Theorie der Wirtschaftspolitik
Rigide Kapitalmärkte als Ursache für strukturelle Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt
Die anhaltende Beschäftigungsmisere in Kontinentaleuropa hat in erster Linie strukturelle Ursachen und kann damit nicht ausschließlich mit einer expansiven
Nachfragepolitik effektiv bekämpft werden. Vielmehr gilt es, die Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes durch strukturelle Reformen zu erhöhen. Es
spricht vieles dafür, dass der Beschäftigungsmisere in den großen kontinentaleuropäischen Ländern durch mehr Wettbewerb auf dem
Arbeitsmarkt begegnet werden muss. Ein wettbewerblich orientierter Arbeitsmarkt ist allerdings so gut wie ausschließlich in angelsächsischen Ländern
vorzufinden. Die üblichen Standardmodelle zur Diskussion der Entwicklung struktureller Arbeitslosigkeit beinhalten in der Regel lediglich die institutionellen
Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt und des Sozialstaates sowie bisweilen auch die Wettbewerbsintensität auf dem Gütermarkt, nicht aber die
institutionelle Ausgestaltung des Kapitalmarktes. Eventuell sind jedoch die institutionellen Rahmenbedingungen auf den unterschiedlichen Märkten gerade nicht
voneinander unabhängig, sondern insbesondere über politökonomische Kanäle miteinander eng verflochten. Dieser Zusammenhang ist aber
möglicherweise nicht nur aus politökonomischen Gründen wichtig. Vielmehr könnte er auch maßgeblich für die weitaus bessere
gesamtwirtschaftliche Performance und auch Arbeitsmarktentwicklung speziell in den 90er Jahren in den angelsächsischen Ländern verantwortlich sein.
Flexiblere Arbeitsmärkte in Verbindung mit besser funktionierenden Kapitalmärkten und vor allem Risikokapitalmärkten könnten die
entscheidenden Gründe dafür gewesen sein, warum die angelsächsischen Länder schneller in der Lage waren, den strukturellen Wandel vom
industriellen Sektor hin zum Dienstleistungssektor erfolgreich zu bewältigen und auch in Bereiche der "new economy" vorzudringen. Das Projekt geht
vor allem folgenden Fragen nach: Welche Rolle spielt die Funktionsfähigkeit des (Risiko-)Kapitalmarktes für die Situation auf dem Arbeitsmarkt? Gibt es
signifikante Zusammenhänge, Wechselwirkungen oder gar Abhängigkeiten zwischen den Organisationsformen des Arbeitsmarktes und des Kapitalmarktes?
Befinden sich die korporatistisch organisierten kontinentaleuropäischen Länder in einer Art "Verflechtungsfalle", weil sie nicht nur auf dem
Arbeitsmarkt, sondern auch auf dem Kapitalmarkt verkrustete Strukturen aufweisen? Wie wirkt sich eine solche "institutionelle Verflechtungsfalle" auf die
Beschäftigungssituation auf dem Arbeitsmarkt aus? Inwieweit dient ein rigider Kapitalmarkt als Erklärung für strukturelle Ungleichgewichte auf dem
Arbeitsmarkt? Welche politischen Implikationen resultieren aus den theoretischen Erkenntnissen und den praktischen Erfahrungen?