JAMA verteuert sich um das Sechsfache

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Heftige Preiserhöhungen sind nichts Neues in der Verlagsbranche. Die ZB Med hatte bereits wiederholt über deftige Preissprünge bei Zeitschriften wie Pediatrics (PDF) oder dem NEJM berichtet.

Diese Praktiken sind weit verbreitet und lassen Verleger als ausgewiesene Profitgeier erscheinen, wie zuletzt der Guardian in einem vielbeachteten Artikel schrieb: Academic Publishers Make Murdoch Look Like a Socialist, der nun auch auf Deutsch vorliegt:

Wer sind die skrupellosesten Kapitalisten der westlichen Welt? Wessen monopolistische Praktiken lassen Wal- Mart aussehen wie einen Tante-Emma-Laden und Rupert Murdoch wie einen Sozialisten? Auch wenn es offenkundig eine ganze Reihe von Kandidaten gibt, sind es nicht die Banken, die Ölunternehmen oder die Krankenversicherungen – sondern die Wissenschaftsverlage. Von all dem Betrug, der in der Wirtschaft vor sich geht, müsste die Abzocke, die hier betrieben wird, am dringendsten von den Wettbewerbsbehörden überprüft werden.

Etliche Wissenschaftler möchten dieses System nicht länger unterstützen und verpflichten sich, nur noch in Open Access Journalen zu veröffentlichen. Der Widerspruch aus Verlagskreisen ließ nicht lange auf sich warten. Wer meinte, dass nun die Geschäftsführer von Nature, Elsevier, Wiley oder Taylor&Francis zum Griffel greifen würde, sah sich getäuscht: Ausgerechnet Kent Anderson, der Chefredakteur des niedrigpreisigen Journal of Bone and Joint Surgery lies sich zu einer Replik hinreissen: Uninformed, Unhinged, and Unfair – The Monbiot Rant, in dem er doch dreist behauptete, dass Bibliotheken immer noch mehr als genug Geld hätten, sich alles zu kaufen, was die Nutzer auch nur im Entferntesten gebrauchen könnten:

The fact is that librarians are intelligent players in the scholarly space who, working with publishers, have secured excellent, sustainable deals for their constituencies to resources that are almost all online now.

Die Realität sieht de facto vollkommen anders aus, wie auch die ZB Med leidvoll erfahren mußte. Trotz weiter explosiv steigender Zeitschriftenpreise ist der Bibliotheketat seit Jahren unverändert, d.h. de facto haben wir einen massiven Kaufkraftverlust (PDF).

Ein besonders eklatantes Beispiel aus der Inneren Medizin ist die diesjährige Verteuerung von JAMA von 900 auf 6.600 Euro. Ich habe in der obigen Abbildung mal aufgeführt, wieviel wir in den letzten Jahren alleine für die 4 wichtigsten Titel der inneren Medizin ausgeben mussten (zum Vergrößern auf Grafik klicken).

2 Gedanken zu „JAMA verteuert sich um das Sechsfache

  1. PMay

    Das ist wirklich eine absolute Frechheit! Aber impact factors sind im internationalen System mittlerweile so im System etabliert, dass High-IF Journals das machen können, ohne mit der Wimper zu zucken.

    Hoffentlich findet in der wissenschaftlichen Community mal ein Umdenken statt, dass die IF ein geringeres Gewicht bekommen. Dann könnte man auch wieder wissenschaftlich arbeiten und muß nicht mehr hetzen, irgendwas irgendwie zu publizieren. Dann hätten die Journals auch wieder Zeit, sich auf die Prüfung von dann weniger Artikeln zu konzentrieren. Auf viele Artikel kann die Welt leider immer noch gut verzichten, weil die Ergebnisse nicht nachvollziehbar sind und Qualität zu schlecht ist.

  2. Oliver Obst

    Durch die Veränderung des Tier-Modells hat die AMA ein „Schlupfloch“ geschlossen, über das Bibliotheken JAMA für knapp unter 1.000 Euro beziehen konnten. Mit dem neuen Tier-Modell und Preisen von 6.600 Euro hat man die *für Bibliotheken angemessene“ Größenordnung von 1.000-2.000 Euro verlassen und sich an das Flaggschiff NEJM angeschlossen, das eine „für Stakeholders angemessene“ Größenordnung von >5.000 Euro bevorzugt. NEJM ist in der Kategorie Allgemeine und Innere Medizin mit einem Impact Faktor 53.5 der absolute Spitzenreiter, während JAMA mit 30.0 auf dem 3. Platz liegt. Dazwischen bzw. dahinter liegen Lancet (Platz 2, 33.6) und BMJ (Platz 6, 14.4). Es ist nun zu befürchten, dass auch diese Publikationen den Preis verlangen werden, den der Markt hergibt ,und nicht den, der bezahlbar ist. „Bezahlbar“ ist alles, dann konzentriert sich eben das Angebot zukünftig auf die 100 „besten“ Titel und alles andere wird abbestellt, um diese bezahlen zu können. Diesen Konzentrationsprozess kennen wir bereits. Ende offen.

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