Raumplanung
Das Gebot der nachhaltigen Entwicklung als Leitvorstellung des Raumordnungs- und
Bauplanungsrechts
Seit der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen im Jahr 1992 in Rio wird weltweit das Leitbild einer
Nachhaltigen Entwicklung für die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereiche diskutiert. Mit dem am
1. Januar 1998 in Kraft getretenen BauROG hat das Gebot einer nachhaltigen Entwicklung sowohl im deutschen
Raumordnungsrecht als auch im Recht der Bauleitplanung seine gesetzliche Verankerung erhalten.
Leitvorstellung für die Erfüllung der raumordnungsrechtlichen Aufgabe ist nach
§ 1 Abs.2 S.1 ROG seitdem eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen
und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang
bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung führt. Für die
Bauleitplanung enthält § 1 Abs.5 S.1 BauGB anstatt einer geordneten
städtebaulichen Entwicklung nun die Zielsetzung einer nachhaltigen städtebaulichen
Entwicklung.
Damit ist die raumbezogene Gesamtplanung in Deutschland unter die Maxime einer nachhaltigen
Entwicklung gestellt worden. Dies hat angesichts der begrifflichen Unschärfe zu der Problematik und einer
anschließenden Diskussion geführt, wie die inhaltliche Ausgestaltung der Leitvorstellung und ihre
rechtlichen Auswirkungen für die räumliche Gesamtplanung aussehen könnten. So bestehen
seit Aufkommen des Begriffs einer »Nachhaltigen Entwicklung« Unsicherheiten, welche
Begriffsinhalte mit dieser Konzeption verbunden sind und welcher Gestalt nachhaltigkeitsspezifische
Ausprägungen im Einzelnen sein können. Darüber hinaus stellt sich insbesondere im
Hinblick auf das gesamtplanerische Abwägungsgebot, wonach die öffentlichen und privaten
Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind, die Frage, ob und inwieweit sich aus
den genannten Gesetzesänderungen rechtliche Konsequenzen für den Rechtsanwender
ergeben.Hier ist speziell von Bedeutung, inwieweit durch die neue Leitvorstellung zusätzliche
Anforderungen für die planerische Abwägung, also den Planungsprozess und das
Planungsergebnis, generiert werden. So ist zu klären, wie spezifische Anforderungen einer nachhaltigen
Raumentwicklung bzw. einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung aussehen können. Dies hat
vor dem Hintergrund zu erfolgen, dass ein Interessensausgleich und eine Koordinierung konfligierender
Interessen bereits vor den genannten Gesetzesänderungen durch eine fehlerfreie planerische
Abwägung zu erfolgen hatten.
Sowohl im Raumordnungsrecht als auch im Recht der Bauleitplanung
kommt es insoweit maßgeblich auf das Verhältnis zwischen der Leitvorstellung auf der einen Seite
und dem Instrument der planerischen Abwägung auf der anderen Seite an. Es bedarf der Klärung
des Zusammenspiels beider Planungsmaßstäbe.
In Anbetracht dieser Fragestellungen galt es
zunächst, im Rahmen der Untersuchung die Entstehung und Entwicklung des allgemeinen Konzepts
einer Nachhaltigen Entwicklung zu ermitteln. Über die dadurch gewonnenen inhaltlichen Grundaussagen
und unter Anwendung der zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden zeigt der Verfasser sowohl
für das Raumordnungsrecht als auch das Bauplanungsrecht die inhaltliche Reichweite der Leitvorstellung
auf. Außer der grammatischen und der entstehungsgeschichtlichen Auslegung ermöglicht vor allem
die Analyse der systematischen Einbindung der Leitvorstellung in das Normengefüge des
Raumordnungsgesetzes Rückschlüsse auf ihre inhaltliche Ausgestaltung. Deutlich wird insoweit
auch der Zusammenhang mit den Phasen der planerischen Abwägung. Für die Bauleitplanung
lassen sich diese Ergebnisse übernehmen, wie insbesondere die Untersuchung des
§ 1 a BauGB und die nähere Präzisierung der strukturellen
Verwandtschaft zwischen Bauleitplanung und Raumordnung zeigen. In Anlehnung an die dogmatische
Einteilung der planerischen Abwägung in unterschiedliche Abwägungsphasen wird die
Leitvorstellung als ein (zusätzliches) Element zur normativen Steuerung der Abwägung vorgestellt.
Als Auswirkungen der Leitvorstellung werden sowohl ihre Steuerungsfunktion für die Phasen der
Abwägung näher definiert als auch die nachhaltigkeitsspezifischen Anforderungen an eine
räumliche Gesamtkonzeption beschrieben. Aber auch außerhalb der planerischen Abwägung
wird im Raumordnungs- und Bauplanungsrecht untersucht, inwieweit der Leitvorstellung eine
Steuerungsfunktion zu teil wird. Die vorliegende Arbeit setzt sich zum einen grundlegend mit dem Inhalt des
Gebotes einer Nachhaltigen Entwicklung auseinander. Zugleich wird ein wertvoller Beitrag im Hinblick auf das
Verhältnis der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung bzw. einer nachhaltigen
städtebaulichen Entwicklung zum Instrument der planerischen Abwägung geleistet. Es wird
deutlich, wie der Gesetzgeber mit der Verankerung der Leitvorstellung eine zusätzliche finalorientierte
Steuerung der planerischen Abwägung herbeigeführt hat.
Beteiligte Wissenschaftler:
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