Thomas Ritter (Bonn)

Betreuer: Prof. Schmoeckel


Titel der Dissertation:

Die Grenzen des kommunalen Steuerfindungsrechts am Beispiel der Vergnügungssteuer – Entwicklung, Legitimation und Legitimität aus rechtshistorischer Perspektive


Kurzbeschreibung:

Das deutsche „Steuerchaos“ ist historisch gewachsen. Eine diskussionswürdige Sonderrolle nehmen die örtlichen Aufwand- und Verbrauchsteuern ein, zu welchen auch die Vergnügungssteuer zählt. Sie gründen auf dem sog. „kommunalen Steuerfindungsrecht“. Das deutsche Mittelalter kannte eine Vielzahl von Vergnügungssteuern, jenseits einer zentral konzipierten Finanzverfassung. Und auch heute erlangt das kommunale Steuerfindungsrecht und die Vergnügungssteuer erneut im Hinblick auf finanzielle Engpässe der Kommunen und aus ordnungspolitischen Erwägungen praktische Bedeutung. Eine originäre Befugnis der Kommunen für ein Steuerfindungsrecht als Ausfluss des Art. 28 Abs. 2 GG ist zumindest zweifelhaft und die Bestimmung der verfassungsimmanenten Schranke des Art. 105 Abs. 2 a GG im Einzelnen strittig. Die Arbeit untersucht deshalb die Grenzen des kommunalen Steuerfindungsrechts in ihrer historischen Entwicklung am Beispiel der Vergnügungssteuer. Besonders wird der Entwurf eines Vergnügungssteuergesetzes vom 16. Juni 1919 zur Vereinheitlichung bestehender „Lustbarkeitsordnungen“ im Deutschen Reich in den Blick genommen. Dieser wurde der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung zwar zur Beschlussfassung aus „psychologisch-politischer Notwendigkeit“ zur Mäßigung der Vergnügungssucht vorgelegt. Die angestrebte Vereinheitlichung bedeutete aber nicht zuletzt einen „Einbruch in die bisherige steuerliche Zuständigkeit der Gemeinden“. Der Entwurf wurde verworfen. Dessen Ansätze sowie dessen Scheitern sind hinsichtlich des weiteren Einflusses auf die darauffolgenden Entwicklungen zu untersuchen. So wurde die Vergnügungssteuer stattdessen im Landessteuergesetz vom 30. März 1920 (§§ 12, 13), später im Reichsfinanzausgleichsgesetz (§ 14 FinAusglG) vom 23. Juni 1923 geregelt. Auf deren Grundlage wurden die Gemeinden verpflichtet, eine Vergnügungssteuer zu erheben. Sie blieb aber eine Gemeindesteuer mit besonderem Gestaltungsspielraum und Lenkungszweck. Das überall im Kaiserreich gewährte Steuerfindungsrecht der Gemeinden wurde nicht angetastet. Ein (allgemeines) kommunales Steuerfindungsrecht wurde vielmehr in § 1 des Landessteuergesetzes vom 30. März 1920 und im folgenden Reichsfinanzausgleichsgesetz vom 27. April 1926 verankert. Obwohl die Vereinheitlichung im Steuerrecht ein wesentliches Ziel der Erzbergerschen Finanzreform (1919/1920) war, um die erstarkte Rechtszersplitterung einzudämmen, sprach Finanzminister Matthias Erzberger den Ländern und Gemeinden somit „ein nahezu unbeschränktes Erfindungsrecht auf neue Steuern“ zu. Dessen Grenzen sind im Hinblick auf die Vergnügungssteuer, die „Merkmale der traditionellen Vergnügungssteuer“ (so etwa BVerfGE 14, 76) und die gesetzgeberischen Zielsetzungen (besonders bzgl. des sog. „Edukationseffekts“, vgl. u.a. BVerfGE 31, 8) zu ergründen. Dabei sind insbesondere Legitimation und Legitimität aus rechtshistorischer Perspektive zu beleuchten.