Psychoseerkrankungen
Neurobiologische Marker von Psychoseerkrankungen
Die Untersuchung zellbiologischer Vorgänge in der Schizophrenieforschung hat in den letzten Jahren verstärktes Interesse gefunden. Befunde aus Bildgebung
und Neuropathologie weisen bei Patienten mit schizophrener Psychose auf eine Reduktion des Neuropils hin. Diese Reduktion ist bedingt durch eine Verringerung der
Dendriten und Synapsen und damit der neuronalen Zellgröße, wohingegen die Anzahl der Neurone und Gliazellen unverändert bleibt. Dysbindin und
Neuregulin als Kandidatengene der Schizophrenie sowie eine veränderte Genexpression synaptischer Proteine verstärken die Evidenz für eine
Beteiligung der Dendriten und Synapsen an der Pathogenese der Schizophrenie. Astrozyten wirken nicht nur metabolisch unterstützend, sondern beeinflussen
überwiegend über den glutamat-induzierten Kalziumstoffwechsel Dendriten und Synapsen und damit die neuronale Funktion. Bei schizophrenen Patienten
wurden dystrophische Astrozyten mit rarifizierten Mitochondrien und einer eingeschränkten Funktion bei Reparaturvorgängen beobachtet. Die
astrozytäre Funktion kann in klinischen Untersuchungen mithilfe des Indikators S100B beurteilt werden. S100B entfaltet parakrine und autokrine Wirkungen auf
Neurone und Gliazellen. Es besitzt eine maßgebliche Funktion in der Regulation neuronaler Proliferation und Differenzierung durch die Hemmung der
Phosphorylierung synaptischer Schlüsselproteine. Die Expression von S100B wird maßgeblich über den 5HT1A-Rezeptor auf Neuronen und Astrozyten
reguliert. Neuere Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass die protektive 5HT1A-agonistische Wirkung im Gehirn durch S100B vermittelt wird.
Bei Patienten mit schizophrenen Psychosen konnte eine
erhöhte Konzentration von S100B im Liquor und Serum gemessen werden, die mit einer persistierenden Defizitsymptomatik auch im Längsschnitt assoziiert
ist. Unter standardisierten Therapiebedingungen zeigten Patienten mit erhöhten S100B-Konzentrationen einen verzögerten Therapieverlauf.
Die Erhöhung der Liquor- und Serumkonzentration
des astrozytären Proteins S100B weist auf eine Aktivierung der Astrozyten bei Patienten mit Schizophrenie hin. Aus zellkulturellen Experimenten gewonnene
Erkenntnisse legen nahe, dass die erhöhte S100B-Konzentration Ausdruck eines verstärkten Reparaturvorganges bei einer anderweitig verursachten
Schädigung von Synapsen und Dendriten ist. Der mit einer 5HT1A-agonistischen Wirkung in Verbindung gebrachte positive Einfluss neuerer Antipsychotika auf die
kognitiven Defizite Schizophrener könnte über eine Erhöhung der zerebralen S100B-Konzentration und deren neuroprotektive Wirkung vermittelt
werden.
In größeren klinischen
Studien innerhalb des Forschungsbereiches "Psychoseerkrankungen" der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums
Münster, in Kooperation mit anderen Abteilungen des Universitätsklinikums Münster (IZKF, Dermatologie, Transfusionsmedizin) sowie mit weiteren
universitären Arbeitsgruppen (in Berlin, Jena, Hannover, Lübeck) werden die neurobiologischen Untersuchungen mit Verfahren der Neuropsychologie,
Bildgebung und Neurophysiologie verknüpft. Die Kombination dieser Methoden ermöglicht einen Erkenntnisgewinn über die funktionellen
Zusammenhänge zwischen Hirnstoffwechselstörungen, kognitiven und neurophysiologischen Störungen.
Beteiligte Wissenschaftler:
Veröffentlichungen:
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