nur bei den anderen Griechen wurde das Anfertigen von Aufzeichnungen vernachlässigt; sondern sogar bei den Athenern, die als Ureinwohner gelten und als bildungsbeflissen, erweist es sich, dass nichts derartiges geschah, vielmehr sagen sie, dass von ihren amtlichen Aufzeichnungen die ältesten die von Drakon für sie verfassten Gesetze über Mordfälle seien - dies ist ein Mann, der wenig vor der Tyrannis des Peisistratos gelebt hat. Was soll man über die Arkadier noch sagen, die ihr hohes Alter rühmen? Diese haben selbst in späterer Zeit gerade einmal das Alphabet gelernt.

Da also offensichtlich keine Aufzeichnung niedergelegt worden war, die sowohl diejenigen, die lernen wollten, belehrt als auch die Lügner überführt hätte, ist die große Unstimmigkeit entstanden unter den Schriftstellern. Man muss zu dieser Ursache jene zweite hinzustellen: Diejenigen, die sich an das Schreiben machten, bemühten sich nicht um die Wahrheit, obwohl dieses Versprechen stets zur Hand ist, sondern stellten die Macht ihrer Worte zur Schau; und auf welche Weise sie dabei jeweils die anderen an Ruhm zu übertreffen meinten, danach fügten sie es zusammen, die einen, indem sie sich auf das Fabulieren verlegten, die anderen, indem sie aus Gefälligkeit die Städte und die Könige rühmten; wieder andere schritten zur Kritik der Taten oder derer, die über sie schrieben, weil sie damit Ruhm zu erlangen meinten. Insgesamt aber treiben sie fortwährend das genaue Gegenteil von Geschichtsschreibung; denn das Kennzeichen wahrer Geschichtsschreibung ist es, wenn über dieselben Dinge alle ein und das selbe sagen und schreiben. Wenn jene aber das selbe verschieden beschrieben, so meinten sie gerade darin als die wahrhaftigsten von allen zu erscheinen. Den Stil und die Wortgewalt betreffend, müssen wir hinter den griechischen Schriftstellern zurücktreten, freilich nicht bezüglich der Wahrheit der Frühgeschichte und besonders der Wahrheit der jeweiligen Regionalgeschichte.

Dass also bei den Ägyptern und den Babyloniern seit ältesten Zeiten die Sorge um die Aufzeichnungen den Priestern anvertraut war und sie darüber nachsannen, die "Chaldäer" aber bei den Babyloniern, und dass von denen die mit den Griechen verkehrten besonders die Phönizier die Schrift benutzten, sowohl für die private Haushaltung als auch für die Überlieferung von Dingen des öffentlichen Interesses, meine ich, da es ja alle zugestehen, übergehen zu können. Dass aber unsere Vorfahren die gleiche Sorgfalt - um nicht zu sagen eine größere als die der Genannten - für die Aufzeichnungen walten ließen, indem sie diese den Hohepriestern und Propheten auftrugen, und wie sie bis in unsere Zeit bewahrt worden ist mit großer Genauigkeit, ja - wenn ich mutiger reden soll - auch (in Zukunft) bewahrt werden wird, will ich versuchen in Kürze darzulegen.

Denn sie haben nicht nur von Beginn an dafür die Besten und mit dem Dienst für Gott befassten eingesetzt, sondern dafür Sorge getragen, dass das Geschlecht der Priester unvermischt und rein bleibt. Es darf nämlich derjenige, der der Priesterschaft angehört, nur mit einer Frau aus dem selben Volk Kinder zeugen, und weder auf Geld noch auf sonstige Vorzüge blicken, sondern er muss die Abstammung prüfen, indem er sich aus den Archiven die Erbfolge geben lässt und viele Zeugen aufbietet. Und dieses halten wir so nicht nur in Judäa selbst; sondern überall, wo immer eine Gruppe unseres Volkes sich befindet, dort wird gleichfalls die genaue Regel bezüglich der Priesterehen gewahrt; zum Beispiel die in Ägypten und Babylonien, und wo sonst in der Welt welche aus dem Geschlecht der Priester verstreut sind: Sie schicken nach Jerusalem eine Niederschrift über die väterliche Linie sowohl der Frau als auch ihrer entfernteren Vorfahren, und wer dafür die Zeugen seien. Bricht aber ein Krieg herein, wie es schon oft geschah, als Antiochus Epiphanes in das Land einfiel und Pompeius Magnus und Quintilius Varus, besonders aber in unserer Zeit, so stellen die Priester, die noch übrig geblieben sind, wieder neue (Dokumente) aus den Archiv(beständen) her und überprüfen die noch übrigen Frauen. Denn sie lassen die in Gefangenschaft geratenen nicht mehr (zur Ehe) zu, da sie den Verdacht haben, es sei häufig zum Geschlechtsverkehr mit Fremdstämmigen gekommen. Der beste Beweis für die Sorgfalt ist folgender: Die Priester bei uns sind seit zweitausend Jahren namentlich als Söhne ihres jeweiligen Vaters in den Dokumenten verzeichnet. Wer irgendeine der besagten (Vorschriften) übertreten hat, der darf weder den Altardienst versehen, noch am übrigen Zeremoniell teilnehmen. Begreiflicherweise also, besser gesagt notwendigerweise – da nicht jeder von sich aus Aufzeichnungen machen durfte, noch eine Unstimmigkeit in den vorhandenen Dokumenten vorliegt, sondern allein die Propheten, die das Älteste und das Früheste aufgrund von göttlicher Inspiration erfahren hatten, klar und deutlich die Ereignisse der eigenen Zeit niederschrieben, wie sie geschehen waren – gibt es bei uns nicht Tausende von Büchern, die nicht übereinstimmen und sich widersprechen, sondern nicht mehr als zweiundzwanzig Bücher, welche die Niederschrift des ganzen Zeitraums enthalten und zu Recht Vertrauen gefunden haben. Und von diesen stammen fünf von Mose, die die Gesetze umfassen und die Überlieferung vom Ursprung des Menschen bis zu seinem eigenen Ende; dieser Zeitraum ist nur wenig kürzer als dreitausend Jahre. Vom Tod des Mose bis zu Artaxerxes, dem König der Perser nach Xerxes, haben die auf Mose folgenden Propheten die Begebenheiten ihrer Zeit in dreizehn Büchern aufgezeichnet; die übrigen vier enthalten Hymnen an Gott und Lebensanweisungen für die Menschen. Von Artaxerxes bis in unsere Zeit ist jegliches aufgezeichnet, es wird aber nicht gleichen Vertrauens gewürdigt wie die früheren (Bücher), weil keine exakte Aufeinanderfolge der Propheten mehr stattfand. Die Tatsachen aber erweisen, wie wir mit unseren eigenen Schriften umgehen: Denn obwohl schon eine so lange Zeit vergangen ist, hat es keiner gewagt, etwas hinzuzufügen oder von ihnen wegzunehmen oder umzustellen; vielmehr ist es allen Juden von Kindesbeinen an eingepflanzt, diese als Gottes Satzungen anzuerkennen und an ihnen festzuhalten und für sie, wenn es nötig sein sollte, mit Freuden zu sterben. So konnte man schon oftmals und in großer Zahl Kriegsgefangene sehen, die Folterungen und unterschiedlichste Todesarten in Theatern auf sich nahmen, um nur kein einziges Wort gegen die Gesetze und die mit diesen verbundenen Schriften äußern zu müssen. Wer von den Griechen würde wohl derartiges um seinetwillen auf sich nehmen? Im Gegenteil: Nicht einmal um die Gefahr, dass ihr gesamtes Schrifttum vernichtet würde, wird jemand auch nur einen geringfügigen Nachteil hinnehmen - glauben sie doch, dass es (nur) Worte sind, nach der Willkür ihrer Verfasser leichtfertig geschrieben; und dies denken sie zu Recht auch über die älteren Autoren, da sie doch sehen, dass auch einige ihrer Zeitgenossen sich erdreisten, über diejenigen Geschehnisse zu schreiben, denen sie weder selbst beigewohnt haben noch sich ernsthaft bemüht haben, darüber von den Kundigen etwas in Erfahrung zu bringen. Natürlich haben einige auch über den Krieg, der uns jetzt entstanden ist, Geschichtswerke verfasst und veröffentlicht, ohne in der Gegend gewesen zu sein, noch diesen Geschehnissen aus der Nähe beigewohnt haben; vielmehr haben sie, indem sie vom Hörensagen weniges zusammenschrieben, den Begriff ‘Geschichtsschreibung’ in die Gosse gezogen.

Ich aber habe sowohl über den Krieg als ganzen wie auch über das, was in ihm im Einzelnen geschehen ist, meine Niederschrift wahrheitsgetreu angefertigt, weil ich ja bei allen Ereignissen persönlich dabei war. Ich war nämlich Befehlshaber derjenigen, die bei uns Galiläer heißen, solange es möglich war, Widerstand zu leisten; jedoch wurde ich Kriegsgefangener der Römer, nachdem sie mich ergriffen hatten; und Vespasian und Titus hielten mich unter Bewachung und nötigten mich, immer in ihrer Nähe zu bleiben - zuerst als Gefangener; dann aber, freigelassen, wurde ich zusammen mit Titus von Alexandria zur Belagerung Jerusalems geschickt. Es gibt kein Geschehnis dieser Zeit, das meiner Wahrnehmung entging; denn sowohl die Ereignisse im römischen Kriegslager habe ich beobachtet und sorgfältig aufgeschrieben, wie ich auch die Berichte der Überläufer als einziger verstand. Als ich dann in Rom Muße fand, hatte ich das gesamte Material zur Verfügung, zog einige Mitarbeiter für die griechische Sprache hinzu und sorgte so für die Überlieferung der Ereignisse. Ich hatte dabei ein so enormes Vertrauen in die Wahrheit (meines Berichts), dass es mir angemessen schien, zuallererst die obersten Feldherrn des Krieges, Vespasian und Titus, zu Zeugen zu nehmen. Ihnen gab ich nämlich als ersten die Bücher und nach jenen vielen Römern, die auch Teilnehmer des Krieges gewesen waren; dann aber verkaufte ich sie auch an viele der Unseren, Männer, die auch griechisch gebildet waren: unter diesen Julius Archelaos, der verehrungswürdigste Herodes und selbst der bewundernswerteste König Agrippa. Diese nun haben alle bezeugt, dass ich mich der Wahrheit sorgfältig angenommen habe, wobei sie sich nicht zurückgehalten und geschwiegen hätten, wenn ich etwas von den Geschehnissen aus Unkenntnis oder Gefälligkeit verdreht oder übergangen hätte.

Gewisse verächtliche Leute allerdings haben sich daran gemacht, meine Geschichtsdarstellung zu verleumden, die meinten, etwas wie eine Stilübung für halbwüchsige Schüler vor sich zu haben, irgendeine groteske Anklage oder Verleumdung, obwohl man doch merken müsste, dass, wer anderen eine Darstellung von wahren Begebenheiten verspricht, diese zuerst selbst genau kennen muss, entweder dadurch dass er den Geschehnissen nachgegangen ist oder bei den Kundigen nachfragt. Und dies glaube ich besonders bei meinen beiden Geschichtswerken getan zu haben: Die Altertumskunde, wie ich schon sagte, habe ich aus den heiligen Schriften verdolmetscht, bin ich doch Priester von Abstammung und habe die Philosophie jener Schriften aufgenommen; das Geschichtswerk über den Krieg aber habe ich geschrieben als mithandelnde Person bei vielen Begebenheiten, als Augenzeuge bei den meisten, und überhaupt als einer, dem nichts entging von allem, was gesagt oder getan wurde. Wie sollte man da nicht diejenigen für unverschämt halten , die mir die Wahrheit streitig machen wollen, die, auch wenn sie behaupten, die Kriegsberichte der Feldherrn nachgelesen haben, jedenfalls nicht bei den Vorgängen auf der Gegenseite, wo wir kämpften, zugegen waren.

Was das angeht, musste ich diesen Exkurs verfertigen, weil ich die Leichtfertigkeit derer, die vollmundig ankündigen Geschichtswerke zu verfassen, als solche kennzeichnen wollte. Nachdem ich aber, wie ich meine, hinreichend deutlich gemacht habe, dass Aufzeichnungen über die frühen Ereignisse mehr bei den Nichtgriechen als bei den Griechen beheimatet sind, will ich zunächst ein kurzes Wort mit denen wechseln, die versuchen unsere Verfassung als jung zu erweisen aufgrund dessen, dass nichts über uns, wie jene behaupten, gesagt ist bei den griechischen Autoren. Sodann aber werde ich die Zeugnisse für unser Alter aus dem, was bei anderen geschrieben ist, beibringen und aufzeigen, dass diejenigen, die unsere Nation schmähen, uns weitab von jeder Begründung schmähen.

Wir bewohnen nämlich weder eine Küstenregion, noch liegt uns der Fernhandel, noch der daraus entstehende Verkehr mit anderen; unsere Städte liegen vielmehr fern vom Meer, hoch im Landesinneren, und da wir gutes Land besitzen, bebauen wir dieses; auch sind wir ja in vorzüglicher Weise auf das Aufziehen von Kindern bedacht und haben uns die Beachtung der Gesetze und der in diesen überlieferten Gottesverehrung zur notwendigsten Aufgabe des ganzen Lebens gemacht. Da zu dem Gesagten nun noch die Besonderheit unserer Lebensführung hinzukommt, gab es in den alten Zeiten nichts, was uns solchen Verkehr mit den Griechen eingebracht hätte wie den Ägyptern ihre Aus- und Einfuhr und den Bewohnern der phönizischen Küste ihr Interesse an Klein- und Großhandel aufgrund ihres Gewinnstrebens. Und ganz sicher verlegten sich unsere Väter nicht auf Raubzüge, wie so manche andere, oder auf das kriegerische Beanspruchen von mehr Macht, wiewohl es dem Land nicht an einer Vielzahl von durchaus wagemutigen Männern mangelte. Deswegen wurden die Phönizier, weil sie in Handelsgeschäften selbst zu den Griechen hinfuhren, sofort bekannt, und über sie die Ägypter und alle diejenigen, von denen sie Fracht zu den Griechen transportierten, große Meere durchquerend. Später dann traten die Meder und Perser auf den Plan, als sie die Herrschaft über Asien gewannen, wobei die Perser ihre Feldzüge bis an das andere Festland heran durchführten. Die Thraker aber wurden aufgrund der Nachbarschaft (den Griechen) bekannt und der Stamm der Skythen durch diejenigen, die den Pontus befuhren. Generell sind nämlich all diejenigen, die unmittelbar am Meer, sowohl nach Osten wie nach Westen zu, wohnen, denen, die ein (Geschichts-)Werk zu schreiben beabsichtigten, ganz gut bekannt geworden, die aber, die weiter im Landesinneren ihre Wohnsitze haben, sind weithin unbekannt geblieben. Und dies scheint auch auf Europa zuzutreffen, da doch die Stadt Rom, obgleich sie sich eine solch weit ausgedehnte Macht erworben hatte und so großartige Kriegstaten vollbracht hatte, weder bei Herodot noch bei Thukydides noch auch bei einem ihrer Zeitgenossen erwähnt wird, sondern erst spät und dann noch spärlich die Kenntnis (von der Existenz) der Römer zu den Griechen gelangte. Über die Kelten und Iberer waren die, welche als die genauesten Geschichtsschreiber gelten, zum Beispiel Ephoros, so in Unkenntnis, dass dieser (letztere) glaubt, die Iberer, die doch einen so großen Teil des Westens bewohnten, bildeten nur eine einzige Stadt; und sie gingen so weit, Gebräuche, die bei ihnen gar nicht vorkamen und von denen auch keine Rede ist, aufzuschreiben, als würden sie bei ihnen praktiziert. Ursache aber für die Unkenntnis der Wahrheit ist die gänzliche Abgesondertheit, und für das Verfassen von Lügen die Absicht, als einer zu gelten, der mehr als die anderen zu berichten hat. Wie darf man sich da also noch wundern, wenn unser Volk vielen unbekannt war und auch keinen Anlass für eine Erwähnung in den Geschichtswerken gab, wo es doch so fern vom Meer wohnt und sich zudem für diese Lebensweise entschieden hat?

Angenommen, wir hielten es für richtig, als Beweis für das geringe Alter des griechischen Volkes den Umstand zu nehmen, dass in unseren Aufzeichnungen über sie nichts gesagt ist. Würden sie darüber nicht laut lachen, und, so glaube ich, gerade die von mir genannten Gründe beibringen, und ihre Nachbarn anführen als Zeugen ihres hohen Alters? Auch ich nun werde versuchen, so zu verfahren: Die Ägypter nämlich und die Phönizier werde ich in erster Linie zu Zeugen nehmen, wobei wohl niemand dieses Zeugnis als falsch wird verleumden können; denn es ist doch ganz offenkundig, dass uns gegenüber ganz besonders die Ägypter feindlich eingestellt sind, und zwar allesamt, von den Phöniziern aber die Tyrer. Über die Chaldäer freilich könnte ich schon nicht mehr dasselbe sagen, da sie doch am Anfang (der Geschichte) unseres Volkes stehen und wegen dieser Verwandtschaft die Juden in ihren Aufzeichnungen denn auch erwähnen. Sobald ich aber die von diesen kommenden Beweise beigebracht habe, werde ich auch diejenigen unter den griechischen Autoren anführen, welche die Juden erwähnt haben, damit die Verleumder auch diesen Vorwand für ihr Reden wider uns nicht mehr haben.

Den Anfang werde ich machen mit dem Schrifttum der Ägypter. Leider ist es nicht möglich, deren Schriften selbst hier herzusetzen; Manetho immerhin war Ägypter, dabei ein Mann, der ganz offenkundig über griechische Bildung verfügte: Er hat nämlich in griechischer Sprache die Geschichte seines Landes verfasst, wobei er, wie er selbst sagt, aus heiligen Tafeln übersetzt hat, und er weist nach, dass Herodot vieles von seinen Berichten über Ägypten aus Unkenntnis frei erfunden hat. Dieser Manetho also schreibt im zweiten Buch seiner Geschichte Ägyptens das Folgende über uns. Ich werde seine eigenen Worte hier wiedergeben, gewissermaßen um ihn persönlich als Zeugen auftreten zu lassen:

† ... †.
Unter dessen Herrschaft hat uns - ich weiß nicht wie - eine Gottheit Gegenwind gegeben: Unerwartet führten von Osten her Menschen eines unbekannten Volkes mit großer Dreistigkeit Krieg gegen das Land und brachten es mit Leichtigkeit kampflos in ihre Gewalt; und nachdem sie die darin Herrschenden überwältigt hatten, brannten sie des weiteren die Städte schonungslos nieder und zerstörten die Heiligtümer der Götter, gegen alle Einwohner aber verhielten sie sich ganz und gar feindselig, indem sie die einen niedermetzelten, von den anderen auch noch die Kinder und Frauen in die Sklaverei führten. Schließlich machten sie sogar einen der ihren zum König, einen gewissen Salitis. Dieser residierte in Memphis, wobei er Ober- wie Unterägypten mit Steuern belegte und eine Besatzung an den geeignetsten Orten zurückließ. Am meisten aber sicherte er die östlichen Landesteile, weil er voraussah, dass, wenn einmal die Assyrer mehr Macht hätten, ein Angriff aus Gier nach seinem Königtum stattfinden werde. Als er aber im Sethroitischen Gau eine sehr günstig gelegene Stadt gefunden hatte, östlich des Nilarmes von Bubastis, der nach einer uralten Götterlehre Avaris benannt ist, befestigte er diese und machte ihre Mauern sehr stark, wobei er in ihr auch noch eine etwa 240 000 Mann zählende Menge von Bewaffneten als Vorposten stationierte. Dorthin ging er jeden Sommer, um Getreide auszuteilen und Sold auszuzahlen, sowie um zur Abschreckung der (Völker) außerhalb (der Grenze) planvoll Manöver abzuhalten. Nach neunzehnjähriger Herrschaft starb er. Nach ihm herrschte ein weiterer (fremder) als König für 44 Jahre, sein Name war Banon, nach ihm ein anderer, Apachnan, 36 Jahre und 7 Monate, danach Apophis 61 (Jahre), und Iannas 50 Jahre und einen Monat, nach all diesen noch Assis 49 Jahre und 2 Monate. Und diese sechs nun waren die ersten Herrscher unter ihnen, die stets und mehr und mehr darauf bedacht waren, die Wurzel Ägyptens auszureißen. Ihr ganzes Volk wurde Hykusos (Hyksos) genannt, das heißt "Hirten-Könige". Hyk nämlich bedeutet in der Priestersprache "König", usos "Hirte" und "Hirten" in der Volkssprache, und wenn man es so zusammensetzt, wird daraus Hyk(w)sos.

Einige sagen aber, dass sie Araber seien, und ferner, dass in einem anderen Textexemplar nicht "Könige" durch das Wort hyk bezeichnet werde, sondern im Gegenteil "kriegsgefangene Hirten" damit gemeint seien. Hyk nämlich und das aspirierte hak bezeichnet – wiederum in ägyptischer Sprache – ausdrücklich "Kriegsgefangene". Dies scheint mir überzeugender und mehr in Übereinstimmung mit alter Geschichtsschreibung. Diese vorher genannten Könige, die der so genannten Hirten und deren Nachkommen, haben, sagt er (Manetho), fünfhundertelf Jahre über Ägypten geherrscht. Danach aber, sagt er, habe es eine Erhebung der Könige von Theben und des übrigen Ägypten gegen die Hirten gegeben und es sei ein großer und lange andauernder Krieg ausgebrochen. Zur Regierungszeit eines Königs mit Namen Misphragmuthosis seien, sagt er, die Hirten nach einer Niederlage zwar aus dem ganzen übrigen Ägypten vertrieben, aber (endlich) eingeschlossen worden an einem Ort mit einem Umfang von zehntausend Hufen; der Name dieses Ortes sei Avaris. Diese Stätte nun, sagt Manetho, hätten die Hirten ganz mit einer großen und starken Mauer umgeben, um ihren gesamten Besitz und ihre Beute an einem sicher befestigten Platz zu haben. Der Sohn des Misphragmuthosis, Thummosis, habe zwar versucht, sie durch eine Belagerung in seine Gewalt zu bringen, indem er mit einem Heer von vierhundertachtzigtausend Soldaten vor ihren Mauern aufgezogen sei; nach Aufgabe der Belagerung, habe er jedoch das Abkommen geschlossen, dass sie Ägypten verlassen und ohne Schaden gehen könnten, wohin sie wollten. Diese nun seien, entsprechend den vertraglichen Regelungen, mit ihren Familien und ihrem Besitz – nicht weniger als zweihundertvierzigtausend – von Ägypten aus durch die Wüste nach Syrien hindurchgezogen. Aus Angst vor der Herrschaft der Assyrer – jene sollen nämlich damals über Asien geherrscht haben – hätten sie in dem Gebiet, das heute Judäa heißt, eine Stadt erbaut, die ebenso viele Tausende von Menschen fassen konnte, und diese Jerusalem genannt. In einem anderen Buch seiner Ägyptischen Geschichte sagt Manetho, dass dieses Volk, die so genannten Hirten, in dessen heiligen Büchern als "Gefangene" bezeichnet sei, zu Recht; auch unsere frühesten Vorfahren haben nämlich traditionell Herden geweidet, und da sie ein Nomadenleben führten, hießen sie eben "Hirten". Als Gefangene wiederum wurden sie von den Ägyptern nicht ohne Grund bezeichnet, da ja unser Vorfahr Joseph sich selbst vor dem König der Ägypter einen Gefangenen nannte; später dann ließ er seine Brüder nach Ägypten kommen, nachdem der König ihm dies erlaubt hatte. Über diese Dinge aber werde ich an anderer Stelle eine eingehendere Untersuchung anstellen.

Nun aber will ich speziell für das hohe Alter (der Juden) die Ägypter als Zeugen anführen. Und wieder will ich zitieren, wie die Schriften des Manetho es mit der zeitlichen Ordnung halten. Er sagt nämlich folgendes:

Nach dem Auszug des Volkes der Hirten aus Ägypten in Richtung Jerusalem herrschte der König, der sie aus Ägypten vertrieben hatte, Tethmoses, noch fünfundzwanzig Jahre und vier Monate, und starb, und es übernahm die Herrschaft sein Sohn Chebron für dreizehn Jahre. Nach ihm (herrschte) Amenophis für zwanzig Jahre und sieben Monate, dessen Schwester Amessis für einundzwanzig Jahre und neun Monate, deren Sohn Mephres für zwölf Jahre und neun Monate, dessen Sohn Mephramuthosis für fünfundzwanzig Jahre und zehn Monate, dessen Sohn Thmosis für neun Jahre und acht Monate, dessen Sohn Amenophis für dreißig Jahre und zehn Monate, dessen Sohn Oros für sechsunddreißig Jahre und fünf Monate, dessen Tochter Akencheres für zwölf Jahre und einen Monat, deren Bruder Rathotis für neun Jahre, dessen Sohn Kencheres für zwölf Jahre und fünf Monate, dessen Sohn, ein weiterer Akencheres, für zwölf Jahre und drei Monate, dessen Sohn Harmäis für vier Jahre und einen Monat, dessen Sohn Ramesses für ein Jahr und vier Monate, dessen Sohn Harmesses Miamoun für sechsundsechzig Jahre und zwei Monate, dessen Sohn Amenophis für neunzehn Jahre und sechs Monate. Dessen Sohn war Sethos, auch Ramesses genannt; er verfügte über eine Reiterarmee und eine Seestreitmacht. Er setzte seinen Bruder Harmäis als Verwalter über Ägypten ein und stattete ihn mit allem weiteren aus, was zur Königsvollmacht gehörte, nur verbot er ihm, ein Diadem zu tragen und der Königin und Mutter seiner Kinder zu nahe zu treten; auch solle er sich von den anderen königlichen Nebenfrauen fernhalten. Er selbst aber zog gegen Zypern und Phönizien in den Krieg, und ferner gegen die Assyrer und Meder, und unterwarf sie alle, die einen mit dem Schwert, die anderen kampflos, nämlich aufgrund ihrer Furcht vor der großen Streitmacht. Stolz geworden über diese Erfolge unternahm er einen noch kühneren Feldzug um die Städte und Gebiete im Osten zu unterwerfen. Einige Zeit nachher verfuhr Harmäis - in Ägypten zurückgelassen - ohne Scheu allem entgegen, was sein Bruder ihm verboten hatte. Er vergriff sich an der Königin und er gebrauchte die übrigen Nebenfrauen fortwährend und rücksichtslos; überredet von seinen Freunden trug er das Diadem und erhob sich gegen seinen Bruder. Der Oberaufseher der Heiligtümer Ägyptens verfasste einen Bericht und schickte ihn dem Sethos, worin er diesem alles anzeigte, auch dass sein Bruder Armäis sich gegen ihn erhoben hatte. Unverzüglich kehrte dieser bis Pelusium zurück und bemächtigte sich seiner eigenen Königsherrschaft. Das Land aber wurde nach dessen Namen "Ägypten" genannt. Man sagt nämlich, dass Sethos auch Aegyptos und Harmais, sein Bruder, Danaos hieß.

Soweit also Manetho. Offensichtlich ist aber, wenn man aus den genannten Jahresangaben die Zeit berechnet, dass die so genannten Hirten, unsere Vorfahren, nachdem sie sich aus Ägypten abgesetzt hatten, dieses unser Land besiedelt haben dreihundertdreiundneunzig Jahre früher, als Danaos in Argos ankam; und doch halten die Argiver Danaos für sehr früh. Zwei Dinge also, zwei sehr wichtige, hat uns Manetho aus dem ägyptischen Schrifttum bezeugt: erstens die Ankunft in Ägypten von anderswoher, sodann den Weggang von dort in so früher Zeit, dass er den Geschehnissen bei Troja doch wohl nahezu um tausend Jahre vorausgeht. Hinsichtlich dessen aber, was Manetho nicht aus dem ägyptischen Schrifttum, sondern - wie er selbst zugibt - aus herrenlosen Sagen (seiner Darstellung) beigefügt hat, werde ich später den Gegenbeweis führen, indem ich im Detail die Unglaubwürdigkeit seiner Fabeleien aufzeige.

Ich will also von diesen Dingen jetzt übergehen zu dem, was bei den Phöniziern über unser Volk aufgeschrieben ist und die daraus zu gewinnenden Zeugnisse anführen. Es gibt nun bei den Tyrern seit sehr vielen Jahren Schriften, unter amtlicher Aufsicht abgefasst und überaus sorgfältig bewahrt, über das, was bei ihnen an Denkwürdigem geschah und anderen gegenüber getan wurde. Darin steht geschrieben, dass der Tempel in Jerusalem vom König Salomon hundertdreiundvierzig Jahre und acht Monate früher gebaut wurde als die Tyrer Karthago gründeten. Es wurde aber bei jenen mit gutem Grund die Errichtung unseres Tempels schriftlich festgehalten: Hirom nämlich, der König der Tyrer, war ein Freund unseres Königs Salomon; er hatte die Freundschaft seines Vaters zu ihm übernommen. Dieser, in gleicher Weise wie Salomo um die prächtige Ausstattung des Bauwerks bemüht, gab hundertzwanzig Talente Gold, dazu ließ er wunderschönes Holz aus dem Gebirge, das Libanon heißt, schlagen und für das Dach übersenden. Salomo schenkte ihm dafür unter anderem Land im Gebiet Galiläas, das Kabol heißt. Am meisten verband sie in Freundschaft das Streben nach Weisheit: Sie pflegten nämlich einander wechselseitig Aufgaben zuzusenden mit der Aufforderung, sie zu lösen; darin war Salomo überlegen, der auch sonst weiser war. Bis zum heutigen Tage werden bei den Tyrern viele der Briefe aufbewahrt, die jene einander geschrieben haben. Dafür aber, dass mein Bericht von den tyrischen Aufzeichnungen nicht meine Erfindung ist, werde ich einen kompetenten Zeugen anführen, einen Mann, der dafür gilt, die phönizische Geschichte genau beschrieben zu haben: Dios. Dieser nun schreibt in seiner Darstellung der Geschichte der Phönizier folgendermaßen:

Als Abibaal gestorben war, wurde sein Sohn Hirom König. Dieser ließ die östlichen Teile der Stadt (Tyros) aufschütten, vergrößerte so das Stadtgebiet und verband das Heiligtum des olympischen Zeus, das für sich auf einer Insel lag, mit der Stadt, indem er den Zwischenraum aufschütten ließ, und schmückte es mit goldenen Weihgaben; auch zog er in den Libanon hinauf und ließ Holz fällen für den Bau der Heiligtümer. Der Herrscher über Jerusalem, Salomo, so sagt man, habe an Hirom Rätsel geschickt und darum gebeten, von ihm solche zu erhalten, und der von ihnen, welcher sie nicht lösen könne, habe dem, der sie gelöst hatte, Geld bezahlen müssen. .Hirom habe zugestimmt, die Rätsel aber nicht lösen können, und viel von seinem Geld für die Wettschuld ausgeben müssen. Dann aber habe ein gewisser Abdemun, ein Tyrer, die gestellten Aufgaben gelöst und selbst andere vorgelegt, die Salomo nicht habe lösen können, so dass er dem .Hirom noch mehr Geld habe zurückzahlen müssen.

So also hat Dios das vorher von mir Gesagte bezeugt. Aber ergänzend werde ich noch Menander aus Ephesus anführen. Dieser hat, von König zu König fortschreitend, die Begebenheiten bei Griechen wie Nichtgriechen aufgeschrieben, darauf bedacht, aus den jeweiligen einheimischen Aufzeichnungen den Geschichtsverlauf in Erfahrung zu bringen. Bei der Darstellung der Königsreihe von Tyros, da wo er auf .Hirom zu sprechen kommt, sagt er folgendes:

Nach dem Tod des Abibaal übernahm die Königsherrschaft sein eigener Sohn .Hirom, der 53 Jahre lebte und 34 Jahre König war. Dieser ließ den Eurych¯oros aufschütten und die goldene Säule im Heiligtum des Zeus aufstellen; er ging in den Hochwald und ließ aus dem so genannten Libanongebirge Zedernholz schlagen für die Dächer der Heiligtümer, und er ließ die alten Heiligtümer einreißen und neue bauen, auch das des Herakles und der Astart; zuerst veranstaltete er die "Auferweckung des Herakles" im Monat Peritios und zog dann gegen die Itykäer zu Felde, weil diese ihre Abgaben nicht entrichteten; nachdem er sich diese unterworfen hatte, kehrte er wieder zurück. Unter seiner Herrschaft lebte Abdemun, ein ziemlich junger Mann, der stets die Fragen löste, die Salomon, der König von Jerusalem, aufzugeben pflegte.

Die Zeit nun von diesem König bis zur Gründung Karthagos wird folgendermaßen berechnet: Nach dem Tod des .Hirom übernahm die Herrschaft Baalbazer, sein Sohn, der dreiundvierzig Jahre lebte und siebzehn Jahre König war. Nach diesem kommt sein Sohn Abdastart, der neununddreißig Jahre lebte und neun Jahre König war. Auf diesen verübten die vier Söhne seiner Amme einen Anschlag und töteten ihn; von ihnen wurde der Älteste König: Metuastart, der Sohn des Deleastart (?), welcher vierundfünfzig Jahre lebte und zwölf Jahre König war. Nach diesem kommt sein Bruder Astarum, der achtundfünfzig Jahre lebte und neun Jahre König war. Dieser wurde von seinem Bruder Pelles getötet, der, nachdem er die Königsherrschaft übernommen hatte, acht Monate herrschte, fünfzig Jahre alt geworden. Diesen beseitigte Itobaal, der Priester der Astart, der achtundvierzig Jahre lebte und zweiunddreißig Jahre König war. Diesem folgte sein Sohn Baalezor, der fünfundvierzig Jahre lebte und sechs Jahre König war. Dessen Nachfolger wurde sein Sohn Metten, der zweiunddreißig Jahre lebte und neunundzwanzig Jahre König war. Dessen Nachfolger wurde Phygmalion, der achtundfünfzig Jahre lebte und siebenundvierzig Jahre König war. Im siebten Jahr seiner Herrschaft nun erbaute seine Schwester, die geflohen war, in Libyen eine Stadt, Karthago. Es beläuft sich der gesamte Zeitraum von der Regierungszeit des Hiroms bis zur Gründung Karthagos auf 155 Jahre und acht Monate. Da aber im zwölften Jahr seiner Herrschaft der Tempel in Jerusalem erbaut wurde, verstrichen von der Erbauung des Tempels bis zur Gründung Karthagos 143 Jahre und acht Monate. Was also sollte man jetzt noch von dem Geschichtszeugnis aus dem phönizischen Bereich weiter hinzufügen? Man sieht doch, dass die Wahrheit kräftig und einmütig bezeugt wird und dass der Errichtung (jenes) Tempels die Ankunft unserer Vorfahren in das Land offenkundig weit vorangeht; als sie es nämlich durch einen Krieg ganz in Besitz genommen hatten, da (erst) errichteten sie den Tempel. Und dies ist klar aus den heiligen Schriften von mir erwiesen worden in meiner Altertumskunde.

Ich werde aber nunmehr auf das zu sprechen kommen, was bei den Chaldäern über uns aufgeschrieben und berichtet ist, und worin große Übereinstimmung, auch in den anderen Dingen, mit unseren Schriften besteht. Zeuge aber dafür ist Berosos, ein Chaldäer zwar von Abstammung, bekannt aber den Gebildeten: Er ist ja derjenige, der sowohl über die Astronomie als auch über die philosophischen Lehren der Chaldäer den Griechen die (einschlägigen) Schriften vermittelte. Dieser Berosos also hat im Anschluss an die ältesten Aufzeichnungen über das Ereignis der Überschwemmung und die in ihr geschehene Vernichtung der Menschen gerade so wie Mose berichtet, insbesondere über den Kasten, in dem Noah, der Urvater unseres Volkes, gerettet wurde, als dieser an den Gipfeln der armenischen Berge auflief. Bei der anschließenden Aufzählung der Nachkommen Noa.hs fügte er ihnen Zeitangaben bei, und wo er zu Nabopalassar kommt, dem König Babylons und der Chaldäer und dessen Taten berichtet, sagt er auch, wie er seinen Sohn Nebukadnezar mit einer großen Streitmacht gegen Ägypten und gegen unser Land entsandte, da er von ihrem Abfall erfahren hatte, und wie er sie alle besiegte und den Tempel in Jerusalem in Brand steckte und wie er unsere gesamte Bevölkerung deportierte und nach Babylon umsiedelte. Es geschah aber, dass auch die Stadt (Jerusalem) entvölkert wurde für eine Zeit von siebzig Jahren bis zu Kyros, dem ersten Perserkönig. Der Babylonier aber, sagt Berosos, habe Ägypten, Syrien, Phönizien und Arabien unterworfen, und darin alle, die vor ihm über Chaldäer und Babylonier König waren, übertroffen. Ich werde nun Berosos wörtlich zitieren; er sagt es so:

Als aber sein Vater Nabopalasar gehört hatte, dass der (neu) eingesetzte Satrap sowohl in Ägypten als auch im Gebiet von Coelesyrien und Phönizien abtrünnig geworden war, da er selbst nicht mehr Strapazen auf sich nehmen konnte, unterstellte er seinem noch jugendlichen Sohn Nabukodrosor einige Abteilungen seiner Streitmacht und ließ ihn gegen ihn zu Felde ziehen. Beim Zusammenstoß mit dem Abtrünnigen in voller Schlachtordnung vermochte Nabukodrosor ihn zu besiegen und das Gebiet von neuem unter seine Herrschaft zu bringen. Genau zu dieser Zeit fügte es sich, dass sein Vater Nabupolassar in Babylon krank wurde und aus dem Leben schied, nachdem er einundzwanzig Jahre lang König gewesen war. Kurz darauf erfuhr Nabukodrosor vom Tode seines Vaters, ordnete die Verhältnisse in Ägypten und im übrigen Gebiet und überstellte die Kriegsgefangenen aus den Judäern, Phöniziern, Syrern und den Volksgruppen in Ägypten einigen seiner Vertrauten mit dem Auftrag, sie nebst den schwerstbewaffneten Truppenteilen und dem übrigen Tross nach Babylonien zu bringen; er selbst eilte mit nur wenig Begleitung durch die Wüste nach Babylonien. Er übernahm die (Staats-) Geschäfte, die von den Chaldäern verwaltet wurden, sowie die Königsherrschaft, die vom Ranghöchsten unter ihnen versehen wurde, bemächtigte sich so der ungeschmälerten väterlichen Machtfülle und ordnete an, den eingetroffenen Kriegsgefangenen Wohnsitze in den geeignetsten Gegenden Babyloniens zuzuweisen; er selbst aber schmückte aus der Kriegsbeute das Heiligtum Bels und die übrigen (Tempel) prächtig aus; die ursprüngliche Stadt erneuerte er und eine weitere baute er von außen vor, so dass etwaige Belagerer nicht mehr durch Aufstauen des Flusses (einen Anschlag) auf die Stadt ins Werk setzen konnten, und ließ drei Umfassungsmauern um die innere Stadt, sowie drei um die Vorstadt anlegen, die einen davon aus gebrannten Ziegeln und Asphalt, die anderen aus bloßen Ziegeln. Nachdem er die Stadt in bemerkenswerter Weise mit Mauern befestigen und die Torbauten hatte ausschmücken lassen wie es Heiligem gebührt, ließ er zusätzlich zu dem Königspalast des Vaters einen anderen, der daran anstieß, errichten, dessen Größe und übrige Pracht darzulegen wohl zu weitläufig sein wird, außer dass er, wiewohl von überragenden und großartigen Ausmaßen, doch innerhalb von fünfzehn Tagen fertiggestellt wurde. Nachdem er in diesem Palast hohe Aufbauten aus Stein hatte errichten lassen und sein Aussehen so dem Gebirge sehr ähnlich gemacht hatte, bepflanzte er diese mit vielen Baumarten und brachte so den so genannten hängenden Garten zustande - seiner Frau zuliebe, die sich das Gebirge als Umgebung wünschte, da sie in Medien aufgewachsen war.

Dies also hat Berosus so über den gerade genannten König berichtet und viel anderes dazu im dritten Buch seiner Chaldäischen Geschichte, in dem er die griechischen Schriftsteller kritisiert, weil sie wähnten, die Assyrerin Semiramis habe Babylon gegründet und die wunderbaren Bauwerke rings um Babylon fälschlich als von ihr errichtet angäben. Auch hierin muss man den Bericht der Chaldäer für glaubwürdig halten, um so mehr, als sich auch im Archiv der Phönizier Aufzeichnungen finden, die mit dem von Berosos Mitgeteilten übereinstimmen, was den König der Babylonier betrifft, dass er sich nämlich sowohl Syrien als auch Phönizien vollständig unterworfen hat. Darin jedenfalls stimmt auch Philostratos überein, wenn er in seinen Berichten die Belagerung von Tyros erwähnt, und Megasthenes im vierten Buch seiner Indischen Geschichte, in dem er darzustellen versucht, dass der gerade genannte babylonische König den Herakles an Tapferkeit und Größe der Taten übertroffen habe; er sagt nämlich, dass er sich auch den größeren Teil Libyens sowie Iberien unterworfen habe. Das vorher über den Tempel in Jerusalem Gesagte, dass er niedergebrannt wurde von den Babyloniern, welche die Stadt angegriffen hatten, dass aber sein Wiederaufbau begann, als Kyros die Herrschaft über Asien ergriffen hatte, dies wird klar erwiesen werden aus (folgenden) Stellen in den Schriften des Berosos; es heißt nämlich in seinem dritten Buch:

Was Nebukadrezar betrifft, so wurde er nach dem Beginn des erwähnten Mauerbaus von einer Krankheit befallen und schied aus dem Leben, nachdem er dreiundvierzig Jahre lang König gewesen war; Inhaber der Königswürde wurde sein Sohn Evilmerodach. Dieser, der seine Regierung gesetzlos und ausschweifend gehandhabt hatte, wurde in einem Anschlag von dem Mann seiner Schwester, Neriglisar, getötet, nachdem er zwei Jahre lang König gewesen war. Nach dessen Ermordung übernahm der, welcher auf ihn den Anschlag ausgeführt hatte, Neriglisar, die Herrschaft und war vier Jahre lang König. Dessen Sohn Laborosoardoch wurde noch als Knabe König für neun Monate; er fiel aber einem Anschlag zum Opfer, weil er viele schlechte Charaktereigenschaften erkennen ließ; seine Vertrauten beseitigten ihn gewaltsam. Nachdem dieser umgekommen war, versammelten sich die Attentäter und übertrugen gemeinsam die Königswürde einem gewissen Naboned, der zu den Babyloniern gehörte/aus Babel war, zu derselben Verschwörergruppe. Unter diesem wurden die flussseitigen Mauern, der babylonischen Hauptstadt, in prächtiger Weise aus gebrannten Ziegeln und Asphalt verstärkt. Im siebzehnten Jahr von dessen Herrschaft zog Kyros mit einer großen Streitmacht aus Persien heraus und rückte nach der Unterwerfung des gesamten restlichen Asien auch gegen Babylonien vor. Naboned bemerkte dessen Anmarsch, trat ihm mit seiner Streitmacht entgegen und lieferte ihm eine Schlacht; er unterlag, entkam mit wenigen Leuten und wurde in der Stadt Borsippa eingeschlossen. Kyros aber nahm Babylon ein und ordnete an, die äußeren Mauern der Stadt niederzureißen, weil die Stadt ihm allzu wehrhaft und uneinnehmbar erschien; dann zog er weiter gegen Borsippa, um (dort) Naboned durch Belagerung niederzuzwingen. Weil aber Naboned der Belagerung nicht standhielt, sondern sich vorher schon selbst ergab, zeigte sich Kyros großzügig und wies ihm Karmania als Exilwohnsitz zu; so verbannte er ihn aus Babylonien. Naboned nun verlebte den Rest seiner Zeit in jenem Land und beschloss dort sein Leben.

Dieser Bericht enthält in Übereinstimmung mit unseren Büchern die Wahrheit: Dort steht nämlich geschrieben, dass Nebukadnezar im 18. Jahr seiner Herrschaft unseren Tempel verwüstet hat und dieser über fünfzig Jahre nicht mehr existierte; im zweiten Jahr der Herrschaft des Kyros seien jedoch die Fundamente neu gelegt worden, und ebenfalls im zweiten Jahr der Herrschaft des Dareos sei er vollendet worden. Ich werde aber noch die Aufzeichnungen der Phönizier hinzufügen; denn keinesfalls sollte man die große Fülle der Beweise unbeachtet lassen; dort ist die Zeitrechnung folgende: Zur Zeit des Königs Itobaal belagerte Nebukadnezar Tyros über 13 Jahre hin. Nach diesem war <...>baal 10 Jahre lang König. Nach diesem wurden Richter eingesetzt, und es sprachen Recht Ednibaal, Sohn des Baalslek zwei Monate, Keleb, Sohn des Abdai zehn Monate, Abbaal der Hohepriester drei Monate; Mutton und Gerastart, Söhne des Abdelim, waren sechs Jahre lang Richter; zwischen ihnen war Baaltor für ein Jahr König. Nach dessen Tod ließen sie durch Gesandte Merbaal aus Babylon zu sich kommen, und er war vier Jahre lang König. Nach dessen Tod ließen sie seinen Bruder Hirom kommen, der zwanzig Jahre lang König war. Zu dessen Zeit gelangte Kyros zur Herrschaft über die Perser.

So beläuft sich doch der gesamte Zeitraum auf vierundfünfzig Jahre und drei Monate; im siebten Jahr seiner Herrschaft nämlich begann Nebukadnezar, Tyros zu belagern, im vierzehnten Jahr der Herrschaft des Hirom wiederum übernahm der Perser Kyros die Macht. Es harmonieren also bezüglich des Tempels mit unseren Schriften diejenigen der Chaldäer und Tyrer, anerkannt und unanfechtbar ist vollends aufgrund des von mir Angeführten die Bezeugung des Alters unseres Volkes. Denen jedenfalls, die nicht ganz und gar rechthaberisch sind, wird, wie ich glaube, das bisher Gesagte genügen.

 

2. Hauptteil (1:161-218): Das Zeugnis griechischer Autoren für die Juden

So bleibt nur noch, denen, die den Aufzeichnungen der Barbaren keinen Glauben schenken, sondern nur diejenigen der Griechen glaubwürdig finden, ihr Verlangen zu erfüllen und darzulegen, dass auch von diesen viele unser Volk kennen und, wie sich ihnen die Gelegenheit ergab, es auch erwähnen in ihren eigenen Schriften. Pythagoras von Samos jedenfalls, einer der Klassiker, der in dem Ruf steht , an Weisheit und Gottesverehrung alle zu übertreffen, die jemals Philosophie trieben, erweist sich nicht nur als informiert über unsere eigenen Überlieferungen, sondern auch als einer, der größtenteils nach ihnen zu leben suchte. Von ihm gibt es zwar keine authentische Schrift, doch haben viele über ihn berichtet; von diesen der bekannteste ist Hermippos, ein Mann, der auf allen Gebieten Forschung trieb. Der nun sagt in dem ersten seiner Bücher über Pythagoras, dass Pythagoras, als einer seiner Lebensgefährten gestorben war, Kalliphon mit Namen, aus Kroton gebürtig, von dessen Seele sagte, sie sei um ihn bei Tag und bei Nacht; sie mahne ihn beständig, keinen Ort zu überqueren, auf dem ein Esel sich niedergelassen habe, und sich stehenden Wassers zu enthalten und jeder Blasphemie. Danach macht er noch folgenden Zusatz: "So handelte und sprach er, indem er Auffassungen der Juden und der Thraker nachahmte und auf sich übertrug." - Man sagt ja ganz richtig, dass jener Mann vieles von den Bestimmungen der Juden in seine Philosophie übernommen habe. Doch war auch in diversen Städten unser Volk von Alters her nicht unbekannt, und vieles von unseren Gebräuchen war schon bis zu einigen von ihnen durchgedrungen und galt in manchen als nachahmenswert. Das macht Theophrast deutlich in seinem Werk Über Gesetze; er sagt nämlich, die Gesetze der Tyrer verwehrten es, fremdländische Eide zu schwören - unter welchen er neben einigen anderen auch den so genannten Korban-Eid aufzählt: Bei niemandem dürfte sich dieser sonst noch finden als allein bei den Juden; und zwar bedeutet (das Wort) aus dem Hebräischen übersetzt so etwas wie "Geschenk an Gott". Ja auch Herodot von Halikarnassos hat unser Volk keineswegs ignoriert, sondern erwähnt es offenbar in indirekter Form; in seinem Bericht über die Kolcher im zweiten Buch sagt er nämlich so:

Von allen Völkern sind die Kolcher, die Ägypter und die Äthiopier die einzigen, die sich von jeher die Geschlechtsorgane beschneiden. Die Phönizier hingegen und die Syrer Palästinas geben zu, dies ihrerseits von den Ägyptern gelernt zu haben. Die Syrer aber, die im Flusstal des Thermodon und des Parthenios siedeln, sowie die Makroner, ihre Nachbarn, geben an, dies unlängst von den Kolchern gelernt zu haben. Das also sind die einzigen unter den Menschen, die sich beschneiden, und sie tun es offenbar nach dem Vorbild der Ägypter. Von den Ägyptern selbst jedoch und von den Äthiopiern kann ich nicht sagen, wer es von den anderen gelernt hat.

Er sagt also, die Syrer Palästinas würden sich beschneiden: doch von den Bewohnern Palästinas sind die einzigen, die dies tun, die Juden; folglich spricht er in Kenntnis dieser Dinge (eigentlich) über sie. Auch Choerilos ferner, ein recht früher Dichter, erwähnt von unserem Volk, dass es mit dem Perserkönig Xerxes gegen Griechenland in den Krieg gezogen sei; nach der Aufzählung all der Völkerschaften hat er als letzte auch die unsere einbezogen in den Worten:

Hinter denselben marschierte ein Volk von seltsamem Anblick,
welches zwar im Munde die Sprache Phöniziens führte,
doch in Solymischen Bergen beim weiten Binnensee wohnte,
ringsum geschoren die struppigen Häupter; über den Schultern
trugen sie Häute von Pferdeköpfen, getrocknet im Rauche.

Da scheint mir nun für alle klar zu sein, dass er uns meint, da sowohl die Solymischen Berge, die wir bewohnen, sich in unserem Land befinden, wie auch der so genannte Asphalt-See; dieser ist nun einmal weiter und größer als alle Seeen Syriens.

Klearch von Soli begegnet einem jüdischen Weisen

Choerilos jedenfalls erwähnt uns in dieser Weise. Dass die Juden aber nicht nur bekannt waren, sondern auch bewundert wurden von denjenigen Griechen, die ihnen begegneten - und das waren nicht eben die verächtlichsten, sondern die wegen ihrer Weisheit am meisten bestaunten -, ist leicht festzustellen. Denn Klearchos, der Schüler des Aristoteles, der unter den Philosophen des Peripatos keinem nachsteht, sagt im ersten Buch Über den Schlaf, Aristoteles, sein Lehrer, habe über einen Juden folgendes berichtet, wofür er Aristoteles selbst in wörtlicher Rede anführt; so steht es geschrieben:

"Nun, das alles zu sagen, wäre zu lang; was aber an diesem (Menschen) Staunenerregendes und Philosophisches ist, das darzustellen kann nicht verkehrt sein. Du sollst jedoch klar wissen, Hyperochides, es wird dir wie ein Traum vorkommen, was ich sage." Darauf Hyperochides respektvoll: "Eben darum begehren wir alle, es zu hören." "Also," sprach Aristoteles, "lasst uns nach der Vorschrift der Rhetoriker erst seine Abstammung genauer angeben, um nicht ungehorsam zu sein gegenüber den Lehrern der berichteten Rede." "Sage es," antwortete Hyperochides, "wenn es dir so recht ist!" "Jener also", sprach er, "war seiner Abstammung nach ein Jude aus Coelesyrien. Dies aber sind Abkömmlinge der Philosophen Indiens. Es heißen aber dem Vernehmen nach bei den Indern die Philosophen Kalanoi, bei den Syrern aber Ioudaioi, von der Region her so genannt; denn die Region, die sie bewohnen, heißt Judäa. Der Name ihrer Stadt ist ganz bizarr: Sie nennen sie Hierusal¯em¯e'. Dieser Mensch nun, der bei Vielen als Gast weilte und aus dem Binnenland allmählich zur Küstengegend herabkam, war griechisch nicht nur in seiner Sprache, sondern auch in seinem Denken. Zu der Zeit nun, als wir uns in Asien aufhielten, suchte dieser Mensch dieselbe Gegend auf, traf uns und einige andere Bildungsbeflissene und stellte ihre Weisheit auf die Probe. Als einer, der mit vielen Gebildeten vertraut geworden war, gab er uns (noch) eher etwas von dem Seinen ab."

Solches spricht Aristoteles bei Klearchos, und zusätzlich stellt er die große und ausführlich erstaunliche Disziplin des jüdischen Mannes in seiner Lebensführung dar und seine Selbstbeherrschung. Wer will, kann die vollere Information aus dem Buch direkt erhalten; ich jedenfalls hüte mich, mehr als nötig hierher zu setzen.

Die Nachricht des Hekataeos über die Juden

Klearchos also sagt dies in einem Exkurs - sein Thema war ein anderes; immerhin erwähnt er uns auf diese Weise. Hekataeos von Abdera aber, Philosoph und zugleich sehr tüchtig in der Praxis, der gleichzeitig mit König Alexander wirkte und (noch) Zeitgenosse des Ptolemaeos, Sohn des Lagos, war, hat nicht nur nebenbei, sondern speziell über die Juden ein Buch geschrieben, aus dem ich summarisch einiges dort Berichtete durchgehen möchte. Und zwar will ich zunächst das Datum klarstellen: Er erwähnt die Schlacht des Ptolemaeos gegen Demetrios bei Gaza; diese ereignete sich im elften Jahr nach Alexanders Tod sowie in der hundertsiebzehnten Olympiade, wie Kastor mitteilt. Unter der Überschrift dieser Olympiade sagt er nämlich: "In dieser besiegte Ptolemaeos, Sohn des Lagos, bei Gaza im Kampf Demetrios, Sohn des Antigonos, mit dem Beinamen Poliorketes." Von Alexander geben alle einhellig an, er sei gestorben in der hundertvierzehnten Olympiade. So ist nun klar, dass sowohl zu seiner wie des Alexander Zeiten unser Volk in Blüte stand. Nun sagt Hekataeos wiederum, dass nach der Schlacht in Gaza Ptolemaeos sich des syrischen Raumes bemächtigte und dass viele Menschen, die von der Milde und Menschenliebe des Ptolemaeos erfuhren, mit ihm nach Ägypten ziehen und an seinen Aktivitäten teilnehmen wollten:

Unter diesen war einer, .Hezekia, Oberpriester der Juden, ein Mann von etwa sechsundsechzig Jahren, hochgeschätzt bei seinen Volksgenossen und mit besonderen Verstandesgaben versehen, zusätzlich auch redegewandt und praxiserfahren wie kein anderer. Und zwar ist die Gesamtzahl der Priester der Juden, die den Zehnten der Erträge empfangen und die gemeinsamen Angelegenheiten verwalten, ungefähr tausendfünfhundert.

Wieder zurückkommend auf den eben genannten Mann, sagt er:

Dieser Mensch, dem solche Ehre zuteil geworden und der unser Gefährte geworden war, nahm Einige aus seiner eigenen Begleitung mit sich und las ihnen sowohl die ganze Einstufungsliste vor; diese enthielt nämlich ihr Siedlungsgebiet und ihre Bürgerrechte verzeichnet...

Hekataeos über jüdische Gesetzestreue

Danach macht Hekataeos wiederum deutlich, wie wir uns zu unseren Gesetzen verhalten - dass es uns lieber ist, alles (Erdenkliche) zu ertragen, um diese nicht zu übertreten, und dass wir hierin etwas Gutes sehen:

Schließlich können sie selbst durch Schmähungen ihrer Anrainer und aller, die in ihr Land kommen, oder durch häufige Anwürfe von Seiten der persischen Könige und Satrapen in ihrer Gesinnung nicht wanken gemacht werden; sondern nackt ausgezogen, ertragen sie um deretwillen sowohl Verhöhnungen, wie auch allerschlimmste Todesarten, ohne die väterlichen Gesetze zu verleugnen.

Er liefert nicht wenige Beweise der Gesinnungstreue in Bezug auf unsere Gesetze; so sagt er, es hätten, als Alexander einst in Babylon weilte und sich vornahm, das eingestürzte Heiligtum des Bel wieder benutzbar zu machen, und allen seinen Soldaten gleichermaßen Befehl gab, den Schutt wegzutragen, nur die Juden nicht darauf gehört, sondern viele Schläge hingenommen und große Strafen erduldet, bis der König Nachsicht zeigte und ihnen Straffreiheit gewährte. Er sagt:

Ferner, als die Leute, die zu ihnen in ihr Land kamen, Tempel und Altäre erbaut hatten, rissen sie diese sämtlich nieder; dafür haben sie teils den Satrapen volle Strafe zahlen müssen, teils jedoch auch Nachsicht erfahren.

Und er fügt hinzu, dass man sie zu Recht dafür bewundern muss. Er spricht des weiteren über das sehr starke Anwachsen unseres Volkes:

Viele Zehntausende von uns waren zuvor durch die Perser gewaltsam nach Babylon umgesiedelt worden; nicht wenige Zehntausende sind ferner nach dem Tod Alexanders nach Ägypten und Phönizien ausgewandert wegen der Unruhen in Syrien.

Nachrichten des Hekataeos über Judäa und Jerusalem

Dieser selbe Mann berichtet auch über die Größe des Landes, das wir bewohnen, und seine Schönheit; er sagt:

Beinahe drei Millionen Aruren besten und an allen Früchten ertragreichsten Landes bewohnen sie; so weiträumig ist Judäa.

Ja, dass wir auch die derart schöne und große Stadt, Jerusalem, von jeher bewohnen, sowie über ihre Fülle an Menschen und über die Beschaffenheit des Tempels äußert sich derselbe Autor folgendermaßen:

Die Judäer haben viele Festungen übers Land verteilt und Dörfer sowie eine befestigte Stadt, ungefähr fünfzig Stadien im Umfang, die von hundertzwanzigtausend Menschen bewohnt wird; sie nennen sie Hierosolyma. Dort ist ungefähr in der Mitte der Stadt eine steinerne Umfassung, etwa fünf Plethren in der Länge und hundert Ellen in der Breite, mit doppelten Toren, innerhalb welcher sich ein viereckiger Altar befindet aus unbehauenen, zusammengelesenen Rohsteinen, einfach zusammengesetzt, von dem jede Seite zwanzig Ellen misst, die Höhe aber zehn Ellen. Und neben ihm (steht) ein großes Gebäude, worin (gleichfalls) ein Altar ist und ein Leuchter, beide golden, zwei Talente schwer. Auf diesen befindet sich ein unauslöschliches Licht bei Nacht und bei Tag. Es gibt jedoch keine Bildsäule, überhaupt keine Weihegabe und nichts wie eine heilige Anpflanzung von der Art eines Haines oder etwas Derartiges. In dem (Gebäude) aber halten sich Nacht und Tag Priester auf, die bestimmte Reinigungsriten vollziehen; und Wein trinken sie im Heiligtum überhaupt nicht.

Ein weiteres (Ps.-)Hekataeos-Zeugnis: Die Mosollam-Episode

Ferner, dass sie auch mit König Alexander zu Felde zogen und danach mit seinen Diadochen, bezeugt er. Was er nach seiner Aussage selbst miterlebt hat als (Tat) eines Juden auf diesem Feldzug, das will ich hierher setzen. Er spricht folgendermaßen:

Als ich auf das Rote Meer zumarschierte, begleitete mich einer in der Gruppe von Reitern, die uns Geleit gaben, ein Jude mit Namen Mosollam, ein Mensch von besonderer Sinnesschärfe und ein Bogenschütze, über den alle Griechen wie Nichtgriechen (auf diesem Feldzug) einig waren, er sei der beste. Dieser Mensch nun - es zogen viele die Straße entlang, und irgendein Wahrsager hielt Vogelschau und bat alle, stehen zu bleiben - fragte, warum sie warteten. Als der Wahrsager ihm den Vogel zeigte und sagte, wenn er auf der Stelle bliebe, sei es gut für alle, auch zu bleiben, wenn er jedoch weiterflöge - zu gehen, flöge er zurück - wieder zurückzugehen, da sagte er nichts, spannte nur den Bogen, schoss, traf und tötete den Vogel. Auf die Entrüstung des Wahrsagers und einiger anderer und auf ihre Verwünschungen gegen ihn entgegnete er: "Was seid ihr so außer euch, ihr Unseligen?" Dann nahm er den Vogel in die Hände und sagte: "Wie hätte wohl dieser, der (das für) sein eigenes Heil (Nötige) nicht voraussah, uns etwas Gescheites sagen können über unseren Marsch? Wäre er in der Lage gewesen, die Zukunft im voraus zu erkennen, wäre er nicht hierher gekommen; er hätte befürchtet, es töte mit seinem Bogen ihn Mosollam, der Jude."

Das Zeugnis des Agatharchides von Knidos

Damit genug von den Zeugnissen des Hekataeos; wer mehr wissen will, kann leicht das Buch selbst einsehen.