

Wolf Dietrich (1934-2014) hinterließ uns nur wenige Informationen über seine Biografie. Wir wissen, dass er der Sohn eines Musiklehrers war, im Rhein-Main-Gebiet aufwuchs und dort einen großen Teil seines Lebens verbrachte.
Nach dem Besuch eines humanistischen Gymnasiums, das er mit dem Abitur abschloss, arbeitete Dietrich zunächst im Technologie- und IT-Sektor. Doch seine wahre Leidenschaft galt der Musikethnologie.
Sein Interesse wurde durch die Egerländer Dudelsäcke geweckt, und der Dudelsack in all seinen Ausprägungen in verschiedenen Kulturen wurde zu einem lebenslangen Forschungsschwerpunkt.
Ohne dass von einer Seite große Berührungsängste bestanden, war Dietrich in Kontakt mit Prof. Felix Hoerburger (1916-1997, Regensburg) und Prof. Kurt Reinard (1914-1979, Berlin), die seine Fähigkeiten als Forscher schätzten, obwohl Dietrich keine universitäre Ausbildung durchlaufen hatte. Um sich autodidaktisch in Ethnomusikologie weiterzubilden, stellte er eine umfangreiche Bibliothek zusammen, die sowohl Bücher über die Sprachen und Geschichten der erforschten Regionen, als auch einschlägige musikwissenschaftliche Literatur enthält.
Seine ersten Feldforschungen unternahm Dietrich im Rahmen von Urlaubsreisen nach Griechenland, Montenegro und in die Türkei. Obwohl die Balkanhalbinsel und die Türkei lebenslange regionale Schwerpunkte bleiben sollten, führte er auch Feldforschungen in Ost- (Indonesien und Malaysia) und Zentralasien (Kasachstan) durch.
Seine Aufnahmen und Forschungsergebnisse dokumentierte Dietrich äußerst sorgfältig: sowohl in Form von Metadaten (Namen der Musiker, Zeit/Ort/Dauer der Aufnahmen usw.), als auch in Form von Notizen, die weiterführende musik-kulturelle Informationen enthalten. Bei den Aufnahmen selbst zeigte sich Dietrich nicht nur technikaffin, sondern auch als jemand, der großen Wert auf die Qualität seiner Aufnahmen legte. Alle seine Forschungsdaten sind zudem in einem umfangreichen Katalogsystem dokumentiert, was seine Verwurzelung im IT-Bereich zeigt.
In den 1960er Jahren bot Dietrich seine in Griechenland gemachten Aufnahmen dem Hessischen Rundfunk an, der ihn sofort mit der Ausarbeitung von Radiosendungen beauftragte. 1993 verließ Dietrich schließlich die IT-Branche und widmete sich der Forschung sowie dem Rundfunk, für den er über 500 Sendungen bei verschiedenen Sendern im deutschsprachigen Raum produzierte. Oft griff Dietrich für die Produktion der Sendungen auf eigene Aufnahmen zurück.
Parallel pflegte Dietrich auch seine Kontakte zur deutschsprachigen Ethnomusikologie und war häufig auf Tagungen des International Council for Tradtions of Musics and Dance (ICTMD, damals noch ICTM) präsent. Gelegentlich lassen sich auch Publikationen von Dietrich in musikwissenschaftlichen Kontexten finden.
Im Jahr 2013 wurde seine Sammlung als Schenkung an das Musikwissenschaftliche Institut der Universität Münster übergeben, wo sie seitdem im Arbeitsbereich von Prof. Dr. Ralf Martin Jäger von seinem Team wissenschaftlich erschlossen wird.