Aufarbeitung der Dokumentation und Publikation
der Ausgrabungsergebnisse in Tell Schech Hamad, Dur-Katlimmu


Luftaufnahme des Siedlungsgeländes von Tall Šēḫ Ḥamad von Norden (Aufnahme G. Gerster 1997) mit Beschriftungen
© Tall Šēḫ Ḥamad Archiv, Berlin


Von 1978 bis 2010 haben 32 Ausgrabungskampagnen an dem mittel- und neuassyrischen Fundort (ca. 1300-600 v. Chr.) Tell Schech Hamad am Fluss Habur in Nordostsyrien als DFG-Langzeitprojekt stattgefunden (Leitung Prof. em. Dr. Hartmut Kühne, FU Berlin). Die Lage in Syrien nahe der irakischen Grenze ermöglichte über 32 Jahre eine einzigartige, systematische und intensive Erforschung der assyrischen Stadt Dur-Katlimmu mit modernen Ausgrabungsmethoden.
Nachdem die Ausgrabungen in Tell Schech Hamad nach 2010 wegen des Ausbruchs des Bürgerkrieges und der Ausbreitung des „IS“ in Syrien eingestellt werden mussten, endete 2014 auch die Förderung der DFG. Die Lage in der Mitte des IS-Gebietes zwischen den Zentren Mosul und Raqqa machte auch den Fundort Tell Schech Hamad zum Ziel von Zerstörungen und Raubgrabungen. Die vollständige Dokumentation der Ausgrabungen wird im Universitätsarchiv an der FU-Berlin unter Verwaltung von Herrn Kühne aufbewahrt. Es handelt sich um weltweit einen der wichtigsten Datenbestände der Assyrienforschung, der bislang in wichtigen Teilen publiziert aber bei weitem nicht vollständig aufgearbeitet ist. Auf lange Sicht wird es wegen der anhaltenden schwierigen politischen Situation nicht möglich sein, vergleichbare Datenbestände aus Syrien zu generieren.



Mehr über Tell Schech Hamad / Dur-Katlimmu können Sie erfahren auf
www.schechhamad.de

Im Rahmen der Forschungsvorhaben Alexander-von-Humboldt Professur für die Alte Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens an der LMU München (Prof. Dr. Karen Radner) wurden zwei Studien begonnen, die nun an der WWU-Münster in Kooperation mit der FU-Berlin und der LMU München fortgesetzt werden:


1. Stratigraphie und Architektur der Nordostecke der Unterstadt II


Die Studie konzentriert sich auf die Auswertung der Stratigraphie und Architektur des Grabungsabschnittes in der Nordostecke der Unterstadt II, wo ungefähr 10.000 m² freigelegt worden sind. Die Erweiterung des Siedlungsgeländes um die Unterstadt II erfolgte zu Beginn des ersten Jahrtausends v. Chr. und umfasste eine Fläche von 28,5 ha auf insgesamt etwa 52 ha. In der Nordostecke befinden sich fünf separate Gebäude, offene Plätze, ein Teil der Stadtmauer, sowie ein Wasserversorgungssystem. Das multifunktionale, palastartige Gebäude F/W ist das größte und wichtigste in diesem Bereich. Es bedeckt eine Fläche von 3768 m² und besaß fast 50 Räume. Das Ziel des Publikationsvorhabens ist, das sich verändernde Stadtbild sowie die sozialen und administrativen Strukturen der Bewohner von Dur-Katlimmu aus dem reichhaltigen archäologischen Material herauszuarbeiten. Im Rahmen dieser Studie werden von Jens Rohde ein digitaler steingerechter Gesamtplan und Profilzeichnungen des Grabungsabschnittes Nordostecke erstellt.


2. Die eisenzeitlichen Gräber von Dur-Katlimmu


In dem Grabungsabschnitt der Mittleren Unterstadt II wurde mit den sogenannten „Neuassyrischen Residenzen“ und dem „Roten Haus“ eine stratigraphische Abfolge von Gebäuden freigelegt, die von der Zeit zwischen dem frühen Neuassyrischen Reich (ca. 900 v. Chr.) bis in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. datiert, als das Neubabylonische und anschließend das Achämenidische Reich das Assyrische als führende politische Macht im Vorderen Orient abgelöst hatten. Unter den Fußböden dieser Gebäude wurden etwa 40 Gräber gefunden, die sich in zwei Gruppen einteilen lassen.
Die erste Gruppe beinhaltet Grabtypen wie Grüfte, Topf- und Erdgräber mit Körperbestattungen, die aus anderen neuassyrischen Fundorten, z.B. Assur, bekannt sind. Die zweite Gruppe beschreibt einen neuen Grabtypus, der als „primäre Brandgrubengräber“ bezeichnet wird. Auf Basis der archäologischen Funde und Befunde der Gräber sowie der sterblichen Überreste von etwa 40 Einwohnern Dur-Katlimmus untersucht diese Studie Bestattungspraktiken und die sich wandelnden Lebensumstände in der Stadt. Da für die meisten Grabkontexte aus vergleichbaren neuassyrischen Stätten keine anthropologischen Daten vorliegen, stellt diese Gruppe den momentan größten Datensatz dar. In einzigartiger Weise ermöglicht die anthropologische, paläopathologische und archäologische Auswertung, die Krankheiten und Lebensumstände der Individuen zu rekonstruieren.